Waldemar Cierpinski - als Karikatur - Foto: Privatarchiv Klaus Weidt
Eine Lauflegende wird am 3. August 75 und – fährt auf dem Rad weg. Marathon-Olympiasieger Waldemar Cierpinski ist immer noch viel in Bewegung. Klaus Weidt berichtet.
Wenn es auch schon lange her ist, dass Waldemar Cierpinski zwei Olympiasiege im Marathon feierte, so bleiben sie doch unvergesslich: vor 49 Jahren in Montreal, vor 45 Jahren in Moskau.
„Wäre nicht der Olympiaboykott 1984 gewesen“, so „Waldi“ im Nachhinein, „wäre durchaus eine dritte Goldmedaille in Los Angeles möglich gewesen.“ Dann hätte er den Äthiopier Abebe Bikila, der eine seiner zwei olympischen Marathonsiege sogar barfuß errang, noch übertroffen.
Der war einst Cierpinskis Idol: „Ich wollte wie Abebe sein.“ Und er erzählt, wie es zu diesem Ausspruch kam: „Ein Zufall. Ein Freund lud mich ein, das war 1960. Dessen Eltern hatten den einzigen Fernseher in unserem kleinen Dorf. Und auf dem Bildschirm lief ein schwarzer Afrikaner barfuß über das Kopfsteinpflaster von Rom und gewann den Marathon.“ Der damals Zehnjährige war fasziniert und rief begeistert: „So würde ich auch gern einmal sein.“
Sofort fing er an zu laufen. Er ignorierte den Linienbus zur Schule nach Nienburg in der Hallenser Gegend und rannte ab sofort die 3 Kilometer „Ich unternahm so eine Art Wettkampf mit dem Bus, der mal kam und mal nicht, und sparte dabei 30 Pfennige.“ Es war für ihn damals das Normalste der Welt: früh um fünf Uhr aufstehen, auf dem Bauernhof helfen, und dann ab mit dem Ranzen zur Schule.
Waldemar Cierpinski am Schreibtisch (lks.) mit Klaus Weidt – Foto: Christel Schemel
Später, als er sich bei den Leichtathleten anmeldete, wollte man ihn, das neue Talent, zum Hindernisläufer ausbilden. Für Olympia, beim SC Chemie Halle. Als ihm dann zehn Sekunden für eine Olympianominierung fehlten, war er maßlos enttäuscht und dachte ans Aufhören. Da aber fiel ihm wieder Abebe ein und – er rannte weiter. Bei seinem ersten Marathon in Kosice kam er überraschend als Dritter durchs Ziel. „Nun wollte ich wirklich wie Abebe bei Olympia starten.“ Und er sagte sich: „Wenn die Weltklasse dreimal am Tag trainiert, muss ich das viermal.“ Dann schaffte er vor Montreal die Olympianorm mit 2:12 h.
Nach zehn Marathon-Jahren beendete er, wieder in Kosice, seine Marathon-Laufbahn und an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig seine Diplomarbeit mit „eins“. Er lief, wie er berechnete, an Kilometern sechsmal um die ganze Welt. Immer wieder betonte er dabei die Unterstützung seiner Frau Maritta, die einst, 1972, unter dem Mädchennamen „Pohlitz“, Olympiateilnehmerin über 800 m war.
Die politische Wende haute ihn nicht um. Noch im November 1989 eröffnete er kühn den ersten Laufsportladen in Halle auf 60 Quadratmetern. Der wurde bald größer und größer, und ist heute in der Hallenser City mit Maritta, seinen Söhnen und vielen Festangestellten ein Sport-Magnet in der Großstadt an der Saale.
Für das Laufen engagierte er sich weiter. Er wollte es nicht nur bei einem Hallenser Stadtlauf belassen, sondern mehr für die Region tun. „Viele sagten damals: Da haben wir einen Doppel-Olympiasieger, aber noch keinen Marathon.“ Cierpinski blätterte in der sportlichen Landes-Geschichte und fand heraus, dass es 1925 einen Lauf von Halle nach Leipzig gab. Den rannte er heimlich ab und war begeistert. Wie wär’s von Händel zu Bach? Und so entstand der Mitteldeutsche Marathon, eine der schönsten Laufstrecken an der Saale. Mit zehn Angeboten – von Kinderläufen bis zu den 42,195 km.
Diese Tafel mit den wichtigsten Siegen steht am Eingang des Cierpinski-Sportgeschäfts in Halle – Foto: Privatarchiv Klaus Weidt
Waldemar Cierpinski engagierte sich vielfältig. Auch von einem Himmelswegelauf sprach man bald. Und von einem Läuferwochenende, dass er gemeinsam mit dem Journal „Laufzeit“ und dem Veranstalter „Reisezeit“ 1997 in der Sportschule Kienbaum aus der Taufe hob. Mit alljährlichem Erfolg. In diesem Jahr fand schon das 28. Seminar statt, und erstmals in seinem Sportkaufhaus. Auch ließ er es sich bei diesem Besuch der Läufer und Walker nicht nehmen, mit ihnen die in Halle entstandene „Straße der Hallenser Olympiasieger“ abzulaufen.
Immer wieder taucht da die Frage auf: Läuft der Waldemar noch?
Natürlich ist er weiterhin in Bewegung. An Läufen beteiligt er sich nur hin und wieder, er rennt heute lieber, so gut wie jede Woche ein bis zweimal, dem Fußball hinterher. Und pflegt seit Jahren ein weiteres Hobby: Er wandert mit dem Rad lange Strecken. Und durch viele deutsche Gegenden.
So auch in diesem Jahr. Wer ihm zu seinem 75. Geburtstag am 3. August in Halle gratulieren möchte, wird ihn nicht antreffen. Nachdem er mit Freunden schon kürzlich eine Tour zum Werbellinsee unternahm, startet er nun noch eine Geburtstagfahrt in die Tschechei. Aus Karlsbad wird er grüßen.
„Natürlich feiere ich mit Maritta und meinem Sohn Andre nach“, ergänzt er und fügt hinzu: „Da sind wir drei dann genau 200!“
Es ist schon weiterhin ein bewegtes Leben, das des Waldemar Cierpinski. Gratulationen wird der 75jährige von nah und fern erhalten.
Natürlich auch an dieser Stelle Glückwünsche von German Road Races zum Geburtstags-Jubiläum!
Klaus Weidt
EN

