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20
02
2024

Michael Reinsch - Foto: Horst Milde

DOSB kritisiert Regierung: Der Sportentwicklungsplan ist gescheitert – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Nach scharfem Protest des Deutschen Olympischen Sportbundes zieht das Bundesinnenministerium seinen Entwurf zum „Entwicklungsplan Sport“ zurück. Auch die Umsetzung anderer Projekte ist stark gefährdet.

Der mit großen Vorschusslorbeeren präsentierte „Bewegungsgipfel“ von Bundesregierung und Deutschem Olympischem Sportbund (DOSB) ist nach vierzehn Monaten zum Stillstand gekommen. Den Entwurf eines „Entwicklungsplanes Sport“, der laut Koalitionsvereinbarung „die erste bundesweite Strategie zur Förderung von Bewegung und Sport für alle Menschen“ und eine „Offensive für Investitionen in Sportstätten (. . .) unter Beachtung von Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Inklusion“ sein sollte, hat das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser nach scharfem Protest des DOSB zurückgezogen.

Beim zweiten „Bewegungsgipfel“, für den 12. März in Berlin geplant, ist eine Vereinbarung zwischen Staat und Sport nicht mehr zu erwarten. Im Innenministerium ist deshalb die Rede davon, zunächst einen „Entwicklungsplan Sport“ allein des Bundes zu entwickeln und auf die Vereinbarung mit DOSB und den Ländern zu verzichten. Dazu soll im Hause Faeser eine Kooperationsstelle eingerichtet werden.

Diese Entwicklung stehe beispielhaft für die Sportpolitik auf Bundesebene in den vergangenen zwei bis drei Jahren, kritisiert Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen: „Der Anspruch war nichts weniger, als den Sport in Deutschland neu aufzustellen mit Sportentwicklungsplan, Zentrum für Safe Sport und Leistungssportagentur.

Ernüchterung und Enttäuschung

Es wurden aufwendige Beteiligungsprozesse gestartet, meist unter Federführung des BMI, stets begleitet von externen Agenturen und mit viel Tamtam. Im Ergebnis ist meines Erachtens für keines der Projekte noch eine Zielerreichung im ursprünglichen Sinne wahrscheinlich.“

Auch der CDU-Abgeordnete Jens Lehmann (Leipzig), Mitglied des Sportausschusses, sieht keinen Fortschritt: „Die Bundesregierung ist in der Sportpolitik eher auf schlechtem Weg. Das Innenministerium sollte sich um eine Einigung bemühen mit dem Sport und den Ländern.“ Im November hatte zunächst der Bundesrechnungshof die Pläne zur Auslagerung der Spitzensportförderung in eine unabhängige Agentur wegen mangelnder Kontrolle durch das Parlament kritisiert, dann stoppte der Haushaltsausschuss die für 2024 geplante Gründung der Agentur.

Das Scheitern des „Entwicklungsplanes Sport“ hat Ernüchterung und Enttäuschung ausgelöst: „Wir wollen nicht Absichtserklärungen“, sagte Kerstin Holze, Vizepräsidentin des DOSB: „Wir wollen klare Zuständigkeiten und dass diese mit Ressourcen hinterlegt sind.“ Der Beteiligungsprozess habe gute Ergebnisse erbracht, und sie erkenne, dass das Innenministerium die Anmerkungen des Sports ernst nehme.

Aber statt eine nationale, auf Dauer angelegte Kampagne zur Förderung des Sports als Gemeinschaftsaufgabe aller Ressorts zu entwickeln, ist unter Federführung des Innenministeriums aus Sicht des DOSB ein Katalog der Beliebigkeit entstanden. Ebenso wie mangelnde Verbindlichkeit und ausbleibende Finanzierung kritisiert der DOSB, dass nicht Verantwortung für einzelne Maßnahmen zugeordnet wird. In einem Positionspapier lehnten der Dachverband und seine Jugendorganisation dsj den Plan aus Berlin rundheraus ab.

Die Begründung: Er werde keine Wirkung entfalten. „Insbesondere vor dem Hintergrund der ehren- und hauptamtlichen Ressourcen, die seitens des organisierten Sports eingebracht wurden, ist der vorliegende Entwurf mehr als enttäuschend“, schreiben DOSB und dsj.

Seit Dezember 2022 hatten fünf Arbeitsgruppen Ideen und Konzepte entwickelt, von denen sich viele nicht in dem Entwurf wiederfinden. Das am ersten Bewegungsgipfel beteiligte Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach ist aus der gemeinsamen Planung ausgestiegen und hat einen Runden Tisch „Bewegung und Gesundheit“ gegründet mit vielen Teilnehmern. Einer fand keinen Platz: der Sport.

Hinter den Erwartungen zurück

„Das ausgegebene Ziel war nicht weniger, als die Handlungsfelder Sport und Bewegungsförderung ressortübergreifend auf allen politischen Ebenen als Querschnittsaufgabe zu verankern und für die Zukunft bestmöglich aufzustellen sowie die innovativsten, nachhaltigsten und erfolgversprechendsten Vorschläge ab 2024 in der Breite umzusetzen“, schreibt der DOSB: „Schon in einigen Arbeitsgruppen wurde allerdings deutlich, dass der politische Wille, eine Trendwende einzuläuten, nur bedingt gegeben ist, da darauf verwiesen wurde, dass ressourcenintensive Maßnahmen nicht zu realisieren seien und mithin nicht Eingang in die Ergebnispapiere fanden.“

Der Entwurf des BMI falle hinter die Erwartungen des organisierten Sports sowie die Verpflichtungen aus dem Koalitionsvertrag und der Gipfelerklärung zurück. Neun Bundesressorts, zwei Landesfachkonferenzen, drei kommunale Spitzenverbände und DOSB/dsj hatten vor vierzehn Monaten die Gipfelerklärung, Basis für den Entwicklungsplan Sport, unterzeichnet.

Einsparungen in den Budgets der Bundesministerien wie der Länder, klagt der DOSB, führten das Ansinnen des „Entwicklungsplans Sport“ zudem ad absurdum. Beispielhaft sei die Kürzung des Bundesprogramms zur energetischen Sanierung kommunaler Einrichtungen für Sport, Jugend und Kultur. Das Bauministerium stellt dafür nur noch 200 Millionen Euro zur Verfügung.

Anträge können nicht gestellt werden. Die Lösung des Sanierungsstaus im Sport kostet laut DOSB allerdings mehr als 30 Milliarden Euro. Den mangelhaften Zustand der Sportstätten sowie die zusätzlichen Kosten für Dekarbonisierungsmaßnahmen nicht zu berücksichtigen stelle die Ernsthaftigkeit des „Entwicklungsplans Sport“ im Kern infrage.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 19.2.2024

 

author: GRR