Selbst die treibenden Kräfte hinter diesem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport“ verhehlen ihre Unzufriedenheit nicht
Doping-Kommentar – Ein Alibi-Gesetz – Michael Reinsch in der Frankfuert Allgemeinen Zeitung – Wie eine Schubkarre ohne Rad
Hat jemand Anti-Doping-Gesetz gesagt? Dann hat er wohl nicht richtig zugehört. Die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes, die der Deutsche Bundestag am Donnerstag in Berlin zusammen mit einer Reihe anderer gesetzlicher Kleinigkeiten verabschiedet hat, nannte ein erfahrener Staatsanwalt vor kurzem im Sportausschuss eine „Schaufel ohne Blatt“, eine „Schubkarre ohne Rad“, ein nutzloses Instrument der Rechtspflege mithin.
Selbst die treibenden Kräfte hinter diesem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport“ verhehlen ihre Unzufriedenheit nicht. Noch Anfang der Woche, als der Radprofi Jörg Jaksche mit seinem Geständnis die öffentliche Empörung und das Entsetzen über Manipulationen im Sport verschärft hatte, versuchten führende Sportpolitiker der Sozialdemokraten, die abschließende Lesung des Gesetzes von der Tagesordnung zu nehmen. Zu schwach erscheint ihnen die Regelung, für die sie nun doch mit der Koalition im Bundestag stimmten.
Eine zu schwache Regelung
In der Tat kann von einem Anti-Doping-Gesetz keine Rede sein, denn Handel mit Doping-Mitteln und deren Verabreichung sind schon lange verboten. Nun werden die Strafen erhöht, die Ermittlungsmöglichkeiten ausgeweitet bis zum Einsatz des Bundeskriminalamtes und zur Überwachung von Telefon und E-Mail. Doch der dopende Athlet selbst wird erst straffällig, wenn er verbotene Mittel „in nicht geringer Menge zu Doping-Zwecken im Sport“ besitzt, „sofern das Doping bei Menschen erfolgen soll“, wie der Kernsatz des Gesetzes definiert. Andersherum: Doper dürfen völlig straffrei über Aufputschmittel und Muskelhormon, Blutverdicker und Wachstumshormon in Monatsration verfügen – was das Strafrecht angeht.
Die große Mehrheit der deutschen Sportverbände bestand darauf, die Hoheit über die Verhängung von Sanktionen gegen Athleten zu behalten. Eine Strafe von Gesetzes wegen, so argumentieren sie, würde ihr schnelles und effektives Sportrecht unterminieren. Bundesinnenminister Schäuble hat das respektiert. Erst die Parlamentarier sorgten dafür, dass der Besitz von mehr als geringen Mengen Doping-Mitteln unter Strafe gestellt wurde. Aber auf den Tatbestand des Betrugs im Sport konnten auch sie sich nicht einigen.
Ein wirkliches Anti-Doping-Gesetz wird in der Diskussion bleiben.
Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dnnerstag, dem 5. Juli 2007