Elija Ziem - Foto: Theo Kiefner
Es geht voran in den 5 Ost-Ländern – Ein Rück- und Ausblick von Lothar Pöhlitz*
i
1.LAV Rostock mit Trainer Birger Voigt und Elija Ziem vom SC Neubrandenburg erinnern an alte Traditionen
Sie sind wieder auf dem Vormarsch, die Sportler und Trainer in den verschiedensten Sportarten aus den 5 Ost-Ländern. Es ist nach 30 Jahren Zeit nun bald ehrlicher miteinander umzugehen. Es ist Zeit sich mehr als bisher für den „einstig großen Osten im Sport“ – die 5-Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt – Mecklenburg-Pom.- Brandenburg / Berlin zu interessieren, gemeinsam mit ihnen auch in der Leichtathletik für das Weltniveau zu arbeiten.
Sie haben die Zeit des Mangels, „das haben wir nicht, der Bückware, der Sehnsucht nach Reisefreiheit“ mit der Hoffnung auf echte Eingliederung in den Westen hinter sich gelassen. Die versprochenen blühenden Landschaften blieben aus, auch wenn die Straßen heute besser sind als die vielerorts im Westen und Bananen sind auch reichlich im Angebot.
Sie haben bei jeder Sport-Rückblick-Gelegenheit der Medien erfahren müssen das sie, wenn sie gut waren, gedopt haben, dabei wurde im Osten und im Westen gedopt. Das war allen, na ja vielen, schon klar, als 1972 die 4×100 m Staffel der Westmädchen die gedopten Staffelmädchen Ost schlugen. Und auch die Ost-Fußballer, die schon nach wenigen Wochen in die Bundesliga wechselten, waren „plötzlich sauber“. 1992 kämpften sie dann in Barcelona gemeinsam und erkämpften nie wieder erreichte 82 Medaillen (33x G / 21x S / 28x B) und Germany war Weltspitze.
Inzwischen geht der Weg wieder nach oben. Erfreulich man sich im letzten Winter über die Thüringer-Wintersport-Erfolge freuen konnte, die für GERMANY errungen wurden. Und auch bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel der Sprinter, Springer, Werfer und Läufer waren sie auffällig präsent.
Unerwähnt blieb nach der Wende meist das warum, wie viele und mit welchem Einsatz dort, aus dem „Nichts heraus“ der 50iger Jahre für „ihr“ aufwärts, den Sozialismus, den Arbeiter- und Bauernstaat, gearbeitet haben. Bis sie merkten das sie vor allem für den Sozialismus und Kommunismus siegten. Jetzt geht es – für alle unter gleichen Bedin-gungen – um das gemeinsame zurück ins Weltniveau, wie damals.
Bis 1990 gehörte dieser kleinere Teil der jetzigen Bun-desrepublik zur „größten DDR der Welt“, wie die Einheimischen hinter vorgehaltener Hand flüsterten. Sie hatten ja nach der Mauer keine andere Chance. Trainer mit Verwandten im kapitalistischen Ausland (KAP) durften ihre Sportler nicht in den Westen begleiten, Fluchtgefahr. Natürlich waren sie trotzdem lange stolz bei den Empfängen „mit Erich“, zumindest bis in die letzten Jahre, seit immer mehr die Wende wollten.
Doping war dort sogar intern wirklich „streng geheim“, Sportler und Trainer sollten, durften nie darüber reden. In der Leichtathletik-Zentrale wurde schon in den 70iger Jahren „analysiert“, um die Milligramm zu reduzieren, weil sich in den Jahren die Erkenntnis durchsetzte, „dass viel nicht viel hilft“ und ganz gesund es auch nicht sei, dass die richtige Trainingsbelastung entscheidend ist. Natürlich wussten sie auch das auch die anderen. Es gab ja nicht nur West-Fernsehen.
