Training für den 1. Berliner Cross-Country-Lauf 1964 - auf dem britischen Panzerübungsgelände am Teufelberg ©Sportmuseum Berlin – AIMS Marathon-Museum of Running
Die Wurzeln des Berlin-Marathons: Vor 50 Jahren begann die Laufbewegung mit einem Crossrennen am Teufelsberg
Es ist in diesen Tagen genau 50 Jahre her, da startete eine Gruppe von Studenten der Freien Universität Berlin eine Laufveranstaltung, die es in Deutschland so noch nie gegeben hatte. Crossläufe kannte man hierzulande lediglich als Rennen auf ebenen Waldwegen.
Am West-Berliner Teufelsberg fand dann am 8. November 1964 der erste Wettbewerb statt, der dem Namen Cross-Country-Lauf auch wirklich gerecht wurde. Doch dieser Lauf war noch viel mehr.
Die Cross-Premiere brachte eine Lawine ins Rollen, die für die Organisatoren damals schlichtweg unvorstellbar war. Entgegen der Gepflogenheiten wurden erstmals in Berlin auch Läufer zugelassen, die keinem Verein angehörten. Dies war möglich, weil das Rennen vom Sport-Referat der Freien Universität Berlin und nicht von einem Verein veranstaltet wurde. Aus dem Querfeldeinlauf im Grunewald entstand später die Laufserie des SC Charlottenburg (SCC Berlin).
Der größte deutsche Laufveranstalter hieß dann später SCC-Running und heute SCC-Events. Der Cross im Grunewald war unter anderem der Ursprung für den Berlin-Marathon, den Halbmarathon, die Teamstaffel und den Frauenlauf im Tiergarten.
Die Idee für die Crosslauf-Premiere hatten die jungen Organisatoren, darunter der spätere, jahrzehntelange Berlin-Marathon-Chef Horst Milde, im Frühjahr 1964 aus Frankreich mitgebracht. Eine Gruppe von Mittelstreckenläufern – neben Milde auch Hartmut Lehmann, der Sportreferent .– waren damals bei einem Rennen in Le Mans gestartet. Dort erfuhren die Studenten, von denen einige Mitglied beim SC Charlottenburg waren, was es heißt, einen Cross zu laufen.
Begeistert rannten sie durch den Matsch und beschlossen, dieses Rennen zu "importieren’.
Dass die Idee so erfolgreich umgesetzt wurde, lag auch an der Werbung, die emsig betrieben wurde. Zunächst sollten lediglich Studenten, dann aber Vereinsläufer für dieses Rennen zugelassen werden, doch dann entschieden die Veranstalter, den Lauf für alle zu öffnen. Auf dem Kurfürstendamm oder auch am Olympiastadion im Rahmen eines Fußballspieles von Hertha BSC wurden daraufhin Werbezettel verteilt. Viele machten sich lustig, aber über 700 meldeten sich an.
Der erste Cross hatte damit eine für damalige Zeiten sensationelle Resonanz mit 750 Teilnehmern.
Wenige Tage nach dem Rennen schrieb der renommierte, zwischenzeitlich verstorbene Leichtathletik-Journalist Ekkehard zur Megede im Berliner „Tagesspiegel“ eine Glosse zum ersten Crosslauf:
„Die Geschichte ist zu schön, als dass wir sie für uns behalten wollen. Es ist noch einmal die Rede vom Volkslauf am Teufelsberg. Zur gleichen Zeit, da in Hamburg die Veranstalter eines ,Cross-Country-Laufes für Jedermann’ ein Fiasko erlebten – ganze neun Läufer fanden sich ein – starteten in Berlin über 400 Teilnehmer. Fünf von ihnen kamen sogar aus der Bundesrepublik. Eigens zu diesem Rennen. Einer war aus Xanten, der fuhr 600 Kilometer hierher und wieder 600 Kilometer zurück. Und wenn man so weit reist, um des Hobbys willen, dann hat man natürlich vorgesorgt. So auch unser Mann. Als er das Ziel passiert hatte, keineswegs erschöpft, aber auch nicht unter den ersten, ging er an seine zweite Aufgabe: das Studium der Ergebnislisten.
Er strahlte, denn eine ehrende Anerkennung, so glaubte er, schien ihm sicher zu sein. Doch dann verfärbte sich sein Gesicht. Der Mann mit der längsten Anfahrtstrecke ärgerte sich. Was dachten sich denn eigentlich die Veranstalter, dass sie hier nur einen Altersklassensieger-Sieger ausriefen? Schließlich ist es doch etwas anderes, ob man 55, 50, 45, 40 oder 35 Jahre alt ist?
Horst Milde, der die Hauptlast der Organisation trug, beruhigte den Xantener Gast. ,Das holen wir natürlich nach’, sagte er, ,und Ihre Urkunde sollen Sie auch haben. Geben Sie mir doch Ihre Adresse.’ Sein Gegenüber strahlte erneut und griff in die Tasche seines Sakkos: In der Hand hielt er – eine Urkunde, fein säuberlich in Heimarbeit gezeichnet, nicht einmal der eigene Name war vergessen, dazu die Altersklasse, die ihm nun auch ,von Amts wegen’ zukam. ,Fehlt nur noch Ihre Unterschrift’, meinte der Mann. Horst Milde gab sie …“
Milde und sein Team waren danach Trendsetter für den deutschen Laufsport. Mit Innovationsfreude, Hartnäckigkeit, Flexibilität und einem erstklassigen Service riefen sie eine Kette von Veranstaltungen ins Leben, die im deutschsprachigen Raum noch heute ihresgleichen sucht und zu den größten der Welt gehört.
Nach dem ersten Crossrennen organisierte Milde als Verantwortlicher 347 weitere Läufe mit über 1,25 Millionen Teilnehmern. 2004 gab er die Position des Race-Direktors an seinen Sohn Mark Milde ab. Den Original-Crosslauf im Grunewald gibt es zurzeit jedoch nicht mehr. Das Rennen wurde inzwischen in das Berliner Umland verlegt – hier hat es weniger Teilnehmer als 1964!
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