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20
10
2010

Lechner schlug in Franz-Josef Kempers Kerbe: „Wenn das Doping-Problem nur personalisiert wird, hilft uns das nicht weiter. Wir müssen das gesamte System überprüfen.“

Dopingbekämpfung als gesellschaftspolitische Aufgabe – Das Fazit von DOSB-Leistungssportdirektor Ulf Tippelt nach der Anti-Doping-Veranstaltungen in Nördlingen lautete: Es muss noch mehr getan werden im Kampf gegen Doping-Missbrauch.

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Wer bereits diverse Anti-Doping-Veranstaltungen besucht hat und somit Vergleiche ziehen kann, dürfte das von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) und der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) ausgerichteten Seminar „Dopingbekämpfung im Sport – eine gesellschaftspolitische Aufgabe von internationaler Bedeutung“ zufrieden verlassen haben.
 
Drei Tage lang wurde in Nördlingen von einem guten Dutzend hochkarätiger Fachleuten referiert sowie von rund 100 Teilnehmern kritisch hinterfragt und auf hohem sachkundigem Niveau diskutiert.

Zu denen, die zufrieden ihre Heimreise antraten, dürfte auch der Leistungssport-Direktor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Ulf Tippelt, gehören. Er hatte den Besuch der Anti-Doping-Veranstaltung höherwertig eingestuft als den Besuch des „Festes der Begegnung“ in Mannheim. Gegenüber einem von der Wichtigkeit des Anti-Doping-Kampfs außerordentlich überzeugten Plenums war es für Ulf Tippelt jedoch nicht einfach, die Position sowie die Möglichkeiten des DOSB darzustellen.

Tippelt: „Wir sind uns einig, dass noch mehr getan werden muss im Kampf gegen den Doping-Missbrauch.“ In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die begrenzten finanziellen Möglichkeiten: „Aber auch mit den vorhandenen Mitteln können wir schon ziemlich engmaschig arbeiten.“

Kritische Generallinie gegen Festtagsreden

Das Plenum hatte schnell eine kritische Generallinie entwickelt: „Was nützen alle Festtagsreden im Anti-Doping-Kampf, wenn man nicht bereit ist, gravierende Änderungen am System vorzunehmen.“ Franz-Josef Kemper, Olympiavierter 1972 über 800 Meter, Leiter der Abteilung Sport und Ehrenamt im rheinland-pfälzischen Innenministerium und Mitglieder der  Arbeitsgruppe Prävention der NADA, wurde noch deutlicher. Er sieht einen Widerspruch, wenn bei größten internationalen Wettbewerben von deutschen Athleten bestimmte Medaillenbilanzen und Topplatzierungen im Ranking erwartet werden, obwohl der Verdacht nicht von der Hand zu weisen sei, dass die dopingfreien deutschen Sportler auf Konkurrenten treffen, in deren Ländern der Anti-Doping-Kampf nicht mit gleicher Akribie betrieben werde.

Kemper: „Wenn wir das gesellschaftliche Ziel eines sauberen und fairen Sports formulieren, dann müssen wir alle – Sport, Medien und die Geld gebende Wirtschaft – noch einmal unsere Grundsatzposition gründlich überdenken.“

Eingeleitet hatte Lars Figuara die dreitägige Veranstaltung mit seinem Referat „Doping: Zwischen Freiheitsrecht und notwendigem Verbot“. So lautete auch die Dissertation des mehrmaligen deutschen 400-Meter-Meisters zum Dr.jur. im Jahre 2008. Die Anwendung des Strafrechts sieht Figura keineswegs als zwingend an, wenn der Medikamentenmissbrauch konsequent sanktioniert werde. Aber er würde gerne den Anti-Doping-Kämpfern einen besseren finanziellen Spielraum gewähren, in dem etwa Erfolgsprämien an Sportler, wenn sie später der Manipulation überführt würden, von den Athleten zum Zwecke des Anti-Doping-Kampfs zurückgezahlt werden müssten.

Athleten akzeptieren persönliche Einschränkungen

Christian Breuer, der ehemalige Eisschnellläufer und aktuelle Athletensprecher, erläuterte nochmals, welchen Kontrollmaßnahmen und auch persönlichen Einschränkungen sich Spitzensportler unterwerfen müssen, wenn in ihrem Land Dopingvergehen konsequenter verfolgt werden: „Aber die überwiegende Mehrheit der Sportler hat die mit dem Anti-Doping-Kampf verbundenen Aufla-gen akzeptiert, weil sie es für wichtig hält, dass Doping bekämpft wird. Nur mit den intensiven Kontrollen ist die Vergleichbarkeit der Leistungen zu erreichen.“

Mario Thevis, Professor am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln und  Sprecher des Zentrums für präventive Dopingforschung im Kölner, vom Internationalen Olympischen Komitee akkreditierten Doping-Labor, stellte die Entwicklungen der Dopinganalytik vor; Helmut Pabst erläuterte die Praxis der Kontrollen vor Ort; Anja Berninger, Justitiarin und kommissarische Geschäftsführerin der NADA sowie David Müller als ihr Pendant bei der NADA in Österreich verglichen die Entwicklungen nationaler Methoden der Dopingbekämpfung und -prävention. Schließlich erklärte Prof. Horst Pagel aus Lübeck Sinn, Unsinn und Gefahren von Nahrungsergänzungs- sowie Schmerzmitteln.

Auftritt geständiger Dopingsünder

Furios war dann das Finale mit den des Dopings geständigen Radsportlern Robert Lechner, deutscher Bronzemedaillengewinner 1988 in Seoul im 1000-Meter-Zeitfahren, Rolf Järmann aus der Schweiz nach langjähriger EPO-Erfahrung, und dem Pfälzer Philip Schulz, der nach seinem positiven Dopingbefund zum Kronzeugen geworden war. Lechner schlug in Franz-Josef Kempers Kerbe: „Wenn das Doping-Problem nur personalisiert wird, hilft uns das nicht weiter. Wir müssen das gesamte System überprüfen.“

Der Schweizer Järmann erklärte, er habe kein Schuldgefühl, weil er überzeugt sei, dass er in seiner Dopingphase keine Konkurrenten betrogen, sondern sich damals nur dem Niveau der anderen angepasst habe. Auch er stellt letztlich die Systemfrage: „Olympisch ist die Leichtathletik die überragende Sportart. Wenn sie keine Vorbildrolle übernimmt und nicht sauber wird – und das kann sie nicht, weil es dann 20 Jahre lang keine Weltrekorde mehr gibt, die allgemein erwartet werden – dann wird auch der Radsport nicht sauber.“

Quelle: DOSB

 

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