Citynacht Berlin: Die "Hübis" am Weltkugelbrunnen - Foto: Kai Görs
ENDLICH!!! Ein echter Straßenlauf! Impressionen von der City Night in Berlin am 31. Juli 2021 von Dr. Erdmute Nieke
Am frühen Abend komme ich auf dem Berliner Breitscheidplatz an. Ich verweile kurz an den Stufen der Gedächtniskirche am Mahnmal für die Opfer des Weihnachtsmarktattentates von 2016. Die Namen der zwölf getöteten Menschen sind in die Stufen eingelassen. Etliche Blumen, Bilder und Kerzen stehen immer da.
Auf der anderen Seite des Platzes sehe ich die weißen Zelte mit der Startnummernausgabe. Die – wie immer freundlichen – Volunteers warten auf mich, ich hole meinen Startpass und meinen Personalausweis aus der Tasche und schon surrt der Drucker und meine Startnummer wird ausgedruckt.
Was für ein Gefühl – das wird heute endlich wieder ein richtiger und großer Wettkampf – der erste seit Ausbruch der Coronapandemie!!!
Am Zelt gegenüber warten die Nächsten am 3G-Status-Check auf mich. Das ist neu, auch hier allerbeste Laune und viel Humor – welchen Impfnachweis von meinen drei Apps möchtet ihr sehen? Die nicht so ernst gemeinte Antwort: Klar, alle drei! Ich nehme Robert Koch und schon trage ich das gelbe SCC-Events-Armband für den Einlass zum Startbereich.
Jetzt habe ich noch über zwei Stunden Zeit bis zum Start! Weit komme ich nicht, denn endlich ist die Berliner Laufszene wieder versammelt, hier ein fröhliches Wort, da ein Schwätzchen, einhellig alle – ENDLICH und klar, bin ich geimpft!
Allmählich treffen auch die Läufer:innen vom LT Bernd Hübner ein, die obligatorischen Fotos am Weltkugelbrunnen – von den Berliner:innen liebevoll Wasserklops genannt – werden gemacht.
Wir gehen noch ein Stück den Kudamm hoch um die Skater:innen beim Start zu beobachten. Tempo und Eleganz sind immer gut anzusehen!
Und dann ist dieses Gefühl wieder da! Es lebt noch: Die Aufregung vor einem Wettkampf! Alles am richtigen Platz? Startnummer, Uhr, Chip, Maske?
Rein in den Sicherheitsbereich, Kleiderbeutel abgeben, Dixi-Schlange (überschaubar) und ab in den Startblock, klar den ganz hinten für die Läufer:innen mit über 55 Minuten. Auf der anderen Straßenseite kommen die Fünf-Kilometer-Läufer:innen ins Ziel.
Wir bejubeln sie. Jemand meint, dass wir mehr Zuschauer:innen hätten als die Olympioniken!
Der Sprecher begrüßt uns und bittet uns, die Masken erst nach der Startlinie abzunehmen und sie nicht auf die Straße zu werfen, obwohl wir im Ziel eine frische Maske erhalten sollen – und er freut sich, dass wir alle wieder da sind! 3.543 Läufer:innen stehen am Start, dass wir uns unter der Maske unterhalten, merken wir kaum noch. Neben mir steht Dina, mit der ich im letzten Jahr die meisten Trainingskilometer unter Coronabedingungen gelaufen bin und Martin, der auch oft am Wannsee mein Trainingspartner war.
Dann kurz vor 20.30 Uhr die SCC-Startmusik und der Countdown! ES LÄUFT WIEDER!!!
Und wie! Zügig rücken wir zum Startbogen vor und die Zeitnahmematten fiepen wie immer und los, Maske in die Tasche gesteckt, das Läufer:innenfeld entzerrt sich ohne Gedrängel, ich komme sofort in ein guten Laufrhythmus. Das Wetter ist perfekt, 20 Grad und leichter Wind. Es geht den Kudamm hoch. Martin läuft neben mir. Das erste Kilometerschild taucht auf, eine große LED-Tafel leuchtet am rechten Straßenrand. Martin neben mir meint, ob es mein Ernst sei, 5:41 auf den Kilometer zu laufen. Meine Antwort: Ja, ich fühle mich bestens, mein Puls im grünen Bereich. Er: Na, dann!
Wir laufen durch das dämmrige Charlottenburg, vorbei an meinem Friseur mit dem witzigen Namen „Salon ohne Namen“ – da sind meine Haare schon verschwitzt. Dann die Kantstraße zurück, hier sitzen die Menschen vor den Kneipen auf der Straße und schauen dem Treiben verwundert und manchmal auch anfeuernd zu. Dann wieder auf dem Kudamm, jetzt kommt ein frischer Luftzug von vorn, genau richtig für ein wenig Abkühlung. Etliche Leute stehen auf dem Kudamm und feuern uns an, einige auch vom LT, zwei auch als Helfer:innen.
Die Kilometerschilder leuchten jetzt wunderbar in der späten Dämmerung und wir halten (fast) unser Tempo.
Ich genieße das Laufen auf dem Asphalt, am liebsten auf der Mittellinie. Sonst ist der Kudamm mit Autos verstopft und dadurch laut und nervig – vor allem wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. Heute ist es herrlich still und die Fans an der Stecke sind gut zu hören!
Dann der Wendepunkt auf dem Kudamm – die Zeitnahmematte fiept – alles wie es sein soll!
Bei Kilometer acht fragt Martin zum ersten Mal: Knacken wir die Stunde? Ich: Ich weiß noch nicht! Bei Kilometer neun fragt er wieder. Ich: O.k. das könnten wir schaffen.
Der bunt leuchtende Zielbogen kommt in Sicht! Die Bruttozeit wird gerade mit 1:01:noch was angezeigt.
Doch: WIR HABEN ES GESCHAFFT! 00:59:39 auf meiner Laufuhr! YEHH! Wie lange habe ich das nicht mehr hinbekommen! Sollte sich das Training mit den Hübis (so nennen wir uns im LT Bernd Hübner) auch in den Zweiergruppen und fast immer über Stock und Stein und seit wenigen Wochen wieder auf der Blauen Bahn im Olympiapark ausgezahlt haben?
Nach dem Ziel erhalten wir zuerst eine Maske, dann eine wunderbar gestaltete Medaille mit dem alten und dem neuen Turm der Gedächtniskirche (meine letzte Medaille von der Citynight 2016 hatten wir böserweise als Hundemarke bezeichnet), dann Wasser und dann das wunderbare Erdinger alkoholfrei. Kleiderbeutel holen ohne Warten und das Umkleidezelt ist groß und hat viel Platz. Spontan lasse ich mir noch meine Medaille gravieren, auch hier geht es zügig voran.
Der Zielbogen auf dem Kurfürstendamm vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde
Danach zischen wir noch ein Alkfrei an einem Stand am Breitscheidplatz und freuen uns, dass wir wieder richtig laufen durften!
Ein großes, großes DANKE an die Organisator:innen des SCC-Events, an alle Volunteers und alle Sicherheitsleute, an die Polizist:innen und die Zuschauer:innen: Es ist so schön, wieder einen richtigen Wettkampf zu laufen!
Möge es weiter so LAUFEN! Bitte lasst Euch alle impfen, damit wir wieder gemeinsam laufen dürfen! Und bleibt alle gesund! Wir sehen uns – vielleicht nächsten Sonntag beim The Great 10K Berlin?
Dr. Erdmute Nieke