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25
08
2009

73 Jahre später reisen nun die Nachfahren der Sportler nach Berlin. Im Andenken an die Freundschaft der Athleten und das faire Verhalten von Long werden sie am Sonnabend das Weitsprungfinale der Männer im Olympiastadion verfolgen und den Siegern die Medaillen verleihen

Eine ganz besondere Freundschaft – Eva Dorothée Schmid in der Berliner Zeitung – Jesse Owens und Luz Long lernten sich 1936 im Stadion kennen – jetzt treffen sich die Nachkommen

By GRR 0

Als Marlene Dortch, Rechtsanwältin in Maryland, ihrer Nachbarin in Fort Washington erzählte, dass sie mit ihrem Mann nach Berlin fliegen wird, musste sie verraten warum: Die 45-Jährige ist die Enkelin von Jesse Owens, dem ersten afroamerikanischen Athleten, der bei Olympischen Spielen vier Goldmedaillen gewann.

1936 war das, im Berliner Olympiastadion. Die Nachbarin sei völlig aus dem Häuschen gewesen, als sie das erfuhr, erzählt Dortch. Am späten Donnerstagabend wird Dortch anlässlich der Leichtathletik-WM in Berlin eintreffen. Auch der Sohn des deutschen Weitspringers Carl Ludwig Long, genannt "Luz", wird anreisen, denn die beiden Familien verbindet eine ganz besondere Geschichte.

Anfang der 40er-Jahre fand Jesse Owens in seiner Post einen Brief. Er wurde von der nordafrikanischen Kriegsfront von Luz Long abgeschickt und war mehr als ein Jahr lang unterwegs. Long schreibt darin seinem "lieben Freund Jesse", dass sein Herz ihm sage, dass das vielleicht der letzte Brief ist, den er je schreiben werde. "Wenn es so ist, bitte ich Dich um eines: Geh nach Deutschland, wenn der Krieg vorbei ist, suche meinen Sohn Kai und erzähle ihm von seinem Vater. Erzähle ihm aus den Zeiten, als uns der Krieg nicht getrennt hat und sage ihm, dass die Dinge auch anders sein können zwischen den Menschen dieser Erde."

Kurz darauf kam Long im Krieg ums Leben. Owens hatte er bei den Olympischen Spielen in Berlin kennengelernt. Der Sohn eines Baumwollpflückers aus Alabama hatte Gold über 100 und 200 Meter sowie mit der 4 x 100-Meter-Staffel der USA geholt und er trat im Weitsprung an. Zwei ungültige Versuche hatte er in der Wettkampfqualifikation bereits hinter sich. Für den dritten soll ihm Long für den Anlauf Tipps gegeben haben, worauf Owens die Mindestweite übertraf und sich fürs Finale qualifizierte. Das gewann er dann, Luz Long wurde Zweiter – und war der Erste, der Owens gratulierte.

"Es brauchte viel Mut von ihm, um sich vor den Augen Hitlers mit mir anzufreunden", sagte Owens später. "Man könnte alle Medaillen und Pokale, die ich habe, einschmelzen, aber sie könnten die 24-Karat-Freundschaft, die ich in diesem Moment für Luz Long empfand, kein bisschen goldener machen."

73 Jahre später reisen nun die Nachfahren der Sportler nach Berlin. Im Andenken an die Freundschaft der Athleten und das faire Verhalten von Long werden sie am Sonnabend das Weitsprungfinale der Männer im Olympiastadion verfolgen und den Siegern die Medaillen verleihen. Am Sonntag um 15 Uhr sollen der über 70-jährige Kai Long und Marlene Dortch dann im Kulturstadion am Pariser Platz zu einer Talkrunde kommen.

Am Freitag werden sie im Sportmuseum erwartet, wo gerade eine Ausstellung über Jesse Owens und seine Beziehung zu Berlin gezeigt wird. 1951, 1964 und 1978 war er noch mal in Berlin. Familie Long hat dem Museum ein bisher noch nicht veröffentlichtes Foto zur Verfügung gestellt, das Jesse Owens und Kai Long im Jahr 1951 zeigt. Owens ist der Bitte seines Freundes nachgekommen: Damals traf er dessen Sohn Kai in Hamburg und erzählte ihm von seinem Vater. Kai Long schrieb Jesse Owens bis zu dessen Tod im Jahr 1980 Briefe.

Owens widmete Luz Long seine Memoiren. Marlene Dortch ist die Tochter von Gloria, der ältesten seiner drei Töchter. Sie erzählt, ihre Schwester Gina Hemphill sei vor einigen Jahren in Berlin gewesen und habe dort Longs Nichte und Enkelin getroffen, mit denen sie noch E-Mail-Kontakt habe. "Die Deutschen waren immer so herzlich und gastfreundlich zu meiner Familie, ich werde sicher eine großartige Zeit haben", sagt Dortch.

Ihre Schwester habe sich hier fast wie ein Rockstar gefühlt, weil die Leute so begeistert gewesen seien, sie zu sehen. "In Deutschland kennt jeder meinen Großvater", sagt die Anwältin. Sie sei noch nie in Berlin gewesen und habe noch keine Gelegenheit gehabt, jemanden aus Longs Familie zu treffen.

Es sei spannend, die besondere Beziehung zwischen ihrem Großvater und Luz Long nun fortzusetzen.

Jesse Owens – eine Sportlegende: Fotoausstellung im Haus des deutschen Sports im Olympiapark, Eingang Hans-Braun-Straße. Eintritt 1 Euro. Mo-Fr 10-14 Uhr, bis 31. Januar.

 Eva Dorothée Schmid,  Berliner Zeitung, Mittwoch, dem 19. August 2009

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