2009 World Championships Berlin, Germany August 15-23, 2009 Photo: Victah Sailer@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
EM Helsinki – Gabius erfüllt sich seinen Kindheitstraum – Wolfram Marx berichtet von den Europameisterschaften in Helsinki
Der erste Tag der Europameisterschaften in Helsinki bot einen verhaltenen Einstieg in die Titelkämpfe. Nur ein Finale hatte die Verantwortlichen der European Athletic Organisation auf den Zeitplan gesetzt. Die einzigen Medaillen an diesem Tag wurden über 5.000 Meter bei den Männern vergeben. Der Favorit vor dem Rennen war klar und unbestritten.
Niemand außer dem Weltmeister über 5.000 Meter Mo Farah (Großbritannien) konnte das Rennen gewinnen. Er war in allen Wettkämpfen in diesem Jahr so stark gewesen, dass eine Niederlage ein Wunder gewesen wäre. In Eugene im US-Bundesstaat Oregon hatte er im Mai eine 12.56,98 erzielt. Farah ist nicht nur der Titelverteidiger über die 5.000 Meter von Barcelona 2010, er gewann dort auch die 10.000 Meter, der erste, dem dies gelang, seit dem Italiener Salvatore Antibo 1990. Er sagte vor dem Wettkampf, dass es kein leichtes Rennen werde: „Dies wird kein Spaziergang im Park.“
Gute Chancen auf einen Platz unter den Top 5 konnte sich zum ersten Mal seit vielen Jahren über eine Langstrecke bei einer Europameisterschaft, 2002 gewann Dieter Baumann in München Silber über 10.000 Meter, mit Arne Gabius (LAV Stadtwerke Tübingen) auch ein Deutscher machen. Der Tübinger hatte in diesem Jahr einige bemerkenswerte Bestzeiten erzielt. Im Februar verbesserte er erst eine eigene Bestmarke über 3.000 Meter in der Halle um rund zwölf Sekunden auf 7:38,13 Minuten. Damit verpasste der deutschen Rekord seiner früheren Trainers Dieter Baumann nur um 62 Hunderstel.
Wenige Tage später dann wurde er in Birmingham zum deutschen Rekordhalter über zwei Meilen. Mit 8:10,78 Minuten verbesserte er die alte Bestmarke von Thomas Wessinghage (8:30,2 Minuten) deutlich. So konnte sich der Tübinger Hoffnungen auf die Erfüllung eines Kindheitstraums, dem Gewinn einer Medaille bei einer internationalen Meisterschaft, machen.
Couragiertes Rennen
Entsprechend ging Gabius das Rennen auch an, von Anfang lief er in der Spitzengruppe mit, hielt sich immer auf Platz vier oder fünf, war aufmerksam und reagierte auf jede Tempoänderung. Der Russe Anatoliy Rybakov hatte sich vom Start weg an die Spitze gesetzt und einen Vorsprung von rund 40 Metern herausgelaufen. Nach rund 2.300 Metern wurde er eingeholt, 500 Meter später übernahm Mo Farah die Spitze und bestimmte das Tempo.
Dabei gab es immer wieder schnellere Runden, die den zweiten Deutschen Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) dazu zwangen, die erste Gruppe laufen zu lassen. „Ich bin anfangs absichtlich in der vorderen Gruppe gelaufen. Dann waren zeitweise Runden dabei, die eigentlich nicht so schnell sind, aber mitten im Rennen ist das schwer. Für mich ist das Bestzeittempo. Ich hatte es ruhiger erwartet.“
Doch Farah kontrollierte das Tempo vorne weiterhin nach Belieben und 700 Meter vor Schluss kam dann die Tempoverschärfung für den entscheidenden Rennabschnitt. 200 Meter vor Schluss überholte Gabius den vor ihm laufenden Türken Polat Kemboi Arikan und setzte sich auf den zweiten Platz. In 13:31,83 Minuten holte er dann die Silbermedaille hinter Weltmeister Mo Farah (13:29,91 Minuten). „300 Meter vor dem Ziel wusste ich, dass ich sie schlagen kann, 30 Meter vor dem Ziel dann, dass es reicht“, sagte ein überglücklicher Arne Gabius im Ziel. „Ich habe mir meine Träume erfüllt.
