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30
03
2022

40 YEARS AIMS in Distance Running 2022 Nr. 1 - Photo: AIMS

Dramatische Veränderungen im Laufsport seit 1982 – 40 Jahre AIMS von Hugh Jones in Distance Running

By GRR 0

Die „Association of International Marathons“ wurde offiziell bei einem Treffen in London am 6. und 7. Mai 1982 gegründet, aber die Idee einer solchen Vereinigung hatte schon seit einiger Zeit an Fahrt gewonnen.

Marathonläufe mit Massenbeteiligung auf den Straßen der großen Hauptstädte der Welt sind eine Neuerung der letzten Jahre. Zuvor waren sie auf Runden in öffentlichen Parks oder auf ruhigen Landstraßen beschränkt, wo die bescheidenen Teilnehmerfelder von 100-200 engagierten Läufern leicht zu bewältigen waren.

Nur Boston, der Großvater des Marathons, hatte die Zahl von 1000 Läufern überschritten, bevor 1976 anlässlich der Zweihundertjahrfeier der USA der New Yorker Marathon durch die fünf Stadtbezirke gelaufen wurde.

Damit wurde der Rahmen gesprengt. Auf verblüffende Weise wurde Platz für Tausende von Läufern geschaffen, die am Marathontag das Stadtzentrum überfluteten und eine feierliche Atmosphäre mit sich brachten. Als die Zahl der New Yorker Läufer in den nächsten Jahren rapide anstieg, entstanden weitere Läufe, die sich ausdrücklich an dem Vorbild orientierten.

Bis 1980 gab es eine zunehmende Zahl von Organisatoren, die über die ganze Welt verstreut waren.

Der Honolulu-Marathon war 1973 als kleine Veranstaltung mit 150 Läufern ins Leben gerufen worden, aber er war so erfolgreich, dass 1976 bereits 1400 Läufer im Ziel waren – knapp hinter New York. Viele Organisatoren waren bereits auf dem Weg, um die Veranstaltungen der anderen zu beobachten und von ihnen zu lernen. Bei einem Treffen in Honolulu im Dezember 1980 wurde eine Gruppe gegründet, die sich „International Marathon Race Directors“ (IMRD) nannte und beim New York Marathon im Oktober 1981 erneut zusammenkam.

Im Mittelpunkt der Diskussionen stand damals ein von Serge Arsenault vom Montreal-Marathon angeregter „World Circuit“, der eine individuelle Marathonmeisterschaft für Eliteläufer umfassen sollte. Die diskutierten Regelungen wiesen große Ähnlichkeiten mit dem auf, was schließlich 25 Jahre später von den „World Marathon Majors“ übernommen wurde. Bei einem zweiten Treffen in Honolulu am 11. Dezember 1981 plante die IMRD außerdem, die Gruppe formell als Association of International Marathons zu konstituieren, was bei dem Treffen in London auch geschah.

Bei der Versammlung wurden 29 Gründungsmitglieder gewählt, von denen 19 auch heute noch Mitglieder sind, auch wenn sie sich in einigen Fällen radikal verändert haben (zum Beispiel wurden die beiden Eliteläufe in Tokio, der Tokio-Frauen-Marathon und der Tokio-Männer-Marathon, inzwischen vom Tokio-Marathon aufgefangen).

Die Anwesenden verabschiedeten eine Satzung und wählten Will Cloney vom BAA Boston Marathon zum ersten Präsidenten der AIMS. Die Mitglieder, die an diesem „Gründungskongress“ teilnahmen, legten auch eine prägnante Liste von drei Hauptzielen fest: (i) Förderung des Laufsports in der ganzen Welt; (ii) Zusammenarbeit mit der IAAF (jetzt World Athletics) in allen Fragen des internationalen Marathons; und (iii) Austausch von Informationen, Wissen und Fachkenntnissen zwischen den Mitgliedern der Vereinigung.

