Entscheidend für das Überleben ist die Herzdruckmassage, am besten an die 100 Mal pro Minute.
Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Wiederbelebung, einfacher und besser – Zwei Hände fürs Herz
Am 18. Oktober ist es soweit. Dann wird die mit Spannung erwartete neue Stellungnahme zur Reanimation veröffentlicht, der Wiederbelebung nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Noch ist es streng geheim, wie die Richtlinien aussehen werden, auf die sich die Experten des internationalen Dachverbands Ilcor geeinigt haben.
Aber gewiss ist schon jetzt, dass die Empfehlungen von größter Bedeutung sind, denn nach ihnen werden sich Medizin und Erste-Hilfe-Organisationen weltweit richten.
Die Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der Atemspende? In den letzten Richtlinien von 2005 wurde die Bedeutung der Mund-zu-Mund-Beatmung bei der Ersten Hilfe schon heruntergestuft. Dem Laien wurde erlaubt, notfalls auf sie zu verzichten, das Verhältnis von Herzdruckmassage zu Atemspende wurde von 15 zu zwei auf 30 zu zwei abgemildert. Es ist zu wünschen, dass die Beatmung endgültig in die zweite Reihe tritt.
Sie ist kompliziert, potenziell schädlich, schreckt manche Ersthelfer ab und ist meist überflüssig. Ausnahmen gibt es, etwa einen Kreislaufstillstand bei Kindern oder wenn Atemprobleme die Ursache des Herzstillstands sind. Es ist also in jedem Fall gut, wenn man über die Atemspende Bescheid weiß.
Meist aber ist es das Herz selbst, das seinen Dienst verweigert und Ursache des Kreislaufstillstands ist. Entscheidend für das Überleben ist die Herzdruckmassage, am besten an die 100 Mal pro Minute. Sie schafft das Blut dahin, wo es hin muss – ins Gehirn. Die Atemspende ist dagegen in der Regel erst mal nicht erforderlich, der noch im Blut vorhandene Sauerstoff reicht für etwa acht Minuten.
Wenn die Sache so eindeutig ist, warum wurden die Richtlinien dann nicht längst geändert? Ein Grund ist vermutlich die Trägheit, die großen Organisationen innewohnt. Ein anderer, dass es keine Studie gibt, die die Überlegenheit der alleinigen Herzdruckmassage klar belegt, auch wenn es einen positiven Trend gibt. Dass das so schwer nachzuweisen ist, liegt in der Natur der Sache, denn im Alltag der Notfallmedizin spielen Laienhelfer leider eine zu geringe Rolle. Den meisten Menschen, die bewusstlos zusammenbrechen, wird von Zeugen nicht geholfen. Noch nicht einmal jeder zehnte Betroffene überlebt einen Herzstillstand.
Dass es auch anders geht, zeigt eine Initiative im US-Bundesstaat Arizona. Dort stellte man vor fünf Jahren in der Schulung für Ersthelfer auf die Herzdruckmassage um – mit Erfolg. Der Anteil der Laienhelfer bei Herzstillstand stieg von knapp 30 (2005) auf rund 40 Prozent (2009). Ihren Kreislaufstillstand überlebten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus nur fünf Prozent der Patienten, denen zuvor nicht von Zeugen geholfen wurde.
Bei Patienten, die mit Atemspende und Herzdruckmassage unterstützt wurden, stieg die Rate auf knapp acht Prozent – und bei Patienten, die nur die Herzdruckmassage bekamen, auf erstaunliche 13,3 Prozent. Die Ärzte aus Arizona haben ihre Ergebnisse nun im Fachblatt „Jama“ vorgelegt. Hoffentlich noch rechtzeitig für die Schlussberatung des Welt-Wiederbelebungs-Komitees!
Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Sonntag, dem 10. Oktober 2010