Helmut Digel kennt jeder, der im Sport etwas zu sagen hat. Helmut Digel selbst hat allerhand über den Sport zu sagen: Der renommierte Tübinger Sportwissenschaftler und international installierte Sportfunktionär gilt als Vordenker des Sports und für viele auch als Querdenker – nicht erst seit dem Zeitpunkt, als vor rund drei Jahren sein Essayband mit dem (selbst gewählten) Titel „Quergedacht“ (Schorndorf: Hofmann 2008) und dazu noch im Querformat erschienen ist. ©Universität Tübingen
Fair Play: Ein neuer Essay-Band von Helmut Digel. Ist die kulturelle Identität des modernen Sports gefährdet? Die Rezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Helmut Digel kennt jeder, der im Sport etwas zu sagen hat. Helmut Digel selbst hat allerhand über den Sport zu sagen: Der renommierte Tübinger Sportwissenschaftler und international installierte Sportfunktionär gilt als Vordenker des Sports und für viele auch als Querdenker – nicht erst seit dem Zeitpunkt, als vor rund drei Jahren sein Essayband mit dem (selbst gewählten) Titel „Quergedacht“ (Schorndorf: Hofmann 2008) und dazu noch im Querformat erschienen ist.
Jetzt hat Helmut Digel noch einmal nachgelegt …ein weiterer Essayband in ähnlicher Aufmachung, fein untermalt mit sieben außergewöhnlichen Illustrationen von Marco Antonio Pallas Dos Santos Pina (Düsseldorf), die die sechs Themenblöcke des (fast quadratischen) Bandes sportiv einleiten und gleichsam zum Nachdenken einladen.
Eine Einladung zum Nachdenken sind dann aber erst recht die Texte von Helmut Digel. Es sind meist kleinere Beiträge zu aktuellen Themen, die er in den Jahren 2009 bis 2011 Jahren hier und da bereits publiziert und für diesen Band neu aufbereitet hat. Allein dieses hohe Produktionsaufkommen verdient Respekt und Würdigung.
Mehr noch: Helmut Digel bezieht dabei immerzu markant Position. Er schreibt Klartext – verständlich und sprachlich geschliffen formuliert sind die Artikel allemal. Genauso deutlich entfaltet er aber auch seine Argumentation, wenn er über (gefährliche) Entwicklungen im Sport schreibt, wo andere (noch) schweigen.
Er öffnet uns gleichsam die Augen für Dinge, die wir so vielleicht noch gar nicht betrachtet und beachtet haben. Er will damit Diskurse und Diskussionen anstoßen, eben weil noch nicht alles gesagt wurde. Digel stellt offene Fragen und liefert dazu gleichsam schlüssige Antworten. Wir können sie mittragen, wenn wir der gleichen Überzeugung sind wie Digel. Wir können sie aber durch noch bessere Antworten ersetzen, wenn wir uns kritisch-konstruktiv damit auseinandersetzen.
Es steht schließlich sehr viel auf dem Spiel. Es geht gemäß Titel zwar „nur“ um das ewige Fair Play des Sports, aber dahinter steht die gleichsam lokale wie globale Frage nach der „Verantwortung im Sport“ (Untertitel).
Wie lassen sich Dynamik und Expansion im Hochleistungssport (z.B. hinsichtlich der Kommerzialisierung) auf der einen Seite mit den zunehmenden Risiken und Skandalen auf der anderen Seite verantworten? Wer hat seine Leistung „sauber“ erbracht und wer nicht? Wer wurde gerade mal wieder bestochen und wer nicht? Wer sind die Sieger im Sport, und was ist mit den Verlierern?
Die insgesamt 51 Beiträge im Band sind in diese sechs Themenbereiche ge-gliedert: Olympisches Engagement (I), Organisatorische Verantwortung (II), Fair Play Verteidigung (III), Verantwortbare Massenmedien (IV), Verantwortbare Sportökonomie (V) und Zukunftssicherung (VI).
In jedem Block befinden sich drei bis 13 Artikel von je rund vier bis sechs Seiten. Eine Ausnahme ist der über das „IOC – ein Komitee ohne Antworten auf drängende Fragen“ mit 20 Seiten. Ein Sammelband mit vielen thematisch gestreuten Texten hat immer den Vorteil, dass man überall mit der Lektüre einsteigen kann.
Ein paar Anhaltspunkte dazu:
Wer beispielsweise etwas über die zukünftige Entwicklung von Sportvereinen erfahren möchte, der wird spätestens bei der Frage: „Sind die deutschen Turn- und Sportvereine zukunftsfähig?“ auf Seite 271 fündig. Wer noch nie beim Finale von „Jugend trainiert für Olympia“ in Berlin dabei war, erhält zuvor schon ab Seite 95 „live“ olympischen Anschauungsunterricht.
Wer als TV-Konsument immer schon mal wissen wollte, was die Bauprinzipien des Wettkampfsports mit der Inszenierung neuerer Fernsehformate zu tun haben, dem sei „Die Versportlichung des Fernsehens“ empfohlen. Und wer auf der Suche nach „dem“ Essay schlechthin ist, für den kommt bestimmt der dreiseitige Aufsatz mit der Titelthese „Der moderne Sport gefährdet seine kulturelle Identität“ in die engere Auswahl.
Helmut Digel klärt uns auf, warum diese kulturelle Identität bedroht ist und warum es lohnt, sich dafür stark zu machen, diese kulturelle Identität zu erhalten: Der Wettkampfsport – so Digel weiter – ist schließlich „eine der sinnvollsten Freizeitinhalte, die es in der menschlichen Kultur gibt“.
Helmut Digel: Verantwortung im Sport. Essen 2011: hellblau. 288 S.; 29,90 €
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann – "Sportwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover"