Swiss Irontrail - Foto: Wilfried Raatz - wus media
Die Rückkehr des Swiss Irontrail – Val Surses inmitten des größten Naturparks der Schweiz ist nun Dreh- und Angelpunkt bei der Neuausrichtung des Swiss Irontrails – Wilfried Raatz berichtet
Dominic Funk und die einheimische Nina Carisch sind die Premierensieger im Jahr 2022 über 43,6 Kilometer und +2015/ -2608 Höhenmeter
Val Surses feiert die Rückkehr des Swiss Irontrail. Nach wolkenbruchartigen Regenfällen am Vorabend, bei dem das stimmungsvolle Dorffest in Savognin von jetzt auf sofort beendet war, präsentierte sich Val Surses inmitten des größten Naturparks der Schweiz, dem Parc Ela, überaus läuferfreundlich.
Mit 14° Celsius ideale Temperaturen zur Startzeit in Bivio, fast hochsommerliche Temperaturen beim Durchlauf nach 30 km im 1860 m hoch gelegenen Radons und vor allem im Zielgelände am Schulhaus Grava in Savognin – die Rahmenbedingungen für die Rückkehr des Swiss Irontrail hätten kaum besser sein dürfen, alleine zeitweise noch tiefhängender Nebel und dichte Wolken verhinderten den Rundumblick auf die steilen Gebirgspassive.
„Wir haben die Organisatoren in Savognin als engagiert und höchst motiviert kennengelernt“, nennt Andrea Tuffli, der sich als Visionär des legendären Swissalpine einen exzellenten Ruf als Organisator des hochalpinen Laufspektakels in Davos gemacht hatte, Gründe für den Standortwechsel – und ist nun auch mit seiner Agentur Tuffli Events AG Ideengeber für die Neuauflage des Swiss Irontrails.
Neuauflage? Richtig, in den Jahren 2012 bis 2018 gab es unter der Federführung von Tuffli und den Swissalpine-Organisatoren mit den Startorten Pontresina und St. Moritz bzw. Davos ultralange Hochgebirgstrails, die durchschlagenden Erfolge blieben angesichts der starken Konkurrenz im In- und Ausland jedoch aus, sodass der Swiss Irontrail früherer Prägung aus dem Trailkalender verschwunden war.
Und nun in 2022: Hier Ort- und Kulissenswechsel, dort Neuanfang mit einheimischer Organisation und letztlich „alles auf Null“ gestellt.
„Beyond the Limit“ titeln die Organisatoren die alt/neue Trail-Veranstaltung im größten Naturpark der Schweiz, dem Parc Ela – und lassen allerdings nichts unversucht zu erwähnen, dass der Trailevent Läufe für Trailgeübte, aber auch gleichermaßen für Einsteiger und Genießer ist. Schließlich umfasst die Neuauflage sowohl den T44 über 43,6 km und einer Höhendifferenz von +2015 m/ -2608 m als auch den T14 über 14,2 km und +/- 546 Höhenmetern.
„Ich bin vor allem erstaunt über die Leistungen der Teilnehmer, dass eine derartige Strecke in dieser Zeit überhaupt möglich ist“, zeigte sich Gemeindepräsident Leo Thomann angetan von den Leistungen der insgesamt 330 Teilnehmer. Einer Resonanz, die es in den kommenden Jahren harmonisch zu steigern gilt. „Nach meinem Eindruck ist alles