Christa Vahlensieck 2:34:48 am 10. September 1977 ©Sportmuseum Berlin - MARATHONEUM
Die zehn Berliner Marathon-Weltrekorde
Zehn Weltrekorde wurden beim BMW Berlin-Marathon bisher aufgestellt – mehr als bei jedem anderen Marathon in der Geschichte der Leichtathletik.
Von Christa Vahlensieck 1977 bis Dennis Kimetto 2014 reicht die aktuelle Berliner Rekordliste. Offizielle Weltrekorde im Marathon gibt es aber erst seit 2003, davor sprach man von „Weltbestzeiten".
Bevor am 24. September die nächste Berliner Weltrekordjagd beginnt, lesen Sie hier einen Rückblick zu den zehn Bestzeiten.
Nummer 1 – Christa Vahlensieck: 2:34:48 am 10. September 1977. Drei Jahre nach der Premiere fanden im Rahmen des Berlin-Marathons, dessen Strecke damals noch am Grunewald entlang führte, auch die Deutschen Meisterschaften über die 42,195-km-Strecke statt.
Morgens um 9 Uhr wurde zunächst der 4. Berlin-Marathon gestartet, bei dem es zum ersten und einzigen Mal auf der Grunewald-Strecke einen ausländischen Sieger gab: Der Brite Norman Wilson gewann in beachtlichen 2:16:20,7 Stunden. Um 14.45 (Männer) und 16.15 Uhr (Frauen) folgten dann auf gleicher Strecke mit Start und Ziel im Mommsenstadion die Meisterschaftsrennen.
Christa Vahlensieck (Barmer TV Wuppertal) war damals nicht nur die beste deutsche Marathonläuferin sondern auch die schnellste der Welt.
1975 hatte sie in Dülmen mit 2:40:16 eine Weltbestzeit aufgestellt, die sie nun in Berlin gleich um über fünf Minuten unterbot, auf 2:34:48 Stunden. „Als sie ins Ziel lief, war sie die Deutsche Meisterin – aber der Weltrekord wurde von uns zunächst nicht realisiert", erinnert sich Horst Milde, der Initiator und langjährige Chef des Rennens.
Nummer 2 – Ronaldo da Costa: 2:06:05 am 20. September 1998.
Nichts deutete vor dem 25. Berlin-Marathon 1998 darauf hin, dass das Rennen von einem Weltrekord gekrönt werden könnte. Doch für dieses Jubiläums-Highlight sorgte dann Ronaldo da Costa. Der Brasilianer lief in Berlin das Rennen seines Lebens. Bald nach der wenig rekordverdächtigen Halbmarathonzeit von 64:42 Minuten verabschiedete sich Ronaldo da Costa von den restlichen Konkurrenten.
Die Kenianer nahmen den frühen Vorstoß des Brasilianers nicht ernst und merkten viel zu spät, dass dieser Ronaldo da Costa wesentlich stärker war als gedacht. Der Brasilianer lief in der zweiten Hälfte des Rennens ein Tempo, das man in dieser Phase nie zuvor bei einem Marathonlauf gesehen hatte. Deutlich unter 3:00 Minuten absolvierte er die einzelnen Kilometerabschnitte. Im Ziel zeigten die Uhren 2:06:05 Stunden, und damit war die zehn Jahre alte Weltbestzeit des Äthiopiers Belayneh Dinsamo um genau eine dreiviertel Minute unterboten.
Nach einer ersten Hälfte von 64:42 Minuten, war er den zweiten Abschnitt in sensationellen 61:23 Stunden gelaufen. Ronaldo da Costa war der erste Läufer, der den Marathon in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 20 km/h rannte und der im Schnitt jeden Kilometer unter 3:00 Minuten absolvierte.
Nummer 3 – Tegla Loroupe: 2:20:43 am 26. September 1999.
Die Kenianerin war Ende der 90er Jahre die schnellste der Welt über die klassische Distanz. Mit 2:20:47 Stunden hatte sie in Rotterdam 1998 den Weltrekord aufgestellt. Es war nun ihr erklärtes Ziel, als erste Frau unter 2:20 Stunden zu laufen. Mit der bezeichnenden Startnummer 219 ging die damals 26-Jährige ins Rennen – und begann viel zu schnell.
