Und auf dem Rundkurs, der von den WM-Startern beim Marathon viermal abgelaufen wird, findet ein Jedermannrennen statt. Es soll eine WM zum Mitmachen werden.
Eine WM zum Mitmachen – Die Leichtathletik will 2009 ganz Berlin bewegen, könnte die Stadt aber auch mit hohen Kosten belasten. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
BERLIN – Einmal möchte die Leichtathletik sogar den Fußball übertreffen. Sie will ihre Zuschauer bei der WM 2009 in Berlin mehr bewegen als die Fans bei der Fußball-WM 2006. Weil Public Viewing mit der Leichtathletik nicht funktioniert, plant das Organisationskomitee für 2009 ein Public Doing. In der ganzen Republik könnten Staffeln gelaufen werden, auf einer Fanmeile in Berlin während der neun Tage vom 15. bis zum 23. August 2009 sollen die Besucher nicht zuschauen, sondern rennen, werfen und springen.
Und auf dem Rundkurs, der von den WM-Startern beim Marathon viermal abgelaufen wird, findet ein Jedermannrennen statt. Es soll eine WM zum Mitmachen werden, zum ersten Mal gibt es bei einer WM ein Eröffnungsfest, und bezahlen können die Besucher mit einer Sondermünze, die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am nächsten Donnerstag vorstellen will.
Da steht viel Aufmerksamkeit an für eine Sportart, die immer mehr an Boden verliert. Was derzeit schon im Organisationskomitee passiert, findet dagegen ohne große öffentliche Anteilnahme statt. Dabei geht es um viel Steuergeld. Bis zu 20 Millionen Euro hat Berlin als Beitrag für die WM versprochen, und es würde nicht verwundern, wenn der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) dieses Angebot vollständig annehmen würde.
44 Millionen Euro kostet die WM. Bisher ist nicht absehbar, wie diese Kosten gedeckt werden sollen. Über den Kartenverkauf könnte das Organisationskomitee 15 bis 17 Millionen Euro einnehmen. Dafür müsste es aber insgesamt 500 000 Tickets verkaufen, so wäre das Olympiastadion an neun Tagen ausverkauft.
Nach Abzug von Medien- und Vip-Plätzen kommen für jeden Tag etwa 55 000 Karten in den freien Verkauf.
Mindestens ebenso schwierig wird es sein, potente Sponsoren zu finden. Fünf nationale Sponsoren sollen es werden. Bislang gibt es keinen einzigen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Interessen Berlins ganz vorne stehen und viel dafür getan wird, den Zuschuss des Senats so gering wie möglich zu halten“, sagt ein Verantwortungsträger aus der Berliner Leichtathletik.
Der Präsident des Organisationskomitees Clemens Prokop entgegnet: „Wir sind voll im Plan.“
Seine Begründung lautet: Noch weiß das Organisationskomitee gar nicht, in welchen Branchen es Sponsoren werben darf. Denn Dentsu, die Vermarktungsagentur des Internationalen Leichtathletik-Verbandes, sagt den Berlinern erst nach und nach, welche Branchen überhaupt frei sind und in welchen sie selbst Sponsoren gefunden hat. Aber hätten die Berliner nicht wenigstens ein Datum aushandeln können, anstatt auf Dentsu warten zu müssen? „Meines Wissens nicht“, sagt Prokop, der auch DLV-Präsident ist.
Die wichtigsten Personalentscheidungen haben Prokop und seine Kollegen dagegen bereits getroffen. Michael Mronz wird sich mit seiner Agentur darum kümmern, dass der finanzielle Verlust der WM so gering wie möglich ausfällt: Er kümmert sich um die Vermarktung der Eintrittskarten und um Sponsoren. Mronz hatte die Weltreiterspiele in Aachen 2006 zum Erfolg geführt, eine im Vergleich zur Leichtathletik-WM allerdings überschaubare Veranstaltung. Ausgeschrieben war eigentlich nur die Ticketvermarktung, dann wurde sein Aufgabenbereich erweitert, „mit einstimmigem Beschluss des Aufsichtsrats“, sagt Prokop.
Den Aufsichtsrat hat der DLV auf drei Personen verkleinert: Prokop, Berlins Innensenator Ehrhart Körting und Wilfrid Spronk, Geschäftsführer der Münchner Olympiapark GmbH. „So ist effizienteres Arbeiten möglich“, sagt Prokop. Gleichzeitig hat er aber auch den Einfluss eines unbequemen Mannes beschnitten. Gerhard Janetzky, Geschäftsführer des Istaf, wundert sich über den „nicht besonders eleganten Stil“ seiner Abberufung, von der er erst spät erfahren habe.
Janetzky hatte die Entscheidung, DLV-Generalsekretär Frank Hensel auch die Geschäftsführung des Organisationskomitees zu übertragen, kritisiert und zudem gefragt, ob Diskus- und Hammerwerfen noch zeitgemäß seien. Wenige Tage zuvor war die Nationalmannschaft aus Osaka mit einer Diskus- und einer Hammerwurfweltmeisterin zurückgekommen.
Janetzky veranstaltet das Istaf gemeinsam mit Werner Gegenbauer. Sie hatten das Meeting vor dem Ende bewahrt und dabei schon im Hinterkopf, dass es eine erfolgreiche WM-Bewerbung nur mit dem Istaf geben könne. Nachdem Berlin vor allem dank Gegenbauer den Zuschlag bekommen hatte, zog der sich jedoch zurück, weil er zu wenig Bereitschaft zu Gemeinschaftsarbeit sah. Eine offizielle Aufgabe will er nicht mehr übernehmen.
Nicht alle Mitmachangebote dieser WM werden auch angenommen.
Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Freitag, dem 02.November2007)