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Die Tour 2021 – am Ende überwiegt das Unbehagen – Von KLAUS BLUME
Keine Frage, diese 108. Tour de France wird sich wie kaum eine andere in unser Gedächtnis einnisten. Hat der nun schon zweimalige slowenische Tour-Triumphator Tadej Pogacar seine Erfolge mit erlaubten Mitteln erreicht – oder am Ende doch nicht?
Die in Lausanne erscheinende Tageszeitung LeTemps veröffentlichte kurz vor dem Finale in Paris die verstörenden Aussagen drei namentlich nicht genannter Tour-Fahrer. Sie alle berichten von akustischen Auffälligkeiten an den Rädern des Pogacar-Teams UAE Emirates.
Le Temps zitiert: „Es gibt da ein eigenartiges Geräusch. Es kommt vom Hinterrad. Es ist ein eigenartiges, metallisches Geräusch, wie eine schlecht eingestellte Kette.“ Ein anderer Tour-Fahrer erzählte Le Temps: „Es wird im Peloton nicht von einem Motor im Kurbelsatz oder einem elektromagnetischen System in den Felgen gesprochen, sondern von einer Vorrichtung in der Nabe. Auch ein Energieverwerter über die Bremsen wird genannt.“
Die Equipe UAE Emirates dazu: „Wir benutzen nichts Illegales.“
Hoffentlich, wie auch im Falles des britischen Teams Ineos, dessen Spitzenfahrer Richard Carapaz aus Ecuador 2019 bereits den dreiwöchigen Giro d‘Italia gewonnen hat. Dass Ineos die 108. Tour de France nicht im Gelben Trikot beenden konnte, gilt bei einer Mannschaft, die zuvor sieben der vergangenen neun Tour-Sieger gestellt hat – darunter Sir Bradleyy Wiggins und Christopher Froome – als Pleite ersten Ranges.
Ärgerlich zudem für Ineos, dass dessen früherer Mannschaftsarzt Richard Freeman, zugleich für die englische Nationalmannschaft zuständig, schon im Mai 2011 unter großen Mühen einen angeblichen Hustenlöser für Wiggins in die Tour transportieren ließ. Teamchef Dave Brailsford behauptete damals, man könne so etwas eben nicht in Frankreich erwerben.
Vor der Ärztekammer in Manchester gab Freeman aber nun zu, es habe sich gar nicht um Hustensaft, sondern um das Dopingmittel Testosteron gehandelt. Doch dieses sei nicht für Wiggins, sondern für Verbandstrainer Shane Sutton bestimmt gewesen – wegen dessen erektiler Dysfunktion. Was dieser als „verdammt Lüge“ zurück wies – öffentlich. Und das Team Sky? Es schweigt – auch weiterhin.
Am letzten Donnerstag durchsuchten nun 50 Polizeibeamte einer Spezialeinheit in Marseille die Unterkunft sowie den Bus der Equipe „Bahrain Victorius“. Sie zogen unverrichteter Dinge wieder von dannen. Doch was haben sie notiert? Was wird diesem Auftritt folgen? Man bedenke: Der Slowene Milan Erzen, Teamchef bei „Bahrain Victorius“ und seit Jahr und Tag Dreh- und Angelpunkt des erfolgreichen slowenischen Radsports, soll nach Aussagen eines Ermittlers zuvor mit dem Erfurter Dopingarzt Mark Schmidt in engem Kontakt gestanden haben.
Erzen, so dieser Ermittler, soll schon vor Jahren an den Thüringer Mediziner herangetreten sein, sagte ein deutscher Zollbeamter vor dem Landgericht München. Schmidt, Mittelpunkt der „Operation Aderlass“, habe jedoch eine Zusammenarbeit abgelehnt, obwohl Erzen immer wieder darum nachgesucht habe. Und: Der slowenische Profi Kristjan Koren, einst beim Team „Bahrain Victorius“, gehörte nachweislich sogar zu den Kunden von Mark Schmidt.
Zurück zur 108. Tour de France: Können wir uns wenigstens über die beiden jungen Kämpfer Jonas Vingegaard aus Dänemark und Sepp Kuss aus den USA, beide vom niederländischen Team Jumbo Visma, freuen? Hoffen wir es, auch wenn deren deutscher Teamchef Christian Niermann aus Hannover ein überaus erfahrener Doper ist.
Dem niederländischen Radsport-Verband KNWU hat Niermann schon vor Jahren den Gebrauch von EPO-Doping in den Jahren 2000 bis 2003 gestanden. Niermann, der zwischen 2000 und 2012 erfolgreich für den niederländischen Rennstall Rabobank in die Pedale trat, darunter neunmal in der Tour de France, wurde damals sechs Monate gesperrt – das war‘s dann.
Die Equipe Rabeobank, aus der 2014 die Mannschaft Jumbo Visma hervorging, und der Niermann nun vorsteht, galt jahrelang als Hort hochbezahlter Dopingsünder, wie Thomas Dekker, der allen Ernstes öffentlich behauptet hat, „Doping ist Teil unseres Berufes“. Der in diesem Team fahrende Däne Michael Rasmussen, der 2007 drauf und dran war, die Tour zu gewinnen, gab zu, von 1998 bis 2010 ununterbrochen gedopt zu haben. Niermann kennt das alles in- und auswendig.
Schlusspunkt: Am 14. August beginnt die dreiwöchige Vuelta a Espana – wobei es auch mal über unbefestigte Straßen und enge Ziegenpfade geht. Dieses Spektakel befindet sich – wie auch die Tour de France – im Besitz der französischen Amaury Sport Organisation (A.S.O.).
Und sie verspricht in Spanien nun das ganz große Duell – zwischen Tour-Sieger Pogacar und dem kolumbianischen Giro-Gewinner Egan Bernal. dem Star des britischen Teams Ineos.
Alles bleibt wie gehabt.
Klaus Blume
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