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12
06
2009

Was denkt sich einer und was denkt einer, der zwölf Stunden lang im Kreis herumrennt, quasi ein Formel-1-Fahrer auf zwei Beinen ist?

Drei Mal M und ein Mal G – Der Esslinger Marian-Jan Olejnik hat sich in der Ultraläuferszene einen Namen gemacht – Gescheiterter Rekordversuch in Dornbirn – Andreas Müller in der Eßlinger Zeitung

By GRR 0

Esslingen – Läufer, die sich jenseits der Marathondistanz bewegen, nehmen Strecken von 50 oder 100 Kilometer am Stück unter die Beine, bewältigen 12- oder 24-Stunden-Läufe und bewegen sich damit in physischen und psychischen Grenzregionen. Ausdauersportler montieren sich deshalb Bilder im Kopf zusammen, die sie abrufen können, wenn der Körper vor Schmerzen aufschreit.

Wer sich mit Marian-Jan Olejnik unterhält, bekommt aus diesem Grund einen Grundkurs in der Bildersprache. „Ich bin ein Universalläufer, ein Universalschlüssel“, sagt der Läufer von der LG Esslingen, der sich vor 15 Jahren aufgemacht hat, seinen Kopf und sein Körpergewicht zu regulieren. Seit 2006 lassen ihn die langen Läufe nicht mehr los.

Der 50-Jährige, in Oberschlesien geboren und als Bergarbeiter harte körperliche Arbeit gewohnt, hat sich in der Szene der Ultraläufer in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Gerade erst hat er in Dornbirn in Österreich einen 12-Stunden-Nachtlauf hinter sich gebracht. Einen Zehennagel hat er sich blutig gelaufen und beim Schuhwechsel gut eine Runde des 1203 Meter langen Rundkurses eingebüßt. Nicht so schlimm im Vergleich zu der Nachricht, die ihn zwei Tage später erreichte.

Dem von ihm in der Altersklasse M 50 aufgestellten deutschen Rekord von 137,14 Kilometern in zwölf Stunden („Ich habe keine einzige Minute Pause gemacht“) wurde die Anerkennung versagt. „Ich bin so ein Dackel“, beschimpft er sich selbst. Denn der Veranstalter hatte weder die Strecke richtig vermessen lassen, noch den Event beim Verband angemeldet. Jetzt will es Olejnik am 13. Juni in Fellbach-Schmiden noch einmal versuchen.

Was denkt sich einer und was denkt einer, der zwölf Stunden lang im Kreis herumrennt, quasi ein Formel-1-Fahrer auf zwei Beinen ist? Der zum Beispiel unter Tage rennt, wie beim Kristall-Marathon im Erlebnis-Bergwerk Merkers? Zuerst einmal vergegenwärtigt sich Olejnik der drei M. „Mut, Motivation, Mentalität“, und er schiebt dann noch ein G hinterher: „Gefühl“. Und dann orientiert er sich wieder an einem Bild. „Wenn ich einmal Blut geleckt habe, dann lasse ich nicht mehr los, da bin ich wie ein Wolf.“

Wenn der Wolf müde wird, holt sich Olejnik die Gesichter der Familie in den Kopf, denkt auch „an die Stadt und den Verein, für die ich laufe, und an die Anerkennung, die ich erhalte.“ Das hilft ihm, den toten Punkt zu überwinden. Und er redet sich ein: „Mehr als alles bekommst Du nicht von mir.“

Um diese Fähigkeit zu entwickeln, gehört ein diszipliniertes und konsequentes Training dazu. Fünf Monate lang bereitete sich der Esslinger auf Dornbirn vor, bewältigte Wochenumfänge von 130 Kilometern, in der Spitze sogar 200 Kilometer. Der längste Trainingslauf ging über 80 Kilometer, „ruhig und erholsam“, wie es Olejnik formuliert. Asphalt fressen als Grundnahrungsmittel für den Wettkampferfolg. „Ich bin immer zu 110 Prozent vorbereitet“, sagt Olejnik.

Sprung unter die Top Ten

In seiner Altersklasse hat er auf allen Strecken schon einen Sieg geholt. Über 5 und 10 Kilometer, im Halbmarathon, im Marathon, über die Distanzen von 50 und 100 Kilometer. Neben der Verbesserung des Rekordes im 12-Stunden-Lauf in einer Woche in Fellbach-Schmiden möchte er in diesem Jahr im Oktober über 100 Kilometer den Sprung unter die Top Ten in Deutschland schaffen.

Mittelfristig wünscht sich Olejnik die Aufnahme in den Kader der Fördergruppe der Ultraläufer. Dieses Ziel will er erreichen, indem er Platz eins der addierten Bestleistungen eines 6-Stunden-Laufes und über die 50 Kilometer erreicht. Das würde eine wesentliche finanzielle Entlastung bringen, denn allein für Schuhe gibt Olejnik 1000 Euro im Jahr aus. Dazu kommen die Bekleidung, die Reisen zu Wettkämpfen, das Startgeld, die Verpflegung.

Alles für diesen einen Moment. „Ganz oben auf der Holztreppe zu stehen, das bleibt einem in Erinnerung bis an das Lebensende.“

Andreas Müller in der Eßlinger Zeitung

EZ-City-Lauf 2009

 

author: GRR

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