FANCY BEARS - WENN DIE VERRÜCKTEN BÄREN HACKEN ©Klaus Blume
FANCY BEARS – WENN DIE VERRÜCKTEN BÄREN HACKEN . . . Auch über 40 deutsche Sportler betroffen – Von Klaus Blume*
"Aufgrund meines Hexenschusses, wurde ich vom medizinischen Olympia-Team in Rio manualtherapeutisch und medikamentös mit Dexamethason und Triamcinolon behandelt. Da diese Medikamente während des Wettkampfes anmeldepflichtig sind, haben die mich behandelnden Ärzte die Regularien des IOC, der WADA sowie der NADA sorgsam beachtet.
Alle Anträge sind termingerecht und regelkonform eingereicht, gestellt sowie alle Formalitäten eingehalten worden. Ich bin ein transparenter Athlet und habe mit dieser Veröffentlichung keine Probleme."
Diese – unaufgeforderte – Aussage des Berliner Diskuswerfers Robert Harting schickte uns dessen Manager Marcel Göllnitz. Weil nämlich seit Wochen die Bären los sind. Nicht etwa welche aus Berlin, sondern die aus Russland. Sie nennen sich „Fancy Bears", was auf eine Gruppe schließen lässt, und hackt unentwegt die Datenbänke der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Fünf sogenannte Tranchen sind inzwischen auf den Markt geworfen worden, und neben Robert Harting nennen die „Fancy Bears" auch den Tischtennisspieler Timo Boll, den Schwimmer Stefan Deibler, die Speerwerferin Christina Obergföll und 41 weitere deutsche Sportler.
Weltweit genehmigte Medikamente für Olympia-Medaillen
Aber nicht nur deutsche Athleten, sondern auch Sportler aus Australien, Kanada, Kroatien, Dänemark, Großbritannien, Italien, Japan, Serbien, Südafrika, Schweden, der Schweiz und den USA befinden sich in diesen Listen. Andere Hacker sagen, keine Datenbank sei vor den verrückten Bären sicher, also auch nicht die des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Internationalen Sportgerichtshofes (CAS). Die WADA hat die gehackten und weltweit veröffentlichten Unterlagen inzwischen als Originaldaten bestätigt.
Am meisten schockieren dabei die sogenannten TUE-Fälle; denn dabei geht es um „Therapeutic Use Exemptions" (WADA), also um zugelassene Atteste und erlaubte Arzneimittel.
Wie wird damit betrogen?
Als prominentesten TUE-Konsumenten nannten die „Fancy Bears" den englischen Radsportler Sir Bradley Wiggins, der – vorerst noch – als Stundenweltrekordler in den Annalen steht. Doch das kann sich schnell ändern. Schon geht nämlich der Streit los: Wiggins‘ britischer Landsmann David Millar, einst selbst des Dopings überführt, traut dem geadelten Tour-Sieger von 2012 ebenso wenig über den Weg wie der Niederländer Tom Dumoulin, Kapitän des deutschen Rad-Teams Giant-Alpecin.
Sie können die „Creazy Bears" übrigens jederzeit im Internet aufsuchen, vielleicht steht da ja schon etwas Neues. Unter zwei Bären-Karikaturen, die mit umgeschnalltem Revolver ausgelassen tanzen, steht geschrieben: „Wir sind anonym. Wir sind eine Legion. Wir vergeben nicht. Wir verges-sen nicht. Erwarte uns." Die renommierte britische Wirtschaftszeitung „The Economist" glaubt herausgefunden zu haben, dass „Fancy Bears" und „Cozy Bears" zusammengehören und Verbindungen zu Russlands führendem militärischen Nachrichtendienst unterhalten, also zu jener Truppe, die sich zu sowjetischen Zeiten KGB nannte. „Cozy Bears" hat 2015 bereits das Weiße Haus und auch das US-Verteidigungsministerium gehackt; „Fancy Bears" wiederum den Deutschen Bundestag in Berlin und einige renommierte französische Medien, wie Le Monde TV.
Russlands Regierung lobt die „Hacker-Bären"
Putins Pressesprecher Dmitri Peskow ließ verlauten, jegliche offizielle Verbindung der russischen Regierung zu den Hacker-Bären sei „völlig ausgeschlossen", doch „man begrüße deren Aktionen". Immerhin würden diese schließlich beweisen, dass WADA und IOC korrupt und betrügerisch seien. Und: Die nächste Tranche bekannter Namen komme ganz bestimmt. Hoffentlich endlich auch in Sachen Wintersport, denn da wird ja nun wirklich gemauschelt, bis die Wände krachen.
Alle Jahre wieder werden Dopingvergehen im Wintersport mit dürren Worten im Hochsommer vermeldet, wenn Olympische Sommerspiele und Fußball-Europameisterschaften alles andere überlagern und niemand hinhört.
Auch in diesem Sommer haben uns die großen Ski-Konzerne und die wichtigen Wintersport-Verbände – ob aus Deutschland, Österreich, den USA oder aus Kanada – mit sogenannten Nachrichten überschüttet, doch die Wichtigste haben sie tunlichst verschwiegen: dass nämlich der norwegische Skilangläufer Martin Jonsrud Sundby wegen des Gebrauchs eines genehmigten, aber zu doch dosierten Asthma-Mittels – es dient nämlich bei entsprechender Dosierung gezielt dem Muskelaufbau (!) – seine Titel als Tour de Ski- und Gesamt-Weltcupsieger 2015/16 los ist.
Neuer Tour de Ski-Sieger ist damit Petter Northug, neuer Gesamt-Weltcupsieger Dario Cologna. Die verhängte zweimonatige Sperre lief bereits ab und geheult habe er auch wie ein Schlosshund – alles wie gehabt.
Die Bären können also wieder lostoben, denn auch sie muss verwundern, dass Weltcup-Rennen der Skilangläufer in den letzten drei Jahren zu norwegischen „Meisterschaften" ausgeartet sind, bei denen hin und wieder mal ein Russe unter den ersten Zwölf platziert war – aber sonst niemand.
Das kann nicht nur an den Genen liegen, wie uns die Causa Sundby beweist.
*Klaus Blume
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