Nun wäre es Zeit die immer noch großen Reserven weiter zu erschließen, für einen DLV-Koordinator für die Ostländer, ähnlich des „Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeut-schland“. Er mahnte kürzlich in seinem Jahresbericht auf die Schönfärberei der Vergangenheit künftig zu verzichten. Die enormen Veränderungen im Osten zu erkennen, das sich Ost- und Westdeutsche darauf einlassen der neuen Generation in ihrem Aufbruch zu helfen.
Heute gibt es wieder Hoffnungsträger auch für den Lauf-Nachwuchs in den 5 Ost-Ländern. Sportschulen und eine neue Trainer-Generation machen Hoffnung. Bei den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften in Filderstadt und in Halle an der Saale errangen beispielsweise die Athletinnen von Trainer Birger Voigt aus Rostock (Meck.-Pom) Gold, Silber und Bronze. Im Siebenkampf der Weiblichen Jugend U20 holte Anna Neubert den Titel mit 5338 Punkten, bei der Junioren-Gala in Mannheim ihre Trainings-kameradin Lia Flotow in 13,12 sec (Wind) sensationell den Titel über 100m-Hürden.
Bei den „DM der Großen“ in Kassel überraschte Chelsea Kadiri (Geb.Jahr 2005 – SC Magdeburg) als Zweite mit tollen 11,25 sec über 100m.
Chelsea KADIRI – Foto: SCM
Elija ZIEM (2004) vom SC Neubrandenburg scheint als 19Jähriger mit 48,34 und 1:48,22 Minuten auf einem guten Wege auf der kurzen Mittelstrecke, fühlt sich offensichtlich an der Sportschule in Neubrandeng sehr wohl und kann vielleicht eines Tages an die großen 400 / 800 m Traditionen der Neubrandenburger Mädels anschließen. Seine zwei Staatsbürgerschaften ermöglichten ihn, dass er auch schon dreimal Schweizer Meister wurde,
In den U-Bestenlisten findet man diese „Ost-Talente“ (Stand 1.7.2023)
Chelsea Kadiri (SC Magdeburg) 100 m 11,25
Johanna Martin (2006) 1. LAV Rostock 400 m 53,10
Till Woldrich Dresdner SC 800 m 1:50,71
Aaron Nikolas Schubert SC DHfK Leipzig e.V. 1500m 3:49,02
Paul Walochny SC DHfK Leipzig 2000 m Hi 6:06,76
Karl Geburek (ASV Erfurt) 2.000 Meter Hindernis
Johanna Ewert (Schweriner SC) – 3.000 Meter
Robin Müller Top Team Thüringen – 3000 m Hindernis
Bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel (8./9.7.23) gab es für die Ost-Clubs, ihre Trainer und Athleten viel zu feiern, wie für:
Gillian Ladwig (Schweriner SC) – Dritter Stabhoch 5,52 m
Kristin Pudenz (SC Potsdam) – Siegerin Diskus 65,98 m
Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898) – Sieger 3.000 Meter Hindernis; 8:24,52 min
Maria Purtsa (LAC Erdgas Chemnitz) – Siegerin Dreisprung; 14,02 m
Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz) – Sieger Dreisprung; 16,22 m
Chelsea Kadiri (SC Magdeburg) – Zweite 100 Meter; 11,33 sec
Julian Wagner (LC Top Team Thüringen) – Zweiter 100 Meter; 10,21 sec
Henrik Janssen (SC Magdeburg) – Sieger Diskuswurf; 63,93 m
Jean Bredau (SC Potsdam) – Zweiter 400 Meter; 45,67 sec
Sara Gambetta (SV Halle) – Siegerin Kugelstoß 18,51 m
Der Beste, Robert Farken SC DHfK Leipzig 3:32,10 / 1:45,65, mußte sich leider, leicht verletzt, zu Hause pflegen.
