2010 World Junior Championships Moncton, Canada July 19-26, 2010 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
EM in Helsinki – Deutsche Läufer am Abschlusstag ohne Glück – Teil 1 – – Wolfram Marx berichtet
Der Abschlusstag in Helsinki sollte nicht zum Tag der deutschen 1.500-Meter-Läufer werden. Nach einem starken und vielversprechenden Rennen in den Vorläufen erlebte Corinna Harrer einen für sie enttäuschenden Endlauf, Florian Orth einen für ihn mehr als unglücklichen und ärgerlichen Verlauf seines Finales.
Eine deutsche Mittelstrecklerin sorgte in dieser Saison für Aufsehen: Corinna Harrer. Immer wieder gab es von „Coco“ neue Bestzeiten in den Ergebnislisten, die Olympianorm von 4:05,50 konnte sie über 1.500 Meter innerhalb einer Woche gleich zweimal unterbieten. Beim Diamond League Meeting in Rom versteckte sie sich von Anfang an nicht und zeigte ein couragiertes Rennen. Am Ende stand mit 4:04,30 Minuten eine neue persönliche Bestzeit in den Ergebnislisten.
Daher stiegen der mediale Hype, wie es ihr Trainer Kurt Ring nennt, und gleichzeitig auch die Erwartungen an die 21-Jährige von der LG Telis Finanz Regensburg. Mit diesem Druck, den sie sich auch ein wenig selbst gemacht hatte, stand sie in Helsinki an der Startlinie. Ihr Ziel, ein Platz unter den besten Fünf, war aber durchaus realistisch.
Entsprechend ging sie das Rennen auch an, sie war immer neben der Russin Yekaterina Gorbunova in der Führung. Eingangs der letzten Runde lagen die Türkinnen Gamze Bulut und Asli Cakir-Alptekin an der Spitze, dritte war die Ukrainerin Anna Mishchenko. Den entscheidenden Punkt im Rennen hatte Harrer verpasst, ihre Chance, an die Führenden heran zu kommen, war nicht mehr da.
In der Zielkurve erarbeitete sich Cakir-Alptekin (4:05,31 Minuten) einen Vorsprung von wenigen Metern vor Bulut (4:06,04 Minuten), die Mishchenko (4:07,74 Minuten) nicht mehr vorbei ließ. Cakir-Alptekin kündigte der Konkurrenz gleich eine weitere Attacke an. „Beim nächsten Mal wollen wir alle drei Medaillen.“
Die zweite Deutsche im Finale, Diana Sujew, hielt sich in einer Dreier-Gruppe und sicherte sich den sechsten Platz (4:09,28 Minuten). „Ich wollte und konnte es heute lockerer angehen als gestern im Vorlauf. Ich bin glücklich über das Ergebnis. Obwohl mir solche Rennen eigentlich nicht liegen, denn ich bin keine Spurterin. Ich hatte eigentlich mit einem Platz unter den ersten Acht gerechnet, denn ich dachte, die ersten Sechs sind vergeben.“ Ihre erste Priorität nach dem Rennen galt aber Corinna Harrer und den Versuchen, sie zu trösten. „Ich hätte es ihr wirklich gewünscht.“ Sportlich soll es für Sujew aber nächste Woche weiter gehen, denn beim Meeting am 6. und 7. Juli in Bottrop will sie versuchen, sich noch für die Olympischen Spiele in London zu qualifizieren.
Völlig enttäuscht mit ihrem neunten Platz (4:10,38 Minuten) war dagegen Harrer. „Ich habe noch nie versagt und jetzt ausgerechnet heute. Es tut mir leid für alle, die heute zuhause zugeschaut haben. Ich wollte mehr zeigen und hatte die Top Fünf als Ziel.“ Ihr Trainer Kurt Ring riet aber direkt nach dem Rennen zu Vorsicht und Nüchternheit und machte ihr keinen Vorwurf. „Sie ist überrollt worden und kam aus dem Tritt. Sie hat keinen Fehler im Rennen gemacht. Eventuell hat sie überfokussiert. Da muss sie durch, so ist der Sport.“
Er befürchtet daher keine gravierenden Folgen für Harrer. „Sie ist noch jung und hat noch viele Möglichkeiten. Es war wahrscheinlich auch eine wichtige Erfahrung für London.“ Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass die beiden Russinen Gorbunova und Kristina Khaleyeva, die Bestzeiten von 3:59,89 Minuten und 4:00,53 Minuten aufweisen, im Rennen keine Chance hatten. Für Harrer geht es nun normal weiter. „Als nächstes steht wie geplant das Diamond League Meeting in London an. Ein Formeinbruch war heute nicht der Grund und es wird wegen heute auch keinen geben“, blickt er unverändert optimistisch in die Zukunft.
Triumphlauf für Dulce Félix
Selten waren die Chance für Sabrina Mockenhaupt so groß, eine Medaille bei Europameisterschaften zu gewinnen, wie in diesem Jahr. Entsprechend engagiert ging sie auch ins Rennen und zeigte sich von Anfang an an der Spitze des Feldes. Erst nach 6.800 Metern löste sich die Portugiesin Dulce Félix von der Führungsgruppe mit der Irin Fionnuala Britton, Mockenhaupt, Jo Pavey (Großbritannien), Olha Skrypak (Ukraine), Charlotte Purdue (Großbritannien) und Ana Dias (Portugal), der entscheidende Moment des Rennens. Sie vergrößerte ihren Vorsprung kontinuierlich, 800 Meter später betrug er bereits sechs Sekunden. Dann riss auch die Verfolgergruppe auseinander, auf den Plätzen zwei und drei lagen Skrypak und Pavey.
