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2021

Johannes Motchmann (SCC) wird Deutscher Cross-Meister - Foto: Wilfried Raatz -wus media

EM-Bronze beflügelt Alina Reh zum DM-Titel 2021 – Alina Reh und Johannes Motschmann beeindrucken mit Soloauftritt im tiefen Crossgeläuf – Samuel Fitwi verteidigt Langstreckentitel nach langem Duell mit Aaron Bienenfeld – von Wilfried Raatz

By GRR 0

Für die Überraschungen sorgen bei den Deutschen Crossmeisterschaften vor allem die Nachwuchsläufer/-innen

„Dublin hat mir sehr gut getan, den Schwung konnte ich heute natürlich mitnehmen“, bekannte Alina Reh im Ziel nach 6 100 m Laufarbeit bei den Deutschen Crossmeisterschaften im Gelände am Willy-Lemkens-Sportpark. Doch wer Augenzeuge des beeindruckenden Start-Ziel-Siegs im teilweise recht tiefen Wiesenparcours am Samstagnachmittag war, der sah keineswegs die 24jährige im Trikot des SCC Berlin „arbeiten“, es war vielmehr ein nahezu leichtfüßiges Laufen trotz erschwerter Bedingungen.

Der überragende dritte Rang bei den Cross-Europameisterschaften vor Wochenfrist beflügelte den Schützling von Jürgen Austin-Kerl, zu dem sie nach ihrer Verletzungsphase und des zwangsläufig verpassten Olympiastarts zurückgekehrt ist, und ist mit Sieben-Meilen-Stiefeln auf dem Weg, scheinbar verlorenes Terrain wieder wettzumachen. Und der Coach hatte gewiss gewichtigen Anteil am klaren Sieg der Laichingerin, denn engagiert wie früher dirigierte er „seine“ Athletin vom ersten Meter an mit kurzen, aber präzisen Anweisungen.

Im Kampf um die Plätze „dahinter“ entwickelte sich ein spannender Dreikampf mit dem deutlich besseren Ende für die Hindernisspezialistin Lea Meyer, die 41 Sekunden hinter Alina zur Silbermedaille laufen konnte. Zeitgleich stürmten die Vorjahresmeisterin Domenika Mayer und die U23-Meisterin Eva Dieterich über die Ziellinie, nach einigem Hickhack um die Reihenfolge wurden letztlich beide auf Rang drei gesetzt. Wie schon zuvor Alina zogen auch sowohl Domenika als auch Eva aus ihrem starken Abschneiden von Dublin (mit Rang 21 und der Teamsilbermedaille bzw. Rang 10 der U23-Kategorie) ihre Motivation, um im tiefen Sonsbecker Geläuf noch einmal richtig Gas zu geben.

Den Mannschaftstitel sicherte sich allerdings nicht die sieggewohnte LG Telis Finanz Regensburg, sondern der LC Rehlingen mit den Benfares-Geschwistern Sara und Selma und Miriam Marx mit einem (!) Punkt Vorsprung. Die LG Nord Berlin mit der in der neuen Saison zum SCC Berlin wechselnden fünftplatzierten Rabea Schöneborn wurde Dritte.

Neben Alina Reh gab es für den SCC Berlin durch den nicht minder stark dominierenden Johannes Motschmann auf der Männer-Mittelstrecke über 4,1 km einen weiteren Einzeltitel. Auch er lief praktisch zum Start-Ziel-Sieg, konnte sich sogar am kleinen Hügel noch einen Strauchler leisten und kam dennoch mit 12 Sekunden Vorsprung als neuer Meister ins Ziel, nachdem er im Vorjahr in Sindelfingen noch hinter Simon Boch Zweiter geworden war. Apropos Simon Boch, der nicht nur die EM-Quali in Pforzheim wegen einer aus Kenia mitgebrachten Magen-Darm-Infektion, sondern auch damit die Europameisterschaften in Dublin – und nun auch Sonsbeck sausen lassen musste. „Ich liebe einfach ein hohes Anfangstempo, das habe ich wie schon in Sindelfingen auch hier wieder praktiziert. Da Simon diesmal fehlte, war ich schon sehr früh alleine in Führung – und habe mich über die wenig aktive Konkurrenz gewundert. Natürlich freue ich mich über den ersten Männertitel“, so der Medizinstudent, der zunächst wieder dem Studium Vorrang geben wird, bevor es an die intensive Marathon-Vorbereitung geht. „Boston oder Hamburg, das ist noch offen…“

Mit dem Vizemeister Konstantin Wedel, Tim Ramdane Cherif (6.) und dem erneut zuverlässigen Florian Orth (9.) geht die Meisterschaft nun schon im siebten Jahr in Folge an die LG Telis Finanz Regensburg.

