DM 10-km 2022 - Eva Dieterich (272) - Elena-Burkard (735) und Sara Benfares (530) - Foto: Wilfried Raatz
Doch kein Einzelfall – Eine Familie gerät in den Doping-Fokus. Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Wird der Dopingfall Benfares komplizierter, oder liegt die Lösung auf der Hand?
Wie die 22 Jahre alte Läuferin Sara Benfares ist nun auch ihre drei Jahre jüngere Schwester Sofia bei einer Kontrolle aufgefallen. Ihr ist der Einsatz von Epo nachgewiesen worden. Dies bestätigte die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) am Donnerstag.
Damit scheint, so formuliert es der Vorsitzende ihres Vereins LC Rehlingen im Saarland, Thomas Klein, das Kartenhaus einer dramatischen Krankengeschichte zusammenzufallen.
Von „Knochenkrebs“ bei seiner Tochter Sara hatte Samir Benfares im Januar gegenüber dem französischen Portal „Spe15“ berichtet. Die Diagnose im August oder September 2023, je nach Gesprächspartner, habe eine sofortige Chemotherapie nötig gemacht, die für so alarmierende Blutwerte – der Hämatokritwert habe bei 27 Prozent gelegen – und einen so dramatischen Rückgang der Muskulatur sorgte, dass der deutsche Arzt sofort Epo und Testosteron habe einsetzen müssen.
Wegen der Eile sei der Antrag auf eine medizinische Ausnahmegenehmigung nicht möglich gewesen; der NADA in Bonn habe die Tochter bei drei Besuchen ihre Krankenakte vorgelegt. Krebs in den Knochen, so deutete es Vater Benfares gegenüber dem französischen Portal an, erkläre auch, dass sie zehn Ermüdungsbrüche innerhalb eines Jahres gehabt habe.
Im Dezember, wenige Wochen nach der vermeintlich so ruinösen Chemotherapie, nahm Sara Benfares an dem überaus herausfordernden Straßenlauf „Escalade de Suisse“ in Genf teil und wurde Sechste. Im September jedenfalls wurde Sara Benfares getestet. Im Januar, kurz bevor das zweifach positive Ergebnis publik wurde, zeigte sich Sara Benfares auf Fotos im Netz an Krücken und klagte darüber, wie schlecht es ihr gehe.
Die NADA hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Dies ist nun auch im Fall von Sofia Benfares geschehen. Routinemäßig werden alle der NADA vorliegenden Proben der beiden Läuferinnen analysiert. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen scheinen sich schwierig zu gestalten, da das Saarland nicht über eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Doping verfügt und die Familie Benfares offenbar nicht über einen Wohnsitz in Deutschland. Sara und Sofia Benfares sollen in Saarbrücken Pharmazie studieren.
Die drei laufenden Töchter der Familie Benfares Sara, Sofia und Selma schlossen sich laut dem Portal leichtathletik.de bereits 2016 dem LC Rehlingen an. Zum Bruch mit dem französischen Verband kam es fünf Jahre später, als Sara zwar dem erweiterten Kader Frankreichs für die Olympischen Spiele von Tokio angehörte, aber nicht für die Spiele 2021 nominiert wurde.
Ihr Vater Samir Benfares war selbst 1500-Meter-Läufer mit 15 Einsätzen in der französischen Nationalmannschaft; bei der Weltmeisterschaft von Göteborg 1995 erreichte er das Halbfinale. Gegenüber französischen Zeitungen sagte er 2021, seine Tochter Sara sei viel ehrgeiziger, viel härter als er und habe sich entschieden, statt für Frankreich für das Heimatland ihrer Mutter zu starten.
Sara wurde 2022 deutsche Meisterin im Straßenlauf über 10 Kilometer und gehörte bei der Weltmeisterschaft von Eugene (Oregon) der deutschen Mannschaft an. Ihr Ziel war die Teilnahme an den Olympischen Spielen von Paris in diesem Sommer. Sofia wurde im vergangenen Jahr im deutschen Trikot Dritte bei der U-20-Europameisterschaft in Jerusalem. Beiden drohen bis zu vier Jahre Sperre.
Béatrice Benfares war unter ihrem Mädchennamen Röh ebenfalls Mittelstreckenläuferin; sie startete für Bayer Leverkusen. Sie und ihr Mann lernten sich im Trainingscamp Font-Romeu in den Pyrenäen kennen. Sie ist Deutschlehrerin. Lebensmittelpunkt der Familie soll der Ort Thomery bei Fontainebleau in der Nähe von Paris sein. In Gesprächen mit französischen Zeitungen berichtete der 53 Jahre alte Samir Benfares, der als Bauingenieur arbeitet, er habe seinen Töchtern Trainingslager in Iten im kenianischen Hochland sowie in Mexiko finanziert. Er trainiert die Mädchen.
Samir Benfares ist offenbar bis heute Vorsitzender des CA Montreuil, für den seine Töchter früher starteten. Die Saarbrücker Zeitung entdeckte auf Facebook ein Bild, das Sara Benfares während der European Games 2022 in München zeigt, bei denen sie im Endlauf über 5000 Meter in 15:20,94 Minuten Saarlandrekord lief. Auf dem Bild posiert sie mit Carol und Daniel Santa aus Rumänien, Vater und Sohn, die sich als Trainer und Athleten-Manager betätigen. Beide sollen in der Szene keinen guten Ruf haben. Sie tragen Vereinskleidung von Monteuil.
Noch vor zehn Tagen hatte der saarländilsche Sportminister Reinhold Jost (SPD) im Zusammenhang mit Sara Benfares von einem Einzelfall gesprochen, der „tragisch, aber auch sehr ärgerlich“ sei. Zwar gelte die Unschuldsvermutung, die Umstände regten jedoch zum Nachdenken an. Er sei „sehr, sehr dankbar ob des starken Zeichens“ des LC Rehlingen, des saarländischen Leichtathletikverbands und des Landessportverbands, die allesamt ihre Förderung der Athletin beendet hätten.
Am Mittwoch trennte sich der LC Rehlingen von beiden Benfares-Schwestern, die noch dem Verein angehörten.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 29. Februar 2024