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30
08
2022

Der 83-jährige Klaus Gottert, der Mann für die langen Strecken, war Marathonläufer und Marathontrainer. Foto: Jürgen Scheere

Ein Schluck, ein Bissen und weiter – Interview der Woche: Klaus Gottert erzählt in seinem Buch aus acht Jahrzehnten Läuferleben. Von Dr. Hans-Georg Kremer

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Von den Anfängen als bestes Sportkollektiv Geras 1963, einem Tipp von Emil Zatopek und 17 Jahren Marathontrainer beim SC Motor Jena

Klaus Gottert hat sein Läuferleben zu einem Buch gemacht

„Ein Schluck, ein Bissen und weiter“ lautet der Titel Ihres Buches. Waren Sie auf der Flucht?

(Lacht!) Vielleicht vor mir selbst. Nein. Der Titel beschreibt das, was Marathonläufer erleben, wenn sie an der Verpflegungsstelle vorbeikommen. Ein Schluck, ein Bissen und schon geht es weiter.

Sie haben sich Zeit Ihres Lebens dem Laufen verschrieben. Wissen Sie, wie viele Marathon es waren?

Es waren dreißig. Ich bin mit Hans-Georg Kremer den Ur-Rennsteiglauf 1974 gelaufen, habe den Klassiker von Marathon nach Athen nacherlebt, bin in München, Leipzig, Berlin, Frankfurt und New York gestartet. Einen Marathon zu laufen, das ist auch heute noch ein Statement. In den 60er und 70er Jahren war der Marathon noch etwas Besonderes, wir drei Brüder sind zwischen 2:20 und 2:25 Stunden unterwegs gewesen. Die Entwicklung ging freilich rasant weiter und heute laufen viele die 42,195 Kilometer.

Oder es darf ein wenig mehr sein?

Auch ich wollte auf dem Rennsteig nach dem 75er meinen ersten 100-km-Lauf bewältigen, die Nachmessungen haben ergeben, dass wir nur 82 Kilometer gelaufen sind.

Woher kommt dieser Drang, zu laufen, sich auszutesten, an die Grenzen zu gehen?

In Ihrer Frage steckt schon einiges drin. Laufen ist eine natürliche Art der Fortbewegung. Ich hatte immer den Drang mich zu bewegen.

Die Gottert-Brüder, Klaus, Steffen und Frank sind in Läuferkreisen ein Begriff.

Ja, auf nationaler Ebene und in der damaligen Zeit schon. Als Sie in meine Vitrine geschaut haben, da haben Sie ja schon die Urkunde aus Geraer Tagen gesehen. Bestes Sportkollektiv Geras 1963 im Stundenlauf, jeder von uns ist 19.150 Meter gelaufen. Ich glaube nicht, dass es damals drei Brüder gab, die schneller waren als wir.

Bestes Sportkollektiv – Die Gebrüder Gottert – Foto: Jürgen Scheere und Andreas Rabel

Dieser Stundenlauf hat die Gottert-Brüder bekannt gemacht. Es ergab sich die Möglichkeit, als Leistungssportler zum ASK Vorwärts Potsdam zu gehen. Hans Grodotzki war der Vorläufer jener Jahre.

Die Zeit in Potsdam möchte ich nicht missen. Wir hatten sehr gute Trainingsbedingungen. Als ich in Top-Verfassung war, da habe ich mir einen Muskelabriss am Sitzbeinhöcker zugezogen.

Aua!

Sehr schmerzhaft und langwierig. Bald vier Jahre habe ich laboriert und merke es heute noch. Als dann einmal die tschechische Läuferlegende Emil Zatopek den Sportklub besuchte, sah er, was mit mir los war und nahm mich zur Seite und riet mir: Versuch es mal mit Gehen.

Und ging das?

Es ging. So leidlich. Aber ich hatte meine zweite Sportart für viele Jahre gefunden, halte seit acht Jahren die deutschen Altersklassen-Rekorde von fünf bis zwanzig Kilometer und über 3000 Meter in der Halle.

An Leistungssport war aber in Potsdam in den 60er Jahren nach der Verletzung nicht mehr zu denken, oder?

Nein, ein relativ frühes Ende. Dritter bei den DDR-Marathonmeisterschaften bin ich geworden, meine Brüder waren schneller. Steffen war Deutscher Marathonmeister 1969. Ich habe meine Ausbildung zum Diplom-Sportlehrer an der DHfK Leipzig abgeschlossen und bin als Trainer an die Sportschule nach Bad Blankenburg und später zum SC Motor Jena gegangen.

War es ein Vorteil, dass Sie aus dem Leistungssport kamen?

Ich denke schon. Natürlich gibt es Trainer, die ihr Fach verstehen und keine Top-Sportler waren. Aber als ehemaliger Sportler hast du einen Stallgeruch, die Sportler wissen, dass der Trainer weiß, wie es ihnen geht, wie weh es manch mal tut, dass ein Laufpensum von 300 bis 400 Kilometern sein muss, um sich die Möglichkeit zu erarbeiten, in die Weltspitze vorzudringen.

Ein Schluck, ein Bissen und weiter – Das Buch der Gebrüder Gottert – Foto: Jürgen Scheere und Andreas Rabel

Hans-Joachim Truppel war Marathon-Elfter bei den Olympischen Spielen in Moskau, er war nur einer aus ihrer Läuferschar. Die DDR-Meisterinnen Uta Möckel, Andrea Fleischer und Birgit Weinhold betreuten Sie ebenso. Mit Birgit Weinhold erlebten Sie sogar das Ende der DDR auf besondere Weise.

Für Birgit ging es beim Osaka-Marathon im Januar 1990 um die Norm für die EM in Split. Doch als wir in Japan ankamen, gab es nur ein Thema: Die Verhaftung von Erich Honecker. Ich habe dann Interviews für die japanischen Zeitungen gegeben, die finden sich auch im Buch wieder. Birgit hat die EM-Norm geschafft, aber als wir wieder in Jena waren, hatte die gelaufene Zeit keinen Wert mehr. Uns war klar, da geht etwas zu Ende.

Und Sie wurden als Trainer entlassen.

Wie alle Trainer des SC Motor Jena. Peter Hein, der frühe Trainer von Heike Drechsler, war der erste, wir anderen waren paar Tage später an der Reihe.

Und dann?

Musste ich mich umschauen. Ich war 51, hatte eine junge Familie zu versorgen. Zunächst ging es in der Geschäftsstelle des Modernen Fünfkampfes unter der umsichtigen Leitung von Manfred Stehr weiter und dann habe ich gemeinsam mit Peter Hein einen Großhandel für Sanitär und Heizung aufgezogen. Aus dem Sport war ich raus, hab‘ mir die Freude am Laufen und Gehen nicht nehmen lassen, bin über Jahre in moderater Form unterwegs, mit 83 als Genusswanderer.

Dr. Hans-Georg Kremer in der Thüringische Landeszeitung vom 24. August 2022

Dr. Hans-Georg Kremer
Ziegenhainer Str. 77
07749 Jena
Tel.: 03641-363094
WSV ProSeniores e.V.
Vorsitzender
Vereinskonto bei der Flessabank
IBAN: DE97 7933 0111 0002 3408 12

 

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