Wir müssen aus der Situation raus, die Meisterschaft Jahr für Jahr irgendwo unterzubringen zu versuchen", sagt Prokop und kündigt eine grundsätzliche Strategie an. Die ist dringend notwendig
Egal ob München oder Mainz: Die Elite läuft nicht zum Nulltarif – Deutsche Marathon-Meisterschaft nur für Hobbyläufer – Michael Reinsch in der FAZ
Deutsche Meisterschaft? In Mainz?
Der Titelverteidiger weiß von nichts und lässt sich auch nicht locken. „Ich dachte, die Meisterschaft sei für drei Jahre nach München vergeben“, sagt der Marathonläufer Matthias Körner, der dort vor einem Vierteljahr Meister wurde. Den Titel dürfte er schon in vier Monaten los sein, denn der kurzfristigen Verlegung in Zeit und Raum – vom Herbst auf den 6. Mai und von der Isar an den Rhein – will er nicht folgen.
„Ich plane für diesen Termin, meinen Sieg beim Rennsteig-Marathon in Thüringen zu wiederholen“, sagt Körner. „Spontan bringt mich die Aussicht auf den Titel nicht ins Wanken.“
Zweite und dritte Garde?
So weit ist es schon, werden diejenigen sagen, die im Oktober die Schlagzeilen über die deutsche Meisterschaft innerhalb des München-Marathons formulierten. Dass lediglich die zweite und dritte Garde um den Titel gekämpft habe, klagten sie, und nun will nicht einmal mehr deren Schnellster um die Meisterschaft
rennen! 2:21:54 Stunden brauchte Körner für die 42.195 Meter.
Dass die Zeit für den Titel reicht, ist Glück“, sagt er, „aber man muss deshalb doch nicht sagen, dass nur die zweite und dritte Garde da war.“ Mit der Zeit von München hat Körner es auf Platz sechs der deutschen Jahresbestenliste gebracht, was für einen hauptberuflich als Chemiker tätigen Achtunddreißigjährigen beachtlich ist.
Vor 13 Jahren lief er schon mal 2:17,39.
Weder gab es in München Prämien und Antrittsgeld, noch wird es sie in Mainz geben. Wenn nichts außer dem Titel aber schon zu wenig ist für jemanden, der Laufen als sein Hobby bezeichnet, was ist es dann für Profis? „Wir haben nicht die Möglichkeit, Marathon zum Nulltarif zu laufen“, sagt Carsten Eich, der 1999 2:10:22 Stunden lief.
„Meistertitel interessieren mich schon, aber es muss passen.“
Eich wird am Tag der Meisterschaft in Düsseldorf starten; nicht nur, weil sein Verein Rhein-Marathon Düsseldorf heißt und er seinen Lebensunterhalt mit dem Laufen verdient, besser: mit höchstens zwei Marathonläufen im Jahr.
WM in Osaka
Mit dem ersten will an er jenem 5. Mai versuchen, sich für den zweiten zu qualifizieren: den der Weltmeisterschaft in Osaka. Das ist, wenn man auf den breiten Straßen des Düsseldorf-Marathons mit Tempomachern vorneweg läuft, wesentlich leichter, als wenn man in den engen Gassen von Mainz zwei Runden laufen muss und nach spätestens anderthalb Stunden mit der stabilen Nachhut des gleichzeitig stattfindenden Halbmarathons um den Platz in der Innenkurve kämpft.
Im Mai 2005, als in Mainz noch 13 000 Läufer statt 10 000 starten durften, blieb das Führungsfahrzeug in den Menschenmassen stecken; der polnische Sieger Marek Dryja beklagte, er habe im Getümmel eine halbe Minute verloren.
Eich hat für die Meisterschaft in der Marathon-Provinz nichts übrig. „Die letzten Titel können sie auch mit der Post verschicken“, lästert er. „Fast noch schlimmer ist, was mit den anderen Straßenmeisterschaften passiert: Die im Halbmarathon findet während der WM in Osaka statt, die über 10 000 Meter zwei Wochen danach, wenn für alle WM-Teilnehmer die Regeneration beginnt. Der Verband schließt die deutsche Spitze von allen deutschen Straßenmeisterschaften aus.“
Prokop: Vertrackte Situation
Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Clemens Prokop, konzediert eine „vertrackte Situation“. Die im Marathon ist die einzige deutsche Meisterschaft, die der Verband nicht selbst organisiert, sondern mit der er woanders andockt. Dennoch muss er die Interessen seiner Sponsoren, insbesondere des Hauptsponsors Nike, umsetzen; vertreten werden sie von der Vermarktungsgesellschaft DLP.
So kommt es, dass Gernot Weigl, der Veranstalter des München-Marathon, auf einen „ideellen Vertrag“ mit dem DLV verweist, in dem ihm die deutsche Meisterschaft auch für 2007 und 2008 zugesagt wird, gleichzeitig aber berichtet, dass ihm die Vermarktungsgesellschaft DLP die Titelkämpfe abgenommen habe, als er nicht akzeptieren wollte, dass diese ihre Leistungen im Vergleich zu 2006 halbiert. So kurzfristig verlegte der Verband die Meisterschaft, dass sie am Dienstag, als der Mainz-Marathon sie mit einer Pressekonferenz willkommen hieß, im Terminkalender des Verbandes im Internet noch nicht notiert war.
Die deutsche Meisterschaft ist zur Belanglosigkeit degradiert
„Wir müssen aus der Situation raus, die Meisterschaft Jahr für Jahr irgendwo unterzubringen zu versuchen“, sagt Prokop und kündigt eine grundsätzliche Strategie an. Die ist dringend notwendig. Denn die Verbindung des DLV mit Sponsor Nike einerseits und die der großen Läufe mit ihren Sponsoren andererseits verhindert eine Kooperation.
„Die deutsche Meisterschaft ist zur Belanglosigkeit degradiert“, schimpft Jan Winschermann vom Düsseldorf-Marathon.
„Ich würde sie abschaffen.“
MICHAEL REINSCH
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Mittwoch, dem 10. Januar 2007
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