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2021

Hat Maß und Anstand verloren: Der Noch-DOSB-Präsident Alfons Hörmann - DOSB-Präsident Alfons Hörmann beim #YOGSelfie mit Physiotherapeut Maik Schwarzbach, Olympiasiegerin Britta Heidemann und dem fünftplatzierten Degenfechter Samuel Unterhauser (v.li.). - Foto: ©DOSB

DOSB-Präsident Hörmann: Kultur der Angst – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Der DOSB-Präsident scheint besessen von der Vorstellung, Opfer einer Intrige zu sein. Er schlägt um sich und beschädigt sein Amt. Einsicht ist nicht zu erwarten.

Im Bemühen, sein Erbe zu regeln, ist Alfons Hörmann offenbar weit übers Ziel hinausgeschossen. Infolge eines anonymen Briefs aus der Mitarbeiterschaft – Stichwort: Kultur der Angst – von der Ethikkommission seines Hauses aufgefordert, sich der Vertrauensfrage zu stellen, wählte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes den Rücktritt. Das war im Juni.

Statt zu gehen, flog Hörmann als Delegationsleiter zu den Olympischen Spielen nach Tokio und gab offenbar gleichzeitig verschiedene erstklassige Abschlusszeugnisse für sich selbst in Auftrag. Die zweieinhalb Seiten lange Zusammenfassung einer sogenannten Kulturanalyse bestätigt, was für eine Überraschung, dass von Angst im Hause DOSB keine Rede sein könne.

Eine Unternehmensberatung bestätigt ihm auf knapp 160 Seiten, auch dies erwartbar, dass seine achtjährige Amtszeit von Erfolgen geprägt sei.

Doch Hörmann hat den Bogen überspannt und sein Amt beschädigt. Er scheint besessen von der Vorstellung, Opfer einer Intrige zu sein. Karin Fehres, ehemaliges Vorstandsmitglied des DOSB, soll gestehen, den anonymen Brief verfasst zu haben – und damit allen Vorwürfen den Boden entziehen. Hörmann, seine Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker und Vorstandsmitglied Thomas Arnold lassen die ehemalige Kollegin massiv unter Druck setzen. Gestehe sie, werde man sie im Gegenzug schonen. Gestehe sie nicht, drohten zivil- und strafrechtliche Verfahren. Das klingt nicht nach gewissenhafter Suche nach der Wahrheit.

Karin Fehres, bis zu ihrem Ausscheiden vierzehn Jahre lang für den DOSB tätig, ist ausgerechnet dadurch verdächtig geworden, dass in dem anonymen Brief Hörmanns Umgang mit ihr als Beispiel für Verhaltensweisen beschrieben wird, die jegliche Form des Respekts und Anstands vermissen ließen. Hörmann scheint dies zu bestätigen.

Mangel an Respekt gegenüber Dritte

Sein Anwalt behauptet, im Besitz einer Sprachanalyse zu sein, die Fehres entlarve. Man muss kein Experte sein, um zu vermuten, dass nach einer Person gefahndet wird, die, wie in dem anonymen Schreiben, das Wörtchen dass stets daß schreibt.

Es liege an Hörmann, schrieb Thomas de Maizière, der Vorsitzende der Ethikkommission, im Juni, Dritte Respekt und Wertschätzung klarer erkennen zu lassen, insbesondere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der scheidende Präsident hat die Hoffnung nicht erfüllt. Auf der jüngsten Mitarbeiterversammlung des DOSB flossen Tränen, mit dem Kulturwandel kann es nicht weit her sein.

Transparency International Deutschland stellt dem DOSB und seiner Führung, unaufgefordert und unbezahlt, das nächste Zeugnis aus. Es ist vernichtend. Die gemeinsam erarbeiteten Grundsätze von Good Governance führe die DOSB-Führung durch ihr Verhalten ad absurdum. Sie zeige, dass sie überhaupt nicht verstanden habe, worum es bei den Beschwerden gegangen sei.

Hörmann, so sieht es aus, wird bis zu seinem Ausscheiden in gut drei Wochen weiter um sich schlagen. Und nicht, wie er bei seiner Wiederwahl 2018 in Düsseldorf versprach, Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen, Brücken bauen, auf Transparenz und Offenheit setzen. Einsicht ist von ihm nicht zu erwarten. Fehlt nur noch, dass er Ehrenpräsident des Verbandes werden will.

Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 10. November 2021

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR