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13
05
2010

Den „offiziellen“ Grundstein für den Marathon legte ein gebürtiger Landauer: Michel Bréal

Ein Mythos als Geburtstagskind – Jochen Dick – 2.500 Jahre Marathon: LSB und DLV veranstalten Festakt in Mainz

By GRR 0

Ein Mythos feierte Geburtstag, und rund 200 Gäste kamen zum stimmungsvollen Festakt „2.500 Jahre Marathon“ in Mainz. Der Landessportbund Rheinland-Pfalz hatte im Rahmen seines 60-Jahre-Jubiläums zusammen mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und der Stadt Mainz in die ehemalige Lampenfabrik geladen.

Es sind die vielen Geschichten und Anekdoten, die einen Mythos – im Falle des Marathons über Jahrtausende hinweg – am Leben erhalten. 1904 etwa ließ sich in St. Louis der Läufer Fred Lorz nach einem Wadenkrampf bei Kilometer 15 von einem PKW mitnehmen, stieg später wieder ins Rennen und siegte. Er gestand jedoch postwendend seinen Betrug.

1908 in London wurde der völlig entkräftete Italiener Dorado Pietri von Kampfrichtern über die Ziellinie geschoben, später jedoch disqualifiziert, aber mit einem Goldpokal als „Sieger der Herzen“ ausgezeichnet. 1966 wartete Roberta Gibb den Startschuss zum Boston-Marathon im Gebüsch ab, stieß schließlich als Mann verkleidet auf die Strecke und erreichte das Ziel nach 3:21:40 Stunden. Erst in den 70er-Jahren waren bei den großen Marathon-Läufen offiziell auch Frauen zugelassen.
 
Geschichten wie diese schreiben Geschichte. Und die des Marathons ist auf 32 Tafeln festgehalten, in der Ausstellung „2.500 Jahre Marathon“, des Sportmuseums Berlin – AIMS Marathon Museum of Running –  die an diesem Abend eröffnet wurde. „Würde ich mir anmaßen, die Geschichte des Marathonlaufs nur in groben Zügen erzählen zu wollen, Sie müssten sich auf viele Stunden einstellen“, sagte der Mainzer Sporthistoriker Prof. Norbert Müller, dessen Festvortrag die Gäste bestens unterhielt und informierte. Unter ihnen war auch die griechische Generalkonsulin Stavroula Frangoyanni Matthieu. Müller benötigte für seine Zeitreise nur handgestoppte 25 Minuten und stellte die Faszination Marathon dar:

Angefangen von der antiken Legende, wonach 490 v. Chr. der griechische Bote Pheidippides von Athen in zwei Tagen nach Sparta gelaufen war, um Hilfe im Krieg gegen die Perser zu suchen. Daraus wurde 500 Jahre später eine Legende, der zufolge ein Läufer sich nach dem Sieg der Athener in der Schlacht von Marathon auf den knapp 40 Kilometer langen Weg nach Athen gemacht habe und dort nach der Verkündung seiner Botschaft „Freut Euch, wir haben gesiegt“ tot zusammengebrochen sei. „Unser Tagläufer hat jedenfalls eine unglaubliche Erfolgsgeschichte eingeleitet“, resümierte DLV-Ehrenpräsident Theo Rous in seinem Grußwort. „Der Marathon ist eines der faszinierendsten Phänomene des Sports.“

Den „offiziellen“ Grundstein für den Marathon legte ein gebürtiger Landauer: Michel Bréal
schlug 1894 dem jungen Olympia-Gründer Pierre de Coubertin vor, einen rund 40 Kilometer langen Lauf von Marathon nach Pnyx ins olympische Programm aufzunehmen. Dies geschah tatsächlich 1896, der erste Olympiasieger war der griechische Schafhirte und spätere Nationalheld Spiridon Louis. „Der Marathonlauf ist bis heute die einzige olympische Disziplin, die exklusiv für die Spiele geschaffen wurde“, erklärte Festredner Müller.

Aus dieser Idee entwickelte sich bis in die Neuzeit eine Weltbewegung. „Millionen völlig unbekannte Läuferinnen und Läufer haben sich der ,Droge Marathon’ verschrieben“, so Müller. Und der Leistungssport brachte laufende Legenden hervor: Den Finnen Paavo Nurmi, der in verschiedenen Disziplinen insgesamt neun Mal olympisches Gold holte. Nur nicht im Marathon, denn 1932 in Los Angeles wurde er wegen angeblich überhöhter Spesenabrechnungen disqualifiziert.
 
Was Nurmi nicht gelang, schaffte der tschechische Wunderläufer Emil Zatopek, der bei Olympia 1952 in Helsinki Gold im Marathon gewann. Oder der barfuß laufende Äthiopier Bikila Abebe, der 1960, bei der ersten Live-Übertragung eines Marathons, in Rom olympisches Gold holte. 1964 in Tokio wiederholte er seinen Triumph, dieses Mal in Schuhen. Zwei Olympiasiege in Folge gelangen neben Abebe nur noch dem Deutschen Waldemar Cierpinski: Der heute 59-Jährige gewann 1976 in Montreal und 1980 in Moskau.

Viele weitere Deutsche schrieben und schreiben an der Erfolgsgeschichte Marathon aktiv mit. Diese Athletinnen und Athleten zeichnete der DLV beim Festakt in Mainz mit der eigens entworfenen Medaille „2.500 Jahre Marathon“ aus. Sie alle berichteten im Gespräch mit Moderator Christian Döring von ihren persönlichen Lauf-Erlebnissen und Anekdoten.

So erzählte Stephan Freigang, der 1992 in Barcelona die olympische Bronzemedaille gewann, vom Training auf dem Laufband in der Sauna, um sich auf Wettkämpfe in der Hitze vorzubereiten. Der zweifache Olympiateilnehmer Manfred Steffny erklärte, dass sein Hund, den er früher bei Trainingsläufen mitnahm, nur auf den ersten 300 Metern schneller war als er.
 
Deutsche Marathongrößen erhielten die Medaille 2.500 Jahre Marathon.

Und Liane Winter, die 1975 als erste Ausländerin überhaupt den Boston-Marathon gewann, schwärmte von der Atmosphäre an der Laufstrecke. „500.000 Menschen am Straßenrand – das ist der Lauf überhaupt.“ DLV-Ehrenpräsident Theo Rous lobte alle geehrten Marathongrößen: „Ihre großartigen Leistungen verdienen unsere Bewunderung.“

Und tragen dazu bei, dass der Mythos Marathon weiterlebt.

Jochen Dick

author: GRR

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