Die Eingangstür zur DLV-Zentrale in Darmstadt - Symbolfoto - Foto: © Horst Milde
DLV baut weiteren Service für Läufer ab – GRR-Vorsitzender Horst Milde nennt die Streichung der Mannschafts-Bestenlisten im Straßenlaufbereich durch den DLV „beschämend“ und „ein weiterer Schritt in die falsche Richtung“ – Ludwig Reiser berichtet
Offenbar klammheimlich und erst durch intensive Nachfragen von laufaffinen Vereinen ließ der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) vor wenigen Tagen die „Katze aus dem Sack“ und sorgt damit erneut geharnischten Zorn vieler im Laufsport verankerten Vereine und Trainer.
Was ist geschehen?
Der für die Bestenlisten zuständige DLV-Bundesausschuss Wettkampforganisation hatte bereits im Herbst 2016 auf Antrag des DLV-Statistikers einstimmig entschieden, dass ab 2017 keine DLV-Bestenlisten in den Straßenlauf-Mannschaftswertungen mehr geführt werden.
Dies betrifft die Wettbewerbe 10 km, Halbmarathon, Marathon und 100 km.
Dabei hat es der DLV den Landesverbänden überlassen, ob sie weiterhin auf ihrer regionalen Ebene Bestenlisten führen oder diese ebenfalls einstellen. Nach Aussage von Eberhard Vollmer aus dem Referat Öffentlichkeitsarbeit habe 2017 nur noch die Hälfte der Landesverbände eine derartige Liste geführt, die ohnehin nur noch ein Spiegelbild der Meisterschaften sei.
„Das ist für einen großen Fachverband wie den DLV ein beschämender Beschluss. Dieser trifft viele laufaffine Vereine und die vorrangig ehrenamtlich arbeitenden Trainer und Übungsleiter ins Mark und stellt die Arbeit auf breiter Basis in Frage“, so Horst Milde als Vorsitzender von German Road Races als die "Stimme des Laufsports".
„Es sollte in unserer hochtechnisierten Zeit durchaus machbar sein, Daten, selbst aus unterschiedlichen System so zusammenzuführen, dass eine Rangliste erstellt werden kann. Gerade für die Basis erscheint mir eine derartige Bestenliste eine Möglichkeit der Darstellung eigener Leistungsstärke im Verein zu sein und ist zugleich Motivation, eine größere Gruppe für einen 10 km-, Halbmarathon- oder Marathonlauf vorzubereiten und letztlich auch an den Start zu bringen. Mir scheint, dass damit der DLV weitere Serviceleistungen im Laufsport einstellt und seiner Aufgabe, den Laufsport nicht nur in der Spitze, sondern in seiner Gänze zu fördern, nicht mehr gerecht wird. Und dies vor dem Hintergrund, dass der DLV mit der Einführung der Laufmaut eine stärkere Förderung des Laufsports versprochen hat und nun eher das Gegenteil der Fall ist. Für mich ist dies ein weiterer Schritt in die falsche Richtung!“
Zugleich befürchtet er als Vorsitzender der Interessensgemeinschaft der Laufveranstalter einen weiteren Rückgang der Teilnehmerzahlen bei den klassischen Strecken, wie es die 10 km, der Halbmarathon oder der Marathon nun einmal ist. Nach den jüngsten Erhebungen sind 2017 auf den klassischen Distanzen leichte Rückgänge zu verzeichnen.
„Das spüren unsere Veranstalter in der Kasse und gefährden damit den Fortbestand unserer breit aufgestellten Veranstaltungskultur. Als langjähriger Abteilungsleiter und Volkslaufwart in einem Landesverband war es immer mein Bestreben, die klassischen Strecken zu fördern und dafür auch die passenden Anreize zu geben. Jeder Verein freut sich, wenn er Mannschaften melden kann. Gerade für die dritten Läufer einer Mannschaft ist es wichtig, dass sie sich mit ihrer Leistung als Mannschaft in Bestenlisten wiederfinden. Durch die vom DLV verabschiedeten Mannschafts-Bestenlisten erhalten die Teamwettbewerbe eine geringere Wertschätzung und forcieren die Entwicklung zu mehr Individualität und eine Abkehr vom fachlich fundierten Vereinssport!“
"Die Mannschaftswertungen und Staffelwettbewerbe sind das "Salz in der Suppe" der Individualsportart Leichtathletik"!
Milde malt in diesem Zusammenhang schon ein weiteres Horrorszenarium für die Zukunft: „Erst sind es die Bestenlisten, dann werden es die Mannschaftswertungen bei Meisterschaften und letztlich auch die Staffeln sein, die in einer glattgebürsteten Leichtathletik nicht mehr zeitgemäß sind!“
Inzwischen haben sich bereits zahlreiche dem Laufsport verschriebene Vereine bei German Road Races gemeldet und ihren Ärger, auch über die mangelhafte Informationspolitik, zum Ausdruck gebracht.
„In den Gesprächen ist natürlich auch Unverständnis geäußert worden, dass es immer noch keine schlüssige Regelung für ein Startrecht für Nicht-Bundesbürger gibt. Viele Integrationsprojekte der Vereine erhalten inzwischen höchste Wertschätzung in unserer Gesellschaft, nur scheint der Verband mit einer tragfähigen Lösung überfordert!“
Milde räumt ein, dass natürlich derartige Fragen beim Führen einer Bestenliste ebenso zu klären sind wie auch eine Überarbeitung der Ausschreibungsmodalitäten, die eine Mannschaftswertung auf offiziell vermessenen Strecken grundsätzlich vorsehen sollten. Für German Road Races erklärte er in diesem Zusammenhang, dass man prüfen werde, ob nicht unter GRR-Federführung eine deutsche Bestenliste erstellt werden könne.
„Meines Erachtens kann man Veranstalter nicht nur zur Kasse bitten wie dies mit der Neustrukturierung der Abgabenordnung geschehen ist, sondern man muss auch erkennbare Gegenleistungen bringen. Und als eine dieser Gegenleistung zur Förderung des Laufsports sollte für den ambitionierten Freizeitbereich das Führen von Bestenlisten sein. Unsere leistungsorientierte Gesellschaft basiert auf dem Wettbewerbsgedanken, das gilt für die Wirtschaft, für die Kultur wie auch für den Sport!“
Ludwig Reiser