Wilson Erupe Loyanae aus Kenia gewann in der Tat etwas überraschend am letzten Sonntag den Dong-A Seoul Marathon mit neuem Streckenrekord von 2:05:37. ©Veranstalter
Dong-A Seoul Marathon: Ein großartiges Finale – Die schnellsten 7195 m (ab 35 km) in der Marathongeschichte – Helmut Winter berichtet
Wilson Erupe Loyanae aus Kenia gewann in der Tat etwas überraschend am letzten Sonntag den Dong-A Seoul Marathon mit neuem Streckenrekord von 2:05:37. Auch wenn diese Zeit in der aktuellen Jahresweltbestenliste nur Platz 6 bedeutet, ist dies ein hervorragendes Ergebnis und belegt das hohe Niveau der Veranstaltung in der südkoreanischen Hauptstadt.
Da mit James Kwambai (2:06:03), Eliud Kiptanui (2:06:44) und Philip Sanga (2:06:51) weitere drei Läufer unter 2:07 blieben, reduzierte sich das Zehnermittel dieses Laufs auf 2:06:54. Damit verbesserte man sich im weltweiten Ranking von Platz 16 auf 11. Weiterhin liefen 8 Läufer unter 2:09 und 17 unter 2:12, also auch in der Breite ein exzellentes Ergebnis.
Viel beeindruckender allerdings als diese Zeiten im Ziel und die Leistungsentwicklung des (noch) wenig bekannten Siegers (im Mai 2011 gewann er in 2:13:00 in Mombasa, im Oktober 2011 in 2:09:23 im koreanischen Geongju) ist das Finale, das Erupe auf das Pflaster von Seoul legte. Schon ein Blick auf die Zwischenzeiten verrät, dass da etwas Einmaliges über die Bühne ging. Dabei war die erste Hälfte gut, aber nicht spektakulär.
Und als nach Moses Kigen bei 30 km mit Dibaba Tola der letzte Tempomacher aus dem Rennen ging (die beiden liefen im Januar Topzeiten in Dubai), entwickelte sich das Rennen fast wie erwartet. Das hohe Tempo Richtung Kursrekord bis 30 km in sehr schnellen 1:29:43 hatte Kraft gekostet und die Spitzengruppe wurde deutlich langsamer. Nach 1:45:14 erreichte man 35 km, d.h. 15:31 für die letzten 5 km. In der Regel enden solche Rennverläufe im Ziel mit Zeiten über 2:07.
In Seoul war das allerdings völlig anders, denn nach 35 km zog das Tempo wieder an. Und wie! Allein am Beispiel von Eliud Kiptanui, der nach langer Zeit einen Marathon wieder sehr schnell lief und nach 2:06:44 als Dritter ins Ziel kam, lässt sich veranschaulichen, welche Galavorstellung der spätere Sieger auf den letzten 7195 m bot. Kiptanui lief diesen Abschnitt in genau 21:30, das entspricht einem Schnitt von 2:59 pro km! Zur Einordnung dieser Zeit sei angemerkt, dass Patrick Makau beim Weltrekord in Berlin im September 2011 mit 21:22 nur unwesentlich schneller war (als Eliud!).
Und diesen Eliud Kiptanui ließen die beiden Führenden, Erupe und Kwambai, nach 37 km fast stehen, in dem sie den folgenden km in sensationellen 2:38 zurücklegten. Nach etwa 38,8 km wurde das auch Kwambai zu schnell und Erupe setzte sich ab. In glänzenden 1:59:25 passierte er die 40km nach 14:11für die letzten 5 km. Nur Moses Mosop auf der umstrittenen Strecke in Boston war dort 2011 mit 14:07 in diesem Segment jemals schneller. Doch das war noch nicht das Ende des ungestümen Finales. Mit zwei km-Abschnitten von 2:49 stürmte er auf der Laufbahn im Olympiastadion ins Ziel und hatte am Ende den Schlussabschnitt in fast unfassbaren 20:23 zurückgelegt, Makau beim aktuellen Weltrekord war dort eine Minute langsamer.
Nach vorliegenden statistischen Daten hat in der gesamten Marathonhistorie kein Läufer diesen Schlusspart schneller zurückgelegt. Weder Mutai (20:27) oder Mosop (20:25) in Boston 2011 noch Da Costa (20:50) bei seinem einmaligen Finale zum Weltrekord in Berlin 1998. Nur auf dem Schlussstück ab 40 km in 6:12 waren Geoffrey Mutai (6:05) in Eindhoven sowie Da Costa, Makau und Kipruto (6:10) jemals etwas schneller.
Angesichts dieser Leistungen eines „Nobodys" kann man nur ins Staunen geraten und warten, was der 26jährige Kenianer in künftigen Auftritten zu leisten vermag. Sprünge von jeweils fast 4 Minuten in den letzten Marathons dürften kaum noch möglich sein. Dazu merkte der glückliche Sieger von Seoul an: "Like any other marathoner, I want to run in the big city races like London, Boston and New York but I understand it will be one step at a time. Slowly we will reach there".
Eigentlich ist er in der Weltklasse spätestens seit Sonntag schon angekommen. Und freuen wir uns auf eine weitere Bereicherung der Marathonszene, die auch im Jahr 2012 wieder alle Vorjahre in den Schatten stellt.
Die schnellsten 7195 m (ab 35 km) in der Marathongeschichte
|
Name |
|
Zeit |
Ort |
1. |
Wilson Erupe Loyanae |
KEN |
20:23 |
Seoul 2012 |
2. |
Moses Mosop |
KEN |
20:25 |
Boston 2011 |
3. |
Geoffrey Mutai |
KEN |
20:27 |
Boston 2011 |
4. |
Haile Gebrselassie |
ETH |
20:46 |
Berlin 2007 |
5. |
Geoffrey Mutai |
KEN |
20:48 |
New York City 2011 |
6. |
Vincent Kipruto |
KEN |
20:49 |
Paris 2009 |
7. |
Ronaldo da Costa |
BRA |
20:50 |
Berlin 1998 |
8. |
Haile Gebrselassie |
ETH |
20:54 |
Berlin 2008 |
9. |
Tsegaye Kebede |
ETH |
20:54 |
London 2010 |
10. |
Paul Tergat |
KEN |
20:55 |
Berlin 2003 |
Dank an Ken Nakamura für die Überlassung statistischer Daten.
Helmut Winter
Weitere Beiträge von Helmut Winter:
Sevilla Marathon: Die Elite blieb zu Hause – Helmut Winter berichtet
Auch Martin Lel hofft auch Olympiastart in London – Helmut Winter berichtet
Die Favoriten fahren nach London – Die US Marathon-Trials in Houston – Helmut Winter berichtet
Die Tempojagden gehen auch 2012 weiter: Streckenrekord in Xiamen – Helmut Winter berichtet