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06
02
2007

Dabei gibt es bei der Klientel doppelt und dreifach Ärger. Die einen wollen nicht nach einem halben Jahr schon wieder eine Marathon-DM, haben ihr Training anders aufgebaut oder bereits mit Frühbucherrabatt für andere Veranstaltungen gemeldet. Und da gibt es im Mai auch die Senioren-Europameisterschaften in Regensburg, denen nun am 6. Mai ein DLV-Termin vor die Nase gesetzt wird.

Eins, zwei, drei – Mainz! – MANFRED STEFFNY in SPIRIDON über die Vergabe der Deutschen Marathonmeisterschaften durch den DLV

By GRR 0

Auf wundersame Weise ist die deutsche Marathonmeisterschaft des Jahres 2007 nach Mainz vergeben worden. Dabei war vom Deutschen Leichtathletik-Verband bereits München als Austragungsstätte für die Jahre 2006 bis 2008 erkoren – und der Gutenberg-Marathon hatte sein Teilnehmerlimit von 10.000 Startern längst erreicht.
Doch München besaß nur einen Grundvertrag mit dem DLV und einen einjährigen Vertrag mit der DLF, der Finanztochter des DLV:
Und im neuen Vertragsentwurf tauchten plötzliche andere Konditionen auf. Münchens Marathon-Chef Gernot Weigl: „Der DLV wollte seine Gelder um die Hälfte kürzen und wir sollten die gleichen Leistungen bringen.“ DLV-Generalsekretär Frank Hensel sah das anders : „Wir wollten das Risiko der Veranstaltung verteilen.“
Sei es wie es sei, der München Marathon sitzt noch heute auf 2.000 teuer eingekauften Nike-T-Shirts. Weigl unterschrieb den neuen Vertrag nicht, und der DLV dachte zu lange, München würde nur pokern und sah sich erst Ende November, als die ersten Jahreskalender für 2007 in Druck gingen, nach einem neuen Veranstalter um.

Auch die 10-km-Meisterschaft

Doch nicht alleine die Marathon-Meisterschaft war offen, auch die zwischendurch schon mal abgeschaffte 10-km-Meisterschaft hing in der Luft. In den Gremien wusste keiner Bescheid.
Das war nicht nur eine Fehlplanung sondergleichen, das war eine ganz klare Missachtung der Klientel Straßenläufer. Nunmehr putzte der DLV Klinken, fragte an, ob Münster, das eine Bewerbung für 2009 vor hatte, nicht schon 2007 einsteigen wolle. Dann wurde in Mannheim nachgefragt. Beide Marathons winkten ab.

Bei der Veranstaltergruppe German Road Races regte sich heftiger Widerstand. „Der DLV will seine Marathon-Meisterschaft verschachern“, schrieb Sprecher Horst Milde in deren Pressemitteilungen. Wenigstens der Buchstabe M ging dem DLV nicht aus, und ehe man auf N wie niemand stieß, klopfte man in Mainz an.
Auch die dortigen Organisatoren waren nicht begeistert, hatten sie doch die Hütte voll und waren von Zeitplanänderungen und dem Zwang, die DLV-Sponsoren mit ins Boot zu holen, gar nicht angetan.
Doch die mitverdienende Agentur „Wortwerkstatt“ und der Sportbürgermeister Norbert Schüler stimmten das Team um.
Allerdings saß nun der DLV am kürzeren Hebel. Die Startgelder in Höhe von je 49 ? für geschätzte 800 Meisterschafts-Teilnehmer sollen in Mainz bleiben und auch noch ein Zuschuss in Höhe von 28.000 ? gezahlt werden…

Bürgermeister schwadroniert

Bisher hatte es bei solchen Meisterschaften oft Dispute um den Schuhsponsor gegeben. In München 2006 konnte der DLV-Sponsor Nike schalten und walten, weil man dort kein Engagement mit einer Schuhfirma hatte. Das ist nun auch in Mainz gegeben, nachdem der bisherige Sponsor Reebok sich nach dem Verkauf an adidas aus dem Laufgeschäft weitgehend zurückgezogen hat.
Dies erleichtert auch in Mainz die Schnellehe mit dem DLV. Während Bürgermeister Norbert Schüler von der Mainzer Lebensart schwadroniert, die dem Gutenberg-Marathon ihren eigenen Charakter verleihe und die Läufer beflügle, sieht Frank Hensel einen anderen Pluspunkt: „Es spielt natürlich eine Rolle, dass Mainz einen Vertrag mit einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt hat.“
Und das ist bekanntlich nicht das in Mainz ansässige ZDF, sondern der Südwestrundfunk mit seiner ARD-Sendung. Die beiderseitige Freude von DLV und der Stadt Mainz bei der Unterzeichnung des Grundvertrags in der Mainzer Zitadelle ging soweit, dass man sich auch ein mehrjähriges Engagement vorstellen könne.
Dennoch kam zum Teil vehemente Kritik auf. Bürgermeister Schüler musste mehrfach versichern, dass keinerlei weitere Kosten auf die Stadt zukämen. Frank Hensel. erklärte das Termin-Chaos einfach durch den „Wildwuchs“ an Veranstaltungen, und Kollisionen mit anderen Terminen lapidar damit, es gebe halt 187 Marathonläufe in Deutschland.
Den Wechsel vom Herbst auf das Frühjahr verbrämte er mit der Aussage, nun sei es auch bei der deutschen Marathonmeisterschaft möglich, eine Qualifikationszeit für etwa die WM in Osaka zu laufen. Das war allerdings auch schon im Oktober 2006 in München möglich, denn der Qualifikationszeitraum begann bereits mit dem 1.9.2006.