Nach 32:32 Minuten war sie bei Kilometer zehn, eine Zwischenzeit, die gut ist für Endzeiten im Bereich von 2:17 Stunden. Gut im Plan war Tegla Loroupe dann zur Hälfte der Strecke, die in 69:27 Minuten gelaufen war. Muskelprobleme ließen sie jedoch auf den nächsten Kilometern etwas langsamer werden. „Ich wusste, dass meine Zwischenzeiten außerhalb des Bereiches meines Weltrekordes lagen. Aber das Publikum war an der Strecke wirklich toll. Und da ich mich noch relativ gut fühlte, wollte ich diesem Publikum unbedingt einen Weltrekord bringen. Also habe ich alles auf eine Karte gesetzt."
Es war am Ende haarscharf. In 2:20:43 Stunden unterbot Tegla Loroupe ihren eigenen Weltrekord um vier Sekunden. Tegla Loroupe, die 1994 als erste afrikanische Läuferin den New York-Marathon gewonnen hatte und damit in Kenia zu einem Star geworden war, war die Vorreiterin für Kenias Erfolge im Frauen-Laufsport.
Nummer 4 – Naoko Takahashi: 2:19:46 am 30. September 2001.
Naoko Takahashi schrieb beim Berlin-Marathon ein Kapitel Leichtathletik-Geschichte. Die damals 29-jährige Olympiasiegerin aus Japan lief als erste Frau die klassische Distanz von 42,195 km in unter 2:20 Stunden. Nach 2:19:46 Stunden rannte sie auf der Tauentzienstraße ins Ziel, und in Japan feierten die Menschen ihre Nationalheldin. Fast zwei Jahrzehnte hatten die besten Langstreckenläuferinnen der Welt vergeblich versucht, die 2:20-Stunden-Barriere zu unterbieten.
Angefangen bei Ingrid Kristiansen (Norwegen) und Joan Benoit-Samuelson (USA) in den 80er Jahren über die Berlinerin Uta Pippig bis hin zu Tegla Loroupe (Kenia) – sie alle scheiterten an der Marathon-Barriere. In Berlin fiel nun zwölf Jahre nach der Mauer auch die Marathon-Mauer im Frauen-Langstreckenlauf. Nach 69:50 Minuten hatte Takahashi die erste Hälfte absolviert. Und zeitweise, besonders zwischen Kilometer 25 und 30, schien sogar ein Zeit von unter 2:19 Stunden möglich. „Ich bin enttäuscht, dass sie nicht 2:16 Stunden gelaufen ist", sagte ihr Trainer Yoshio Koide später. Doch einen echten Grund enttäuscht zu sein, gab es natürlich nicht. Erst auf den letzten Kilometern war Naoko Takahashi langsamer geworden.
Als Naoko Takahashi ins Ziel lief, guckte ihr fast jeder zweite Japaner im Fernsehen zu. In ihrer Heimat saßen über 53 Millionen Landsleute am Fernseher. Der übertragende japanische TV-Sender hatte eine unglaubliche Einschaltquote von 53,5 Prozent.
Nummer 5 – Paul Tergat: 2:04:55 am 28. September 2003.
Paul Tergat krönte das Jubiläum beim 30. Berlin-Marathon mit einer sporthistorischen Leistung. Angefeuert von einem begeisterten Millionenpublikum am Straßenrand, rannte der Kenianer den fünften Weltrekord in der Geschichte des Rennens: 2:04:55 Stunden. Als erster Marathonläufer blieb Paul Tergat damit unter 2:05 Stunden – eine weitere Marathon-Barriere war in Berlin gefallen.
Der Kenianer war – und das war die eigentliche Überraschung des Rennens – nicht alleine: Auch sein Trainingspartner Sammy Korir knackte diese Schallmauer des Marathons. Der Kenianer war nur eine Sekunde langsamer. Am 17. Juni 1969 geboren, lief Paul Tergat ausgerechnet auf der Straße des 17. Juni zu seinem größten Triumph. Dass Paul Tergat Weltrekord lief, war angesichts der idealen Witterungsbedingungen und seines Leistungsvermögens über die kürzeren Strecken keine Überraschung. So sensationell die erste Marathonzeit unter 2:05 Stunden auch wirkte, einem Paul Tergat war sie zuzutrauen.
