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Doping-Enthüllungen – Staatsanwalt, übernehmen Sie! Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Das Erste hat Monte Carlo die Stimmung verdorben. Mit seinem Enthüllungsfilm über die russische Leichtathletik, über Doping, Erpressung und Schmiergeld verortet die ARD den Tatort auch am Mittelmeer.
Mindestens Mitwisser, vermutlich sogar Mittäter gehen in der Zentrale des Welt-Leichtathletikverbandes, der IAAF, ein und aus. Und alle wissen: Dieser Krimi war nur Teil einer Serie; Fortsetzung am Wochenende.
Auch Thomas Bach verhagelt das Fernsehprogramm aus der Heimat das Wochenende im Fürstentum. Schließlich will er mit der Reform der Olympischen Spiele das Erbe bestellen, das seine Präsidentschaft hinterlassen soll.
Nun stört also das hässliche, das andere Gesicht des Spitzensports den Glanz von Monte Carlo. Doch überraschend kommt das nicht. Zentral organisiertes Doping mitsamt Ausreisekontrollen, die Manipulation von Proben durch Mitarbeiter und Verantwortliche des offiziellen Doping-Kontrolllabors, Beteiligung von Ärzten und Trainern am Ertrag des Betruges, den Medaillen, Prämien und Antrittsgeldern – alles Teil der jüngsten Sportgeschichte.
Ob Doping nach Staatsplan in der DDR oder Manipulationen im Kontrolllabor Aqua Certosa bei Rom, ob Privatunternehmungen wie Balco in San Francisco oder die Arztpraxis Fuentes in Madrid, ob Universitätsklinik Freiburg oder Radsportteams der Deutschen Telekom und des US Postal Service – überall verbanden sich Skrupellosigkeit und Gier mit der Angreifbarkeit des Systems.
Nicht nur Athleten leben vom Vertrauen ihres Publikums. Auch Doping-Kontrolleure und Sportärzte können offenbar tun und lassen, was sie wollen, sind sie erst einmal Insider.
Im schlimmsten Fall eine Sperre
Nun werden also Ethikkommissionen von IAAF und IOC aktiv, vielleicht auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Das klingt angesichts der Vorwürfe lächerlich. Im schlimmsten Fall haben Athleten Sperren zu befürchten und deren Komplizen die Suspendierung von ihren Ämtern. Treten sie zurück, sind nicht nur Sanktionen hinfällig, sondern sogar Ermittlungen. Sie haben, ganz einfach, den Wirkungsbereich des Sportrechts verlassen.
Allein staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und ordentliche Gerichtsbarkeit wirken über den Tellerrand des Sports hinaus.
Denn es geht nicht nur darum, Botschafter im Trainingsanzug vor Ansehensverlust zu bewahren. Es geht auch nicht vor allem darum, Geldmaschinen, in die sich internationale Sportverbände und ihre Veranstaltungen verwandelt haben, wie geschmiert schnurren zu lassen.
Die Dimensionen, die Sport auf der einen, Doping und Manipulationen auf der anderen Seite angenommen haben, machen es notwendig, die Integrität des einen vor dem anderen zu schützen.
Staatsanwalt, übernehmen Sie!
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 5. Dezember 2014
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