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25
05
2022

Emil Zatopek (r) aus der Tschechoslowakei sprintet zu Gold vor Alain (Silber) aus Frankreich und Herbert Schade (Bronze), während Chris Chataway (GBR) (ganz l.) stürzte - Foto: picture alliance

Er gehörte zur Weltspitze im Langstreckenlauf – Zum 100. Geburtstag im Gedenken an Herbert Schade – Prof. Dr. Kuhlmann in der DOSB Presse

By GRR 0

Herbert Schade, einer der weltbesten Langstreckenläufer der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren, wäre am kommenden Donnerstag, dem 26. Mai, 100 Jahre alt geworden. Herbert Schade gehörte zur ersten deutschen Olympia-Mannschaft in der Nachkriegszeit, die bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki wieder an den Start gehen durfte. Herbert Schade errang hier über 5.000 m die Bronze-Medaille. Schon im Vorlauf hatte er mit 14:15,4 Min. einen olympischen Rekord aufgestellt.

Während seiner Karriere stellte er ein Dutzend deutsche Rekorde auf Strecken von 2.000 bis 10.000 m auf. Er war der erste Deutsche, der die 10.000 m unter 30 Min. lief, und zwar am 10. August 1951 mit 29:55, 4 Min. in Stockholm. Drei seiner persönlichen Bestzeiten seien in Erinnerung gerufen: 3:53, 4 Min. über 1.500 m, 14:06, 6 Min. über 5.000 m und 29:24,8 Min. über 10.000 m. Schade wurde zwischen 1951 und 1958 in 32 Länderkämpfen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) eingesetzt. Von 1947 bis 1958 nahm er regelmäßig an Deutschen Meisterschaften teil und errang dabei acht Titel, die sich je zur Hälfte auf eine beiden Paradestrecken verteilen. 1956 startete er in der (ersten) gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft bei den Spielen in Melbourne und belegte Platz 12 über 5.000 m und Rang 9 über 10.000 m.

Herbert Schade wurde in Solingen geboren, brachte als junger Bäcker-Lehrling die Brötchen stets laufend zu den wartenden Kunden und arbeitete später als Verwaltungsangestellter und Leiter des Sportamtes bei der Stadt Solingen. Seine sportliche Liebe galt Anfangs dem Fußballspiel, später war er auch als Linkshänder im Feldhandball (draußen) gefragt. Da stand aber längst schon seine große Leidenschaft für das lange Laufen fest: „In jenen Tagen entdeckte ich auch mein Herz für das Laufen und schlug gern meinen Kameraden vor, uns im Laufen zu messen. Rund um ein Häusergeviert ging unsere Strecke, und Sieger war der, der die meisten Runden durchhielt. Glücklich keuchte ich dann noch eine Runde, wenn alle anderen aufgegeben hatten. Ich hatte die ‚längere Puste‘ gehabt, ich war der Sieger der Beethovenstraße“.

Diese besondere Begebenheit – wenn man so will: die von Schade erfundenen Peer-Group-Kiez-Wettkampfform als freie, weil außerverbandliche Solinger Talentschmiede – können wir noch heute in der Autobiographie nachlesen, die Herbert Schade unter dem Titel „Als Leichtathlet in 5 Erdteilen“ (Berlin: Verlag Bartels & Wernitz) im Jahre 1958 verfasst hat. Der damalige DLV-Präsident Dr. Max Danz (1908-2000), bezeichnet Herbert Schade im Geleitwort als „Sportbot-schafter Deutschlands“ und als ein „Vorbild für die leistungsbejahenden Jugend, der mit seiner Haltung und seinen Leistungen das nachahmenswerte Beispiel des auch im Erfolg stets bescheidenen Sportmannes gab“.

Lassen wir uns anlässlich seines 100. Geburtstages die Momente vor dem größten sportlichen Erfolg noch einmal selbst von Herbert Schade erzählen, als ganz Helsinki der olympischen Entscheidung über 5.000 m der Männer entgegenfiebert und als sich mit dem Startschuss das Stadion in einen Hexenkessel verwandelt, so dass das Zurufen der Zwischenzeiten untergeht. Schades Taktik lautet: „Tempo drücken“ und „Kraft für den alles entscheidenden Endspurt“ aufheben: „Ich renne, was in mir ist, aber kein Meter trennt mich von dem Feld der Verfolger. So geht es in die letzte Runde … Da, wie ein Schatten gehen zwei an mir vorbei. Ich erkenne das rote Trikot von Emil Zatopek. Nur noch 200 m! Ich hole alles aus meinem Körper heraus laufe – laufe – laufe. Und sollte ich letzter werden, es geht einfach nicht schneller“.

Herbert Schade erreicht das Ziel als Dritter: „Langsam gehe ich zu Emil Zatopek und Alain Mimoun, um ihnen herzlichst zu gratulieren.“

Herbert Schade war schon kurz vor dem Ende seiner Laufbahn von 1957 bis 1962 als DLV-Trainer der Langstreckenläufer tätig, bekleidete von 1967 bis 1969 im Landesverband Niederrhein das Amt des Lehrwartes, war von 1970 bis 1973 dort Sportwart sowie von 1969 bis 1977 Mitglied im Vorstand, zunächst als Beisitzer, später als zweiter Vorsitzender. Von 1978 bis 1990 hatte er den Vorsitz der Vereinigung ehemaliger Leichtathleten inne. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gehörte Herbert Schade zum Kampfgericht und fungierte als Obmann für Rundenzähler und Bahnrichter. Der DLV hat ihn mit den Ehrennadeln in Silber (1962) und Gold (1966) ausgezeichnet; den Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis des DLV erhielt er 1955, die Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen zwei Jahre später.

Am Ende noch einmal zurück zur Autobiographie von Herbert Schade, dort heißt es am Ende des Klappentextes zum Buch „eines deutschen Leichtathleten, der mit der Liebe zu seinem Vaterland, das er in vielen Ländern so vortrefflich vertreten hat, die Hoffnung vereint, daß die Leichtathletik ein guter Mittler zwischen den Nationen sei, damit sie in Frieden leben können“.

Herbert Schade ist am 1. März 1994 in seiner Heimatstadt Solingen gestorben. Sohn Michael (geb. 1952) startet ebenfalls als Läufer für den Solinger LC mit persönlicher Bestzeit von 4:05,1 Min. über 1500 m. Nach Herbert Schade ist in Solingen eine Sportanlage und eine Straße in einem Neubaugebiet benannt.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in der DOSB Presse

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