Der erste AIMS Präsident Will Cloney vom B.A.A Boston Marathon – Foto: Marathoneum

Unmittelbar nach der Verabschiedung der für die Gründung des Verbands wesentlichen Geschäfte folgte eine Fachdiskussion über die Organisation und Messung von internationalen Marathons. Dabei wurde hervorgehoben, dass es von zentraler Bedeutung ist, sicherzustellen, dass die Marathons die korrekte Distanz aufweisen. Zu dieser Zeit gab es bereits eine zuverlässige und erschwingliche Messmethode, aber im Rahmen der Ziele (i) und (iii) wurde es zur Hauptaufgabe der AIMS, die Messmethode „geeichtes Fahrrad“ zu verbreiten, damit sie schließlich allgemein akzeptiert und angewendet wurde.

Das war auch gut so, denn der für die Durchsetzung der Regeln zuständige Weltverband, der Internationale Amateur-Leichtathletik-Verband (IAAF, später World Athletics), erkannte nur langsam das Potenzial von Massenläufen in Großstädten. Ihr Zweck war auf den Spitzensport ausgerichtet, und die neuen Rennen wurden oft als potenziell schädlich für die traditionellen Meisterschaftsrennen angesehen.

Bei der nächtlichen Vermessung mit geeichten Fahrrädern auf der Straße des 17. Juni in Berlin mit Hugh Jones (lks.) – John Kunkeler (m) and Happersberger – Foto: Horst Milde

Die willkürliche, aber „magische“ Distanz des Marathons war bereits 1924 mit 42195 m festgelegt worden. Bei Meisterschaftsrennen zählte die Position mehr als die Zeit, und es gab nie eine konzertierte Aktion, um sicherzustellen, dass die Strecken genau genug waren, um einen Vergleich zwischen verschiedenen Orten zu ermöglichen. Die Messmethode des „geeichten Fahrrads“ wurde in den 1980er Jahren im IAAF-Regelwerk verankert, aber erst 1995 wurde bei einem von der AIMS initiierten Treffen mit der IAAF ein Ordnungssystem eingeführt, mit dem die Messungen kontrolliert werden konnten. Seitdem hat die AIMS ihren Messauftrag in Zusammenarbeit mit der IAAF aufrechterhalten.

Die IAAF wehrte sich gegen die Anerkennung von Weltrekorden auf der Marathondistanz mit der Begründung, die Strecken seien nicht vergleichbar. Die AIMS schlug ein maximal zulässiges Gesamtgefälle der Strecke und einen geradlinigen Abstand zwischen Start und Ziel vor, so dass eine mögliche Unterstützung durch die Schwerkraft oder einen möglichen Rückenwind begrenzt wurde. Ab 2003 wurde dies die Grundlage, auf der die so genannten „Weltbestzeiten“ seitdem als Weltrekorde anerkannt werden.

Die ursprüngliche Mitgliederzahl von AIMS blieb stabil und wuchs in den ersten Jahren nur geringfügig, doch mit der Veröffentlichung des ersten AIMS-Jahrbuchs im Jahr 1985 begann sich die Dynamik zu ändern. Das Jahrbuch enthielt einen Veranstaltungskalender. Damit wurde erkannt, dass die AIMS über ihre Mitgliedsorganisationen hinausgehen musste, um die Läufer selbst anzusprechen. Zu diesem Zweck enthielt das A5-formatige Heft auch Anzeigen für Mitgliedsläufe, und insgesamt wurden von den Mitgliedsveranstaltungen 200.000 Exemplare an ihre Läufer verteilt.

AIMS  Jahrbuch 1985 – Foto: Horst Milde

Marathonläufe mit Massenbeteiligung entwickelten sich bereits zu einem bedeutenden Markt im Bereich des Sporttourismus. Im Jahr 1986 wurde die AIMS-Mitgliedschaft, die inzwischen fast 50 Läufe umfasste, um Läufe über andere Distanzen als den Marathon erweitert. Insbesondere der New York City Marathon zog jedes Jahr mehr als 10.000 ausländische Läufer an, die oft von Fans begleitet wurden und eine ganze Woche lang blieben. Da die Läufer so viel zusätzliches Geld einbrachten, war es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Städte für die Veranstaltung von Läufen interessierten und diese oft über ihre nationalen oder regionalen Fremdenverkehrsämter förderten.