Ein Blick zurück ins Innere macht die schweren Jahre nach 1990 deutlich:
Seit der Olympia-Vorbereitung 1972 in München bis zum Ende der DDR haben in Rostock – Neubrandenburg – Magdeburg – Halle/Saale – ASK Potsdam – Dynamo Berlin – Leipzig – Dresden – Chemnitz – Jena – Erfurt – „für den Sieg des Sozialismus“ – pro Sportclub bis zu 24 hauptamtliche Leichtathlet-Trainer in einer optimal organi-sierten Leistungsstruktur, mit Sportmedizinischen Zentren, mit Kinder- und Jugend-sportschulen schon seit den 50iger Jahren und Kinder-Trainingszentren in den Regionen, mit Trainer-Team-Arbeit bei ständigen Qualifizierungsmaßnahmen, gearbeitet. Allerdings für „kleines, sehr kleines Geld“ im Vergleich zur Arbeit mit Talenten und heutigen Ansprüchen in der Welt. Das bedeutet das in 16 Sportclubs mindestens 300 professionelle Leichtathletik-Trainer „für den Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus“ ganztägig (sogar kontrolliert) an der Front im Einsatz waren.
Im Westen glaubten „fast alle“, das ihre Ergebnisse vor allem dem Doping geschuldet waren. Schon seit 1966 wurden Kinder- und Jugendspartakiaden durchgeführt, deren Ziel war es, eine Verbreiterung des Kinder- und Jugendsports und eine zielstrebige Förderung sportlicher Talente und ihrer regelmäßigen Wettkampftätigkeit zu organi-sieren. In den 80er Jahren nahmen „in der kleinen DDR“ über 900 000 junge Sportler an diesen Wettkämpfen teil.
Nun machen nach vielen Jahren „Abrüstung bei Stillstand“ die oben beispielsweise ausgewählten Talente aus den Altersklassen U20/23 Hoffnung, zeigen aber auch das vor Ort noch viel Arbeit zu investieren ist. Die Weltspitze ist weit. Und Hilfe vom DLV brauchten sie auch.
Meine Schwerpunkte wären: Trainer & neue Qualität der Talent-Aufnahme an Sportschulen
Der einzige Weg für ein zurück, zu einer erfolgreichen Leistungsgesellschaft führt über das Leistungsprinzip. Aus den 84 Millionen Einwohnern müssen sich doch richtige Talente und Trainer finden lassen, die für GERMANY arbeiten und stolz sein wollen. Dazu müssen aber alle Reserven energischer als bisher erschlossen werden. In allen Bereichen unseres Lebens, in der Schule, der Lehre, im Beruf, der Berufsausbildung und auch im Sport. Dazu gehören professionelle Strukturen bis hin zur Führung des Talent-Ausbildungsprozesses in den Bundesstützpunkten durch hauptamtliches Personal. Dazu gehört aber auch das Schulsport wieder zur Bildung gehört.
Die wichtigste Voraussetzung für einen „neuen“ Kinder- und Jugend- und Schul-sport ist, das nur wo Trainer oder Sportlehrer arbeiten, auch Kinder üben, sich bewegen, trainieren. Deshalb ist es besonders lobenswert das inzwischen auch in den „Ostländern Meck-Pom, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg/Berlin und Thüringen“ wieder gesät wird und Trainer an Sportschulen und Vereinen zum Wohle unserer Leistungskraft mit ihren Talenten in den Bestenlisten nach ganz oben wollen. Sie sind auf einem guten Weg.
Aber wir müssen weiter, zurück zum früher, wo in West und Ost Leistungs- und Hochleistungssport schon einmal gewollt und auch gekonnt wurde.
Die Trainer und ihre Talente entscheiden
Lothar Pöhlitz
——————————————————————–
*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / seit 1959-1971 Trainer im Hochleistungssport beim SC Chemie Halle / Verbandstrainer Lauf-Nach-wuchs / 1971 – 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Lauf – Trainingsmethodik des DVfL / 1979-1985 Sprinttrainer TSV Bayer 04 / 18 Jahre DLV-Bundestrainer von 1980
– 1998 – Mittelstrecke, Langstrecke, Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon/ Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule / 2006-2020 Leichtathletik Coaching Academy / 4 Lauf-Fachbücher