Bei seinem Berliner Weltrekordrennen profitierte der 34-jährige Kenianer auch von der perfekten Tempoarbeit seiner Trainingskollegen. Zunächst hatten die Hasen zwar Schwierigkeiten, die richtige Pace zu finden, doch mit einer Halbmarathon-Durchgangszeit von 63:01 Minuten war die Führungsgruppe genau im Plan. Danach legten die Kenianer noch zu und liefen 1000-m-Zwischenzeiten von teilweise deutlich unter 3:00 Minuten.
Nummer 6 – Haile Gebrselassie: 2:04:26 am 30. September 2007.
Der 34-jährige Äthiopier stürmte nach 2:04:26 Stunden ins Ziel am Brandenburger Tor und stellte damit den sechsten Weltrekord auf in der Geschichte des Rennens auf. „Dieser Erfolg ist etwas sehr spezielles für mich – es ist schließlich der Marathon-Weltrekord! Das ist etwas anderes als die Bahnstrecken über 5.000 oder 10.000 Meter, denn es ist die Königsdisziplin des Langstreckenlaufes", sagte Haile Gebrselassie.
Geführt von Tempomachern lag Haile Gebrselassie bei sehr guten Wetterbedingungen praktisch durchweg auf Weltrekord-Kurs. Die erste Hälfte absolvierte er in 62:29 Minuten. Die Konkurrenz hatte dieses Tempo von Beginn an nicht angenommen – Haile lief sein eigenes Rennen durch Berlin. Bis zur 30-km-Marke hielten zwei der ursprünglich fünf Pacemaker durch. Dann gingen Eshetu Wondimu (Äthiopien) und Rodgers Rop (Kenia), der in diesem Jahr den Hamburg-Marathon in 2:07:32 Stunden gewonnen hatte und auch schon in New York und Boston triumphiert hatte, aus dem Rennen.
Sie hatten gute Arbeit geleistet und Haile Gebrselassie nach 1:28:54 Stunden durch die 30-km-Marke geführt.
Nummer 7 – Haile Gebrselassie: 2:03:59 am 28. September 2008.
Haile Gebrselassie war einmal mehr der umjubelte Superstar: Vor einem Millionenpublikum brach der Äthiopier beim 35. Berlin-Marathon seinen eigenen, ein Jahr zuvor an gleicher Stelle aufgestellten Weltrekord um 27 Sekunden und verbesserte die Marke auf 2:03:59. Damit erreichte er auf die Sekunde genau sein Ziel, als erster Läufer über den Marathon unter 2:04 Stunden zu laufen. „Das war heute fantastisch, alles war perfekt – Pacemaker, Wetter und Zuschauer. So einen Tag erwischt man wahrscheinlich nur einmal im Leben. Aber auch wenn ich am Ende vielleicht noch recht frisch aussah – der letzte Kilometer war sehr hart", sagte Haile Gebrselassie.
Nebenbei wurde er der erste Läufer in der Geschichte des Rennens, dem ein Hattrick gelang. Ein Jahr später baute er diese Serie sogar noch auf vier Erfolge in Serie aus. Eines Tages, war sich Haile Gebrselassie schon damals sicher, wird auch die Zwei-Stunden-Marke fallen. „Ich glaube, dass das noch mindestens 20 Jahre dauern wird. Aber ich bin mir sicher, dass es passieren wird."
Nummer 8 – Patrick Makau: 2:03:38 am 25. September 2011.
Von den sieben Männer-Weltrekorden, die in Berlin bisher aufgestellt wurden, hat jener von Patrick Makau einen besonderen Stellenwert – auch wenn der Kenianer nicht wie Paul Tergat eine Zeit-Barriere durchbrach. Das liegt daran, dass Patrick Makau auf jenen Mann traf, der am Sonntagmorgen des 25. Septembers noch als aktueller Weltrekordler ins Rennen ging: Äthiopiens Superstar Haile Gebrselassie.
Fast zwei Jahrzehnte lang war Gebrselassie der große Gegner der kenianischen Weltklasseläufer. Und fast immer war der Äthiopier dabei vorne. Jetzt aber schaffte es der 26-jährige Patrick Makau, Gebrselassie im direkten Duell nicht nur hinter sich zu lassen sondern ihm auch auf spektakuläre Art und Weise den Weltrekord zu entreißen. Makau brachte den prestigeträchtigsten Langstrecken-Rekord zurück nach Kenia. Nach 2:03:38 Stunden war er im Ziel und hatte damit die Zeit von Gebrselassie, der 2008 in Berlin 2:03:59 gelaufen war, um 21 Sekunden unterboten.