In jüngerer Zeit erlebten Läufe wie Nizza-Cannes an der französischen Riviera, Athen und Valencia allesamt sehr starke Wachstumsschübe, als sie den Markt für Laufreisen erschlossen. Bevor die durch die Covid-19-Pandemie verursachten Reisebeschränkungen diesen Markt einschränkten, war er vielerorts der wichtigste Wachstumsmotor für den Laufmarkt, da die Läufer ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen an weiter entfernten und exotischen Orten waren.

Das AIMS-Jahrbuch hielt mit diesem Trend Schritt, als sich die Mitgliederzahl auf 100 Läufe zubewegte, und erhöhte 1992 die Erscheinungshäufigkeit auf zwei Ausgaben pro Jahr. Es wurde dann unter dem Namen Distance Running neu aufgelegt und entwickelte sich über drei Ausgaben bis 1993 zu einem vierteljährlichen Magazin mit 84 Seiten im A4-Format und in Farbe. In jeder Ausgabe wurde eine Auswahl der (damals) 170 Rennen der AIMS-Mitglieder vorgestellt.

Distance Running von 1993: Eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift mit 84 Seiten im A4-Format und in Farbe – Foto: Gerd Steins AIMS- Marathoneum

Keine andere Publikation konnte eine so breite Palette von Rennen mit einer so großen geografischen Streuung anbieten. Sie erwies sich als wirksame Plattform, von der aus die Mitglieder für sich werben konnten – und zwar in zunehmendem Maße, da die Mitgliederzahl von AIMS stetig anstieg und 2019 einen Höchststand von 470 vor dem Covid erreichte.

Der stetige Fortschritt bei den Mitgliederzahlen, der technologischen Anwendung und den wirtschaftlichen Auswirkungen hat das, was bis vor kurzem noch ein Sport für eine kleine Minderheit von Exzentrikern war, dramatisch verändert.
Aber einige der größten Momente in den letzten 40 Jahren seit der Gründung der AIMS waren die, in denen der Marathon, in den Worten von Chris Brasher, einem der Gründerväter der AIMS, „der Menschheit zeigen konnte, dass sie gelegentlich vereint sein kann

Chris Brasher – Foto: London Marathon

Diese Momente können feierlich gewesen sein – nach dem Fall der Berliner Mauer, beim Hundertjahr-Jubiläumslauf des Boston-Marathons oder anlässlich des 2500-jährigen Jubiläums der Schlacht von Marathon. Noch bezeichnender war es vielleicht, wenn diese Solidarität den Opfern einer T ragödie Moral und Unterstützung verlieh.

 

Start des 16. Berlin-Marathons (nur in West-Berlin) am 1.10.1989 – im Hintergrund sieht man noch die „Berliner Mauer“ und das Brandenburger Tor – die „Berliner Mauer“ fiel am 9.11.1989. – Foto: AIMS-Marathoneum

Nach den Gräueltaten in New York und Washington im Jahr 2001, in Madrid 2004 und in Mumbai 2008 wirkten die Marathons in diesen Städten kathartisch und halfen den Menschen, ihre Stimme wieder zu finden

Aufruf zur Demonstration in Berlin nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York City am 9.11.2001 – Foto: Horst Milde

„United We Run“ am Start des  New York City Marathon 2001 zusammen mit dem BERLIN-MARATHON vereint mit dem Riesenbanner der in Berlin am Start des Marathon über die Köpfe der Läufer gezogen wurde. – Foto: ©Victah Sailer

Als der Boston-Marathon 2013 selbst zum Ziel eines Bombenanschlags wurde, erwies sich das Rennen als wirksames Mittel, um die gesamte Stadt zu „Boston Strong“ zu machen.

„Boston strong“ – 2013 Boston Marathon –  Boylston Street   – Boston, Ma April 12-15, 2013 – Photo: Bruce Wodder@PhotoRun – victah1111@aol.com – www.photorun.NET

Berlin 1989 am Brandenburger Tor –  unten sehen die Grenztruppen der DDR – die Berliner und Berlinerinnen stehen oben auf der Berliner Mauer – Foto: Horst Milde

Horst Milde nach Informationen von Hugh Jones in Distance Running 2022 – Edition 1

 

author: GRR