Vielleicht kommt noch ein zweiter dazu, wenn ich am 11. August im Finale bei den Olympischen Spielen wieder neben Mo Farah am Start stehe. In der bereinigten Bestenliste bin ich auf Platz 20 in der Welt. Warum sollte es also nicht klappen?“ Mit 13:13,43 Minuten gelang ihm am 7. Juni in Oslo die Qualifikation für die Olympischen Spiele in London. Dabei hatte er alles auf eine Karte gesetzt, denn das Diamond League Meeting in der norwegischen Hauptstadt war sein einziges Qualifikationsrennen für London. Ein solcher Sprung brachte ihn auf Platz zwei der europäischen Jahresbestenliste. Auch der frühere DLV-Präsident Helmut Digel rechnet ihm durchaus Chancen aus: „Es wird schwer, aber er kann das Finale erreichen.“
Arbeit als Profi und ohne Trainer
Seine Leistungssprünge führt er selbst auf zwei Faktoren zurück. Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums im Mai 2011 konzentriert Gabius sich nun ausschließlich auf den Sport. Der zweite entscheidende Schritt folgte dann nur drei Monate später, denn er trennte sich von seinem langjährigen Trainer Dieter Baumann und nahm die Trainingsplanung in eigene Hände. Die Folge war eine komplette Umstellung des Trainings. Dazu gehört unter anderem eine Erhöhung des Dauerlauftempos, bis zu eine Minute schneller pro Kilometer als zuvor. Weitere Elemente waren der Einbau eines Hürdentrainings und Skilanglauf im Winter.
Für den zweiten deutschen Start, Philipp Pflieger von der LG Telis Finanz Regensburg ging es bei dieser Europameisterschaft primär darum, ein für ihn gutes Ergebnis zu erzielen. Er war bereits mit der Qualifikation für Titelkämpfe selbst zufrieden, denn er war fast das komplette Jahr 2011 wegen Verletzung ausgefallen und konnte zehn Monate keinen Wettkampf bestreiten. Nach einigen Crossläufen im Winter mit einem gelungen Comeback beim Darmstadt Cross im November 2011 war er dann spätestens mit den Deutschen Meisterschaften über 10.000 Meter Anfang Mai in Marburg wieder in der nationalen Spitze angekommen.
Die dort gelaufene Zeit reichte zwar nicht für die Qualifikation für Helsinki, doch über 5.000 Meter schaffte er es dann am 26. Mai im belgischen Oordegem in 13:34,24 Minuten. Für den Regensburger ist die erste Europameisterschaft mit der A-Nationalmannschaft ein „Schritt zurück zur alten Leistungsstärke“. „Ich habe im Herbst 2011 bei Adam und Eva angefangen, da war die EM hier ein Riesenziel und eine Riesenmotivation. Aber es hat sich alles gelohnt.“ Er sieht die Medaille für Gabius auch als Bestätigung für sich selbst. „Es zeigt, dass es machbar ist und dass auch für Deutsche Zeiten von 13:20 Minuten möglich sind.“
Uliczka stürzt, träumt aber auch noch
Was machbar ist, will auch Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/Kieler TB) im Finale über 3.000 Hindernis zeigen, das er erreicht hat. Denn er hat sich die Verbesserung seines Ergebnisses der Europameisterschaft von Barcelona 2010, dort wurde er Sechster, als Ziel gesetzt. Davor musste er aber im Vorlauf erst noch einige Schrecksekunden überwinden, denn am letzten Hindernis stürzte der gute Techniker, er schabte mit den Spikes des Schwungbeins am Hindernis. „Es war wie ein Kopfsprung, ich dachte nur, schnell auf, ich bekomme noch den einen oder anderen.“
Dies gelang ihm auch und er wurde schließlich Sechster und qualifizierte sich mit 8:29,55 Minuten ohne Probleme über die Zeit fürs Finale. Dort will er sich nicht verstecken: „Eine Bestzeit wäre prima. Ich hoffe natürlich auf die London-Norm und denke, alle werden Druck machen und es wird schon eine schnelle Zeit geben. Ich schaue aber erst auf die Platzierung, denn der Wettkampf ist wie eine normale Europameisterschaft zu werten. Das Feld ist entsprechend stark. Platz vier oder fünf ist realistisch. Von einer Medaille träumt natürlich jeder.“
Ludolph und Keiner souverän
Einen guten Eindruck hinterließen Sebastian Keiner und Sören Ludolph über 800 Meter. Beide konnten ihre Vorläufe gewinnen und erreichten problemlos die zweite Runde. Keiner setzte sich nach rund 300 Metern an die Spitze des Feldes, bestimmte von dort das Tempo überlieft nach 1:48,10 Minute die Ziellinie. „Die erste Runde war ziemlich schlecht, aber insgesamt bin ich zufrieden. Ich bin wie geplant nach 300 Metern an die Spitze und konnte das Rennen gut von vorne laufen.“ Ähnlich äußerte sich auch Sören Ludolph: „Wir wollten beide offensiv laufen, das hat gut geklappt. Wir sind beide motiviert und fit.“
Geärgert hat er sich nur über „das Gerangel und Geboxe“ während des Rennens. „Der Slowake Josef Repcik hatte es wohl auf mich abgesehen.“
Wolfram Marx
Europameisterschaft in Helsinki (Finnland)