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01
05
2017

-Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Doping-Kommentar: Der olympische Sport am Wendepunkt ©Horst Milde

Doping-Kommentar: Der olympische Sport am Wendepunkt – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Das Auffliegen des großen russischen Doping-Systems ist ein Wendepunkt für den olympischen Sport.
 
Dessen ist sich Richard McLaren sicher, der Mann, der in monatelanger Arbeit nachgewiesen hat, dass Verbände, vorgebliche Anti-Doping-Einrichtungen und staatliche Stellen in Russland dafür sorgten, dass über Jahre hinweg mindestens tausend Sportlerinnen und Sportler gedopt wurden und so die Wettbewerbe der Olympischen Spiele von London 2012 und Sotschi 2014, der Universiade von Kasan 2013 und der Leichtathletik-Weltmeisterschaft von Moskau 2013 massiv verfälschten. 

Es hätte nicht zu den skandalösen Vorgängen von Sotschi kommen müssen, wo Laborpersonal und Geheimagenten gemeinsam die vermutlich belastenden Urinproben der russischen Mannschaft stahlen und ersetzten.

Wada und IOC waren gewarnt, taten aber nichts. In welche Richtung der Skandal den Sport nun führt, wollte der Jurist aus Kanada im Sportausschuss des Deutschen Bundestages nicht prognostizieren, dessen Gast er am Mittwoch bei einer der seltenen öffentlichen Anhörungen war. Im Rückblick von einigen Jahren würden wir alle klarer sehen, sagte McLaren.

Seherischer Fähigkeiten bedarf es nicht, um zu erkennen, wohin der Mangel an Konsequenz die Sportorganisationen führt.

Thomas Bach und sein Internationales Olympisches Komitee (IOC) haben mit ihrer Entscheidung, in Rio 2016 trotz allem eine russische Olympiamannschaft zuzulassen, der Kronzeugin Julija Stepanowa aber das Startrecht in den leichtathletischen Laufwettbewerben zu verweigern, ihr Ansehen und das Vertrauen in ihre Integrität mit Schwindsucht infiziert.

Nicht nur bei den Zuschauern grassiert Misstrauen gegenüber Sportorganisationen, Doping-Verfolgern und Athleten. Auch die Spitzensportler selbst sind skeptisch, enttäuscht und wütend gegenüber den Organisationen ihres Sports.

Christophe de Kepper und Alfons Hörmann machten in Berlin deutlich, warum das so ist und wohl auch so bleiben wird. Der eine, Vertreter des IOC, berichtete in enervierender Kleinteiligkeit von der Arbeit zweier Kommissionen, die erst einmal feststellen wollen, ob der McLaren-Bericht überhaupt stimmt.

Der andere, der Präsident des deutschen Sports, versah seine vollmundigen Forderungen nach Konsequenzen mit der profunden Einschränkung: „Wenn das stimmt . . .“

Wer so Zweifel sät, stellt sich und alles, was er vertritt, ins Zwielicht.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 28. April 2017

Michael Reinsch   

author: GRR

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