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2013 IAAF World Outdoor Championships Moscow, Russia, August 10-18 2013 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Doping-Kommentar – Lasst Jamaika nicht laufen! Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

13.11.2013 ·  Die Welt-Anti-Doping-Agentur zieht im Kampf gegen Doping in Jamaika die Zügel an. Wie Athleten müssten auch Verbände, die Kontrollen verweigern, gesperrt werden. Muskelspiele reichen nicht.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) lässt ihre Muskeln spielen. Gerade haben einige Emissäre der Wada Jamaika einen Besuch abgestattet, weil die Kontrollen dort lax sein sollen, obwohl es jüngst sechs Doping-Fälle gab. Nun soll auch noch der bekannteste Doping-Fahnder auf die Sprinter von der Insel angesetzt werden.

Travis Tygart, der Mann, der Lance Armstrong von seinem Sockel aus Lug und Trug stürzte, soll bei Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser-Pryce nach dem Rechten sehen. Das ist jedenfalls der Eindruck, den die starken Worte von der Welt-Anti-Doping-Konferenz in Johannesburg erwecken. Er wird verstärkt von der Vermutung eines der bekanntesten jamaikanischen Sportmediziner, Paul Wright, dass die überführten Asafa Powell und Sherone Simpson nur die Spitze des Eisberges sein könnten.

Powell, der zweimal den Sprint-Weltrekord brach, und Simpson, die mit der Staffel Olympiasiegerin wurde, fielen bei den jamaikanischen Meisterschaften auf.
Jeder habe gewusst, wann die Trials stattfinden und dass sie Anlass für Kontrollen sein würden, sagte Wright der BBC; wer bei Wettkampfkontrollen scheitere, sei auch durch einen Intelligenztest gefallen.
 
Trainingskontrollen sind eine Rarität auf Jamaika. Während der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012 gab es praktisch keine, machte kürzlich die einstige Chefin der jamaikanischen Anti-Doping-Agentur (Jadco) bekannt, Renee Anne Shirley. Blutuntersuchungen gebe es bis heute nicht. Wright belässt es nicht bei Kritik an den Doping-Kontrolleuren seiner Heimat.

Die angeblich so kritischen Gäste von der Wada seien Montagabend ein- und Mittwoch früh abgeflogen, und einen großen Teil des s Dienstags habe ihr Festessen beim Premierminister eingenommen. Wie sollen sie sich da ein realistisches Bild vom Stand der Doping-Bekämpfung machen?

Ähnlich fadenscheinig wie diese Mission ist die Rekrutierung von Tygart. Der Mann mit dem untadeligen Ruf wird nicht Sonderermittler, sondern soll in der Anti-Doping-Agentur der Vereinigten Staaten, die er führt, mit den Kollegen aus Jamaika zusammenarbeiten. Schon vor vier Jahren sei eine solche Kooperation vereinbart worden, sagt Tygart nun. Wenn Jamaika sie endlich mit Leben erfüllen wolle: bitte sehr. Auf eine weitere Scharade lasse er sich nicht ein.

Auch so kann man die erstaunliche Geduld der Wada kritisieren, die ein Ärgernis ist. Was die jamaikanischen Läufer für die Sprints sind die kenianischen für die Langstrecke: eine eigene Liga, für sich allein die Weltspitze. Wegen massiver Doping-Vorwürfe und siebzehn positiver Fälle forderte die Wada einen Bericht vom Nationalem Olympischen Komitee und vom Sportministerium. Seit eineinhalb Jahren wartet sie darauf.

Wie Athleten müssten auch Verbände, die Kontrollen verweigern, gesperrt werden.

Muskelspiele reichen nicht.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 13. November 2013

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