Nachts verbirgt Berlin seine Makel. Man sieht den Dreck nicht mehr und die Vögel verursachen den den einzig hörbaren "Lärm"
Eine „Gute Nacht“-Geschichte – Das Nacht-Lauf-Training in Berlin mit/von John Kunkeler
Im folgenden publizieren wir einen Beitrag aus der Lauf-Fachzeitschrift SPIRIDON – vom Juni 2006 – über John Kunkelers Nacht-Lauf-Training, eingeführt im Herbst des Vorjahres:
Läufer führen ein Doppelleben. Sie laufen und sie machen noch was anderes.
Das Laufen wird ins alltägliche Leben verwoben. Je nach Zweitleben gestaltet sich das eigentliche Läuferleben. So ist zu erklären, dass man in Berlin seit Oktober 2005 mit Gleichgesinnten auch nachts laufen kann, denn irgendwann möchten die Läufer, deren Zweitexistenz Nachteule ist, ja auch mal laufen.
Ist man dann noch Jazzliebhaber, fühlt man sich endlich nicht mehr alleine in dieser großen Laufwelt, denn der Doppellebenführer John Kunkeler (Jazz und Laufen) hat diese wunderbare Sache ins Leben gerufen und man kann sich vorher oder hinterher in seinem Jazzclub „Schlot“ einstimmen auf die Nacht oder eben den Abend ausklingen lassen, je nachdem wie weit das Nachteulenleben kultiviert wird.
Nachtaktive
Gehört man aber nicht zu den Nachtaktiven, sondern zu der Gattung die immer wieder neue Erfahrungen und Sinneseindrücke sammelt, so sollte man sich dieser außergewöhnlichen Laufzeit ebenso hingeben. Eine Metropole bei Nacht offenbart ihre ganz eigenen und besonderen Seiten. Die Stadt, die vorher die Geschäftigkeit und Hektik der Menschen erduldet hat, kann nun endlich aufatmen.
Es enthüllen sich einem die Oasen der Ruhe. Ein einzelnes Auto wird zur Nachtmusik, durchmischt mit gesprächigen Vögeln. In einer Stadt wie Berlin gibt es nämlich Vögel, die anscheinend tagsüber schlafen und in der Dunkelheit erst anfangen zu leben.
Gemeint sind aber nicht Eulen, die tschirpen nicht ohrenbetäubend, sondern die sogenannten „Berliner nachtigellenden Vögel“; oder so. Die Bäume im Frühling entfalten nachts besonders ihren Duft, als würde der Lärm des Tages sie davon abhalten, ihren Wohlgeruch zu verströmen und selbst unsere Regierung hat aufgehört zu regieren.
Das hübsch beleuchtete Regierungsviertel bekommt seine wohlverdiente Pause und genießt dieses Stillschweigen nach all den Debattierereien. Irgendwo durchbricht Lachen aus einem Zirkuszelt die Stille. Das Laufen wird jetzt erst recht zu einem Kopfyoga da in dieser fast schlafenden Stadt die Gedanken frei fließen können und nicht abprallen an zuviel Sinnesmüll.
Macht man gerade Urlaub von seinem Zweitleben und ist als Tourist in Berlin:
Stadtführung
Eine bessere Stadtführung kann man nicht bekommen. Die ausgewählte Strecke führt entlang Berliner Unbedingtsehenswürdigkeiten und wenn man das Glück hat und die Berliner bleiben fern, weil sie zuviel 1. Mai gefeiert haben, revolutionär oder paddelnd auf dem Wann- oder Müggelsee, dann bekommt man von John Kunkeler exklusive Informationen sowohl über Berlin, als auch Neuigkeiten rund ums Laufen.
So erfährt man wo die Marathonstrecke für die WM 2009 voraussichtlich langführen wird. Wer es wissen will dem sei geraten: Lauft doch selber mit beim Nacht-Lauf-Training. Ich fand die Tour mit John wunderbar.
Und noch ein Wort zu allen Berlinverächtern, Nachts verbirgt Berlin seine Makel. Man sieht den Dreck nicht mehr und die Vögel verursachen den einzig hörbaren „Lärm“.
Dagmar Wienke
Quelle: SPIRIDON – die Lauffachzeitschrift – vom Juni 2006
Info:
Das Nacht-Lauf-Training findet jeden Dienstag statt – Treffen pünktlich um 22.30 Uhr auf/vor den Edison-Höfen vor dem Jazzclub „Kunstfabrik-Schlot“ (grosser Parkplatz) in der Invalidenstrasse 117 in Berlin-Mitte, U-Bahnhof Zinnowitzerstr. mit der U6.
Wenn es um 22:00 Uhr regnet fällt der Lauf aus.
Siehe auch: www.scc-events.com/news/news004057.html