Das Geld ist der Reiz der Golden League und zugleich ihr Fluch. Die stattliche Gewinnsumme, der goldene Tand um die Tartanbahn, die große Jackpot-Inszenierung haben die Serie in die Nähe einer Zirkusveranstaltung gerückt.
Duelle statt Rekorde – Die Golden League beginnt in Oslo – aber die Veranstalter scheinen nicht mehr Leistung um jeden Preis zu wollen. – Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung (SZ)
Die Vorstellung beginnt mit einem Kompliment ans Publikum. Es kommt von dem Jamaikaner Asafa Powell, dem schnellsten Mann der Welt. Er hat eine Pressekonferenz gegeben vor dem Start der Wettkampfserie Golden League in Oslo an diesem Freitagabend, und dabei hat er gesagt: ,,Ich komme wegen des Publikums zurück zu den Bislett-Spielen.‘‘
Das ist wirklich ein schönes Kompliment für das Leichtathletik-Publikum in Norwegens Hauptstadt, und einen gewissen Nachrichtenwert hat es auch. Man hätte denken können, es hat auch etwas mit Geld zu tun, dass Asafa Powell nach Oslo zurückgekehrt ist und sich wieder für die komplette Serie mit dem Eine-Million-Dollar-Jackpot hat verpflichten lassen, obwohl er Ende August bei der WM in Osaka doch beweisen will, dass er auch bei großen Meisterschaften gewinnen kann.
Aber nein: Es sind die Menschen. Oder hat Powell einfach verstanden, dass der Wert seines Sports sich nach Zuschauerzahlen bemisst? Dass die Leute auf den Tribünen in gewisser Weise seine Geldgeber sind? Sagt er im Grunde also doch nur, dass er wegen des Geldes gekommen ist?
Das Geld als Reiz und Fluch der Golden League
Das Geld ist der Reiz der Golden League und zugleich ihr Fluch. Die stattliche Gewinnsumme, der goldene Tand um die Tartanbahn, die große Jackpot-Inszenierung haben die Serie in die Nähe einer Zirkusveranstaltung gerückt. Aber Zirkus zu sein, kann der Sport sich nicht leisten, wenn er glaubwürdig sein will und sich wenigstens ein bisschen Ursprünglichkeit bewahren.
Und so stellt man bei den sechs Liga-Direktoren in Oslo, Rom, Paris, Zürich, Brüssel, Berlin und bei anderen Beteiligten in der Tat eine neue Qualität der Zuschauerwerbung fest. Es scheint zu sein, als berücksichtigten sie mehr denn je die Kritik und die Zeichen dieser Zeit, in der die Leute kaum noch glauben, was sie im Stadion sehen. Powells Höflichkeit ist dafür nicht einmal das deutlichste Indiz.
Das deutlichste Indiz ist, dass die Golden League sich schon wieder einen neuen Jackpot-Modus verschrieben hat. Im vergangenen Jahr mussten die Berichterstatter noch umständliche Schachtelsätze bauen, um zu erklären, wer wann wie große Chance auf welchen Anteil des Jackpots hat. Dieses Jahr ist es wieder einfach: Wer sechs Mal gewinnt, ist Teilhaber der Million.
Gewinnt keiner sechs Mal, haben fünfmalige Sieger an einem 500000-Dollar-Jackpot teil. Die Disziplinen für die Liga-Wertung haben die Meeting-Direktoren von zwölf auf zehn verringert, um im Programm mehr Freiraum für Wettkämpfe mit einheimischen Athleten zu haben. Svein Arne Hansen, Chef der Bislett-Spiele, regt sogar an, rein europäische Rennen über Lang- oder Mitteldistanzen einzuführen, damit Europas Laufelite endlich einen Platz findet neben all den unerreichbaren afrikanischen Ausdauertalenten.
Und in Zürich verzichtet die Organisation erstmals auf Tempomacher, was die Kollegen allerdings für einen zu radikalen Schritt halten. Ihnen reicht es schon, weniger mit Weltrekorden für ihr Spektakel zu werben, dafür mehr mit Duellen namhafter Größen.
Womit man beim Dopingproblem angekommen ist. Die Liga-Direktoren scheinen nicht mehr Leistungen und Prominenz um jeden Preis zu wollen. Eine neue Einladungspolitik greift um sich. Hansen berichtet stolz, dass er ,,mindestens fünf‘‘ Startgesuche von Athleten abgelehnt habe, die schon wegen Dopingvergehen gesperrt waren. Und sehr einverstanden ist er mit der Praxis, welche Gerhard Janetzky, Direktor des Liga-Finales im Berliner Olympiastadion, vergangenes Jahr anwendete.
Da ließ Janetzky nämlich keine Athleten ins Programm, die mit dem in den USA sesshaften Trainer Trevor Graham in Verbindung standen – aus Grahams Gruppe kamen ihm zu viele Dopingsünder. Davor wirkten die Liga-Direktoren eher unsensibel bei diesem Thema, jetzt wollen sie Härte zeigen. ,,Wir haben abgesprochen, dass wir uns bei kritischen Fällen zurufen, wen wir verpflichten‘‘, sagt Janetzky. Helmut Digel, Vizepräsident des Weltverbandes IAAF, lobt:
,,Die haben ihre Lektion mehr gelernt als andere.‘‘
Keine Frage, die Liga-Regisseure sind zufrieden mit sich. Die Prognosen vom schwindenden Stellenwert der Leichtathletik in Europa scheinen sie nicht anzufechten, auch wenn Janetzky weiterhin grummelt, dass ihm ein deutscher Star fehle.
Sogar eine verbesserte TV-Situation kann Digel anführen: ,,Mehr Fernsehsender sind interessiert‘‘, sagt er; es gibt auch wieder Übertragungen in die USA. Wie sehr die neue Moral der Direktoren vor allem eine für die Presse ist, ist allerdings eine andere Frage.
Und wenn sich der Vorhang erst mal gehoben hat, wird sich auch zeigen, wie bodenständig die Liga-Leichtathletik tatsächlich daherkommt in diesem großen goldenen Sporttheater.
Thomas Hahn
Süddeutsche Zeitung (SZ)
Freitag, dem 15. Juni 2007