Doppelt und dreifach Ärger

Dabei gibt es bei der Klientel doppelt und dreifach Ärger. Die einen wollen nicht nach einem halben Jahr schon wieder eine Marathon-DM, haben ihr Training anders aufgebaut oder bereits mit Frühbucherrabatt für andere Veranstaltungen gemeldet. Und da gibt es im Mai auch die Senioren-Europameisterschaften in Regensburg, denen nun am 6. Mai ein DLV-Termin vor die Nase gesetzt wird. Auf die Senioren-Termine nimmt der DLV auch in anderer Hinsicht keinerlei Rücksicht. So überschneiden sich die kurzfristig nach Mannheim für den 15. September vergebene deutsche 10-km-Meisterschaft und die Senioren-Weltmeisterschaft in Riccione.
Die linke Hand beim DLV weiß nicht, was die rechte tut und der DLV-Laufwart erst recht nicht.

Und da es nun einmal in diesen Sportkreisen in erster Linie um Geld geht: ein Preisgeld ist für die Ersten der Meisterschaft nicht vorgesehen. Sie müssten schon die ausländischen Eliteläufer schlagen. Und so wird auch diese Mainzer Meisterschaft so zweitklassig werden wie die vorherige in München. Abgesehen davon haben die führenden deutschen Läufer bereits feste Abmachungen mit anderen Frühjahrsläufen getroffen. Man kann schon jetzt jede Wette eingehen, dass die schnellsten deutschen Marathonzeiten am 6. Mai nicht in Mainz, sondern am gleichen Tag in Düsseldorf oder sogar in Hannover gelaufen werden.

Grosse Probleme

Aber auch der simple potentielle Meisterschaftsläufer äußert mit Recht Bedenken. Zwar verkündet Norbert Schüler, man habe in Mainz schon 13.000 Teilnehmer verkraftet und von den jetzigen 10.000 würden bestimmt 10% nicht antreten, so dass man mit den 800 vom DLV wieder bei 10.000 sei. Dabei verschweigt er natürlich, dass es 2005 große Probleme gab, als die Spitze Ende der zweiten 21-km-Runde auf die Masse der gleichzeitig gestarteten schwächeren Halbmarathonis auflief. Bei einer stärkeren Leistungsdichte im vorderen Bereich hängt dem Mainzer Organisationsteam auf den engen Straßen mit Wendepunkt in Weisenau bis zur wunderschön renovierten Rheingoldhalle ein Klotz am Bein. Vielleicht muss irgendwo am Rhein zur Entflechtung ein zweites Ziel für die 21,1-km-Läufer aufgebaut werden.

Viel Arbeit und Ärger

Ungeklärt ist auch, wie der Start abgewickelt wird. Sollen DLV-Läufer, Volksmarathonläufer und Halbmarathoner wie bisher gemeinsam starten? So heißt es bisher.
Oder muss man – wie nach der Wettkampfordnung üblich – die Meisterschaftsteilnehmer 5 min vorher starten lassen, womit sie allerdings noch früher zum Slalomlauf um die Mara-Tonnis ansetzen müssten? Andersfarbige Startnummern für die DLV-Läufer sind da noch das geringste Problem. Das bei Redaktionsschluss noch ungeklärte Meldeverfahren (direkt oder über die Landesverbände?) ist lösbar. Müssen sich aber bereits für den Gutenberg-Marathon gemeldete Vereinsläufer für die Meisterschaft ummelden und müssen sie dann draufzahlen?

Mit „Eins, zwei, drei – Mainz!“ aus dem Hut gezogen ist es nicht getan. Der an sich bewährten Organisation des Gutenberg-Marathon steht noch viel Arbeit und Ärger bevor, damit aus der Schnellehe mit dem DLV keine Sturzgeburt entspringt.

Manfred Steffny
Laufmagazin SPIRIDON 2/2007

https://www.laufmagazin-spiridon.de

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