Mockenhaupt hatte Probleme, Britton zu folgen. „Irgendwann war klar, dass ich nicht mehr hinkomme. Da gibst Du im Kopf auf und läufst das Rennen nur noch zu Ende“, meinte sie enttäuscht im Ziel. Vorne war das Rennen entschieden, denn die Cross-Europameisterin Félix ließ sich den Sieg in 31:44,75 Minuten nicht mehr nehmen. „Ich dachte, die anderen würden bei meiner Attacke mitgehen, aber keine folgte mir. Selbst auf der Ziellinie habe ich mich noch einmal umgedreht“, sagte die Siegerin, die in London über die Marathondistanz an den Start gehen wird. Um Platz zwei kam es zu einer Spurtentscheidung zwischen Pavey und Skrypak, am Ende hatte die Britin in 31:49, 03 Minuten die Nase gegenüber 31:51,32 vorn.
Mockenhaupt erreichte am Ende eine Zeit von 32:16,65 Minuten und ärgerte sich. „Heute wäre eine Medaille möglich gewesen. Ohne die Verletzung im Winter und die zwei Monate Trainingsausfall hätte es klappen können. Es wäre mehr drin gewesen. Ich kann die Form einfach noch nicht so lange halten, es war mein zweiter Wettkampf über 10.000 Meter in zwei Wochen.“ Nach dem Schnelligkeitstraining in der vergangenen Woche, das gut verlaufen war, war sie eigentlich optimistisch ins Rennen gegangen. „Die Trauben hingen aber heute hoch, Félix war verdammt stark.“ Nun geht es nach einer Woche Training in der Heimat anschließend noch einmal ins Trainingslager nach St. Moritz.
Pech für Florian Orth
Riesenpech ereilte Florian Orth in seinem ersten Finallauf bei einer Europameisterschaft bei den Erwachsenen. In der Zielkurve berührte der hinter ihm Laufende am Bein, Orth stürzte und der Österreicher Andreas Vojta über ihn. Bis Orth wieder aufstehen konnte, war das Feld für ihn unerreichbar und damit auch die angestrebte und mögliche gute Platzierung. Ein Platz unter den ersten Sechs in Europa war für den Regensburger durchaus realistisch gewesen. Das ganze Rennen über hatte sich Orth taktisch geschickt verhalten, lief vorne mit, hielt sich aber außen, eben um Berührungen und Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.
Auch als auf der letzten Runde das Tempo schließlich angezogen wurde, passte alles – bis zur letzten Kurve. „Mir wurde von hinten auf den Fuß getreten, ich hatte keine Chance mehr. Es ist sehr schade, denn ich hatte hintenraus noch etwas drauf.“ Auf der Zielgeraden kam es dann zu einer Spurtentscheidung, bei der der Norweger Henrik Ingebrigsten (3:46,20 Minuten) die besten Reserven hatte. Ironie des Schicksals ist, dass Ingebrigsten im Vorlauf noch innen an Orth vorbei wollte, Orth dies verhinderte und der Norweger sich nur über die Zeitregel einen Finalplatz sichern konnte.
Silber ging an den Franzosen Florian Carvalho (3:46;33 Minuten), Bronze sicherte sich der Spanier David Bustos (3:46,45 Minuten). Orths Trainer Kurt Ring zog ein knappes Fazit: „Es gibt Tage, die einen einfach nicht mögen.“
Trotz dieser beiden unglücklichen Finalläufe können die deutschen Mittel- und Langstreckler aber ein durchaus positives Fazit ziehen. Zwei Medaillen in diesen Laufbereichen hat es schon lange nicht mehr gegeben und das Alter der meisten Läufer, die in Helsinki am Start standen, lässt zumindest mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Überragt wird natürlich alles von der Silbermedaille von Arne Gabius, der endlich und hoffentlich auch endgültig in der der europäischen Spitze angekommen ist. Beeindruckend auch das Comeback von Antje Möldner-Schmidt über 3.000 Meter Hindernis nach ihrer Krankheit, die sie praktisch das komplette Jahr 2010 aus dem Sport herausgezogen hatte.
Nicht nur, dass sie sich ohne Schwierigkeiten für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte und nun stetig Zeiten um 9:32 Minuten laufen kann, sie krönt dieses Comeback auch mit ihrer ersten internationalen Medaille in dieser Disziplin. Nicht weniger stark auch der vierte Platz von Gesa-Felicitas Krause über die gleiche Distanz. Ein ebenso starkes Comeback zeigte in diesem Jahr auch Philipp Pflieger, der nach seinem deutschen Meistertitel über 10.000 Meter nun auch zum ersten Mal bei einer Europameisterschaft am Start (5.000 Meter) war.
Das Potenzial über 1.500 Meter ist vielversprechend, immerhin erreichten von fünf gemeldeten Athleten drei die Endläufe und ihr Alter lässt noch einiges erwarten. Dies gilt auch für Maren Kock und ihre Spezialdisziplin 5.000 Meter. Nun muss der DLV auf diesem Fundament aufbauen und den Athleten gemeinsame Trainingsmöglichkeiten und die entsprechende Unterstützung anbieten. Zumindest in Europa kann Deutschland den Anschluss an die anderen Nationen finden.
Wolfram Marx
Day 5- Stats by Ken Nakamura
Europameisterschaft in Helsinki (Finnland)