Kurz vor der 27-km-Marke hatte Patrick Makau den Äthiopier überholt, der dann unmittelbar hinter ihm lief. Dann rannte der Kenianer bei hohem Tempo plötzlich scharf nach rechts und dann wieder scharf nach links über die komplette Breite der Straße. Kurz darauf zog er das Tempo an, sprintete davon und lief den folgenden Kilometer in 2:47 Minuten.
„Das Zickzacklaufen gehörte zu meiner Taktik, ich wollte Haile verwirren. Ich hatte viel Energie und wollte ihn müde machen. Als ich mich umschaute, war Haile nicht mehr da", erzählte Patrick Makau, der dann zum Weltrekord stürmte und in Berlin jeden 5-km-Abschnitt des Rennens unter 15:00 Minuten lief.
Nummer 9 – Wilson Kipsang: 2:03:23 am 29. September 2013.
Wilson Kipsang wurde in Berlin zum Weltrekordler Nummer neun. Der Kenianer rannte beim 40. Berlin-Marathon 2:03:23 Stunden und setzte eine bemerkenswerte Serie fort: Seit dem 25. Berlin-Marathon wurde bei jedem Jubiläumsrennen der Männer-Weltrekord gebrochen! 1998 war es der Brasilianer Ronaldo da Costa, fünf Jahre später folgte Paul Tergat, beim 35. Rennen lief Haile Gebrselassie Weltrekord und nun Wilson Kipsang.
Der Kenianer unterbot die alte Marke, die sein Landsmann Patrick Makau vor zwei Jahren in Berlin gelaufen war (2:03:38), um 15 Sekunden. Die Halbmarathon-Zeit der Spitzengruppe lag mit 61:32 Minuten genau im Plan. Doch in der Folge verlor die Gruppe etwas Zeit im Rennen um den Weltrekord. Es lag dann an Wilson Kipsang zu reagieren – und das tat er. Kurz nach der 35-km-Marke trat der zweifache Frankfurt-Marathon-Sieger, der 2011 am Main den Weltrekord um lediglich vier Sekunden verpasst hatte, an und machte Sekunde um Sekunde gut.
Mit zwei superschnellen letzten Kilometerabschnitten – Kipsang lief 2:48 und 2:53 Minuten – rannte er zum größten Triumph seiner Karriere und in 2:03:23 durch das Ziel. „Für mich ist ein Traum wahr geworden", sagte Wilson Kipsang.
Nummer 10 – Dennis Kimetto: 2:02:57 am 28. September 2014.
Dennis Kimetto durchbrach in Berlin die nächste Zeitbarriere über die klassische Distanz. Der 30-jährige Kenianer stürmte in der Weltrekordzeit von 2:02:57 Stunden ins Ziel am Brandenburger Tor und erzielte damit die erste Zeit unter 2:03 Stunden. Es war Weltrekord Nummer 10.
Auch der zweitplatzierte Emmanuel Mutai (Kenia) blieb mit 2:03:13 noch zehn Sekunden unter der bisherigen Bestzeit von Wilson Kipsang. Nachdem die Halbmarathonmarke nach 61:45 Minuten erreicht worden war, leisteten die beiden kenianischen Tempomacher Wilfred Kirwa und Geoffrey Ronoh noch bis 30 km Führungsarbeit. Kurz nach Kilometer 34 fiel dann der kenianische Halbmarathon-Weltmeister Geoffrey Kamworor zurück, so dass sich an der Spitze ein Duell zwischen Kimetto und Mutai entwickelte. Die beiden taktierten nicht sondern liefen weiter volles Tempo, so dass eine Zeit von unter 2:03 Stunden möglich wurde.
Vier Kilometer vor dem Ziel löste sich dann schließlich Kimetto von Mutai. Es gab keine gravierende Tempoverschärfung, aber Mutai konnte nicht mehr ganz folgen.
„Ich war zuversichtlich bezüglich des Weltrekordes – vor dem Rennen und auch während des Rennens", sagte Dennis Kimetto, der einen Kilometer-Durchschnitt von genau 2:54,83 Minuten erreichte und ebenso wie Emmanuel Mutai jeden 5-km-Abschnitt unter 15:00 Minuten lief.