Auf der Langstrecke hingegen fehlte die Regensburger Dominanz, sodass ziemlich überraschend der SCC Hanau-Rodenbach mit dem zwei Drittel des über 10,1 km langen Langstreckenrennens die Pace bestimmenden Aaron Bienenfeld und den beiden U23-Junioren Julius Hild und Marius Abele vor der LG Braunschweig und einem Team der LG Telis Finanz Regensburg die Meisterschaft feiern durfte.

Mit einem taktischen Sieg rehabilitierte sich Samuel Fitwi Sibhatu für sein eher mäßiges Abschneiden in Dublin. „Ich gebe zu, dass ich bei den Europameisterschaften gerne in die Medaillen gelaufen wäre. Heute war dies natürlich ein völlig anderes Rennen und ich habe mich besser gefühlt als vor einer Woche“, gestand der 23jährige gebürtige Eritreer. Stark präsentierte sich zudem auch Aaron Bienenfeld, der gerne in Dublin am Start gewesen wäre, aber einer Flugstornierung von seinem Studienort in den USA zum Opfer gefallen war, und deshalb die deutsche EM-Quali verpasste. „Mit Simon und mir hätten wir vielleicht ein besseres Teamresultat in Dublin schaffen können….“ äußerte der Hanau-Rodenbacher leichte Kritik am Selektionskonzept des DLV.

Die Rennen der Nachwuchsläufer brachten so manche Überraschung. So gewann im Duell der „Gold-Mädels“ von Dublin in Abwesenheit der in der U23-Kategorie startenden EM-Dritten Emma Heckel die Sindelfingerin Mia Jurenka die weibliche U20-Meisterschaft vor Johanna Pulte, der überraschend starken Charlotte Römer und der Titelverteidigerin Anneke Vortmeier.  Bei den U20-Junioren triumphierte mit Tom Förster ein Jugendlicher, der nicht in der DLV-Auswahl in Dublin stand. Bastian Mrochen und Kurt Lauer hatten hier das Nachsehen.

 

wU20 mit v.l. Charlotte Römer (3.), Mia Jurenka (1.), Anneke Vortmeier (4.) und Johanna Pulte (2.) – Foto: Wilfried Raatz – wus media

Er ist ein Kronjuwel, der scheinbar alles kann: Der 17jährige Lukas Ehrle gewann nach Berglauf und 10 km-Straßenlauf auch die U18-Meisterschaft im Cross. Dabei gelang dem Villinger Schüler, der übrigens vor drei Wochen als bester Nachwuchsläufer von German Road Races ausgezeichnet wurde,  das Glanzstück, den in Dublin gestarteten Hamza Hariri um gleich 13 Sekunden zu distanzieren. Bei der weiblichen U18 setzte sich in praktisch einem Ausscheidungsrennen Kira Weis gegen Rebecca Bierbrauer und Carolin Hinrichs durch.

Waren die Wettbewerbe im weitläufigen Terrain des Sportparks eine wirkliche Werbung für das Crosslaufen, so wenig meisterwürdig erwies sich das vor Ort eingesetzte Auswertungsteam. Vor allem bei den Mannschaftswertungen gab es erhebliche Defizite, sodass man verschiedentlich auf „händische“ Auswertung zurückgreifen und letztlich viele Teamehrungen völlig ausfallen lassen musste.

Sehr zum Verdruss der zumeist weit angereisten Läufer, sodass hier erheblicher Handlungsbedarf seitens des Deutschen Leichtathletik-Verbandes für künftige Titelkämpfe bestehen dürfte.   

Wilfried Raatz  

 

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