Blog
06
10
2009

Der Ausschuss „Frauen im Sport“ im Landessportverband Schleswig-Holstein verleiht seit einigen Jahren den „Elfriede-Kaun-Preis“ an starke Frauen-Persönlichkeiten im Sport.

Elfriede Kaun und Gretel Bergmann – Erinnerungen an den Hochsprung-Wettbewerb der Olympischen Spiele 1936

By GRR 0

Der Film Berlin ´36 hat den Fall der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann in Erinnerung gerufen, die aufgrund einer Nazi-Intrige am Start für Deutschland gehindert wurde. Zum realen Hintergrund gehört, dass die Kielerin Elfriede Kaun bei Olympia 1936 Bronze gewann.

Elfriede Kauns Konkurrentin im Vorfeld der Spiele war Gretel Bergmann. Elfriede Kaun (1914-2008) wäre am 5. Oktober 2009 95 Jahre alt geworden. Elfriede Kaun bezeichnete Gretel Bergmann später als eine sportliche Kameradin, mit der sie gut befreundet gewesen sei. Dies wurde durch Margaret Lambert-Bergmann, wie Gretel Bergmann seit ihrer Heirat heißt, bei mehreren Gelegenheiten bestätigt. Es gab einen Briefwechsel zwischen den beiden Frauen, 2004 auch noch ein persönliches Treffen.

Der Ausschuss „Frauen im Sport“ im Landessportverband Schleswig-Holstein verleiht seit einigen Jahren den „Elfriede-Kaun-Preis“ an starke Frauen-Persönlichkeiten im Sport. Maßgeblich für die Entscheidung war, dass sich Elfriede Kaun nach dem Urteil von Prof. Claus Tiedemann von der Universität Hamburg, der sich intensiv mit Elfriede Kauns Biografie beschäftigte, wohltuend von anderen Spitzensportlerin der Nazi-Zeit unterschied. Diese hätten auch in späteren Jahren ihre Rolle als sportliche Aushängeschilder der NS-Zeit nicht oder kaum reflektiert.

In einem TV-Bericht des SWF im Jahr 2000 fragte sich Elfriede Kaun, „wie man so blind sein konnte als junges Mädchen, dass man sich ausschließlich für den Sport interessieren und das Andere (die Politik) nicht wahrnehmen konnte“. „Wir hätten uns sehr wohl mehr dafür interessieren sollen. Im Nachhinein muss ich sagen, uns ist das zurecht vorgeworfen worden“, wurde sie 2005 in einem Zeitungsinterview zitiert.

Wie andere Sport-Stars der Nazizeit hatte auch Elfriede Kaun im Fokus der Öffentlichkeit gestanden – und war somit auch Teil von Propaganda-Inszenierungen. In Leni Riefenstahls erstem Olympiafilm wirkte sie mit.

Elfriede Kaun wurde am 5. Oktober 1914 im Dorf Büttel an der Niederelbe geboren. 1921 zog ihre Familie nach Kiel um. Ihre sportliche Laufbahn startete sie spät. Erst 1933, mit gut 18 Jahren, trat sie auf Anregung einer Freundin in den „Kieler Turnverein“ (KTV) ein. 1934 wurde sie Norddeutsche Meisterin im Hochsprung, Fünfte bei den Frauen-Weltspielen in London, Siegerin im Leichtathletik-Länderkampf gegen Japan mit 1,56 Meter. 1935 verbesserte sie den deutschen Rekord auf 1,60 Meter, wurde Deutsche Meisterin und gewann ihre Disziplin im Länderkampf gegen Polen.

Bei den Olympischen Spielen 1936 gewann sie mit 1,60 Meter die Bronzemedaille hinter Ibolya Csák (Ungarn) und Dorothy Odam (Großbritannien) nach langem Stechen. Dora Rathjen, erst 17-Jährig, wurde Vierte. Die dramatische Story über einen Mann in Frauenkleidern, die in Berlin ´36 erzählt wird, fußt auf dem Schicksal Dora Rahtjens. 1938 wurde „sie“ als Mann enttarnt. Elfriede Kaun erinnerte sich, dass ihr Dora immer als sehr männlich erschien, ahnte aber nicht, dass die Kameradin nicht weiblichen Geschlechts war.

Mit Elfriede Kaun starb am 5. März 2008 die letzte noch lebende deutsche Medaillengewinnerin der Spiele von 1936. Sie gewann in ihrer Laufbahn drei deutsche Meistertitel im Hochsprung (1935, 36, 37), 1934 und 1939 wurde sie jeweils deutsche Vizemeisterin. Aufgrund ihrer sportlichen Erfolge wurde sie in den 30er Jahren im Sportamt der Stadt Kiel beschäftigt. Auch wurde ihr eine Fortbildung zur Kindergärtnerin ermöglicht. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges endete ihre sportliche Karriere nach und nach.

Ab 1943 arbeitete sie in Berlin als Kindergärtnerin. Im selben Jahr heiratete sie den Grafiker Heinz Rahn. Nach dem Krieg arbeitete sie zunächst in als Kindergärtnerin , in den 50er-Jahren bei der Deutschen Olympischen Gesellschaft, in den 70ern schließlich als Gesellschafterin von Editha Marwitz von Stephani, der Witwe des Herzogs von Anhalt, in Garmisch-Partenkirchen.

 

Heiko Wischer im DOSB Sport

author: GRR

Comment
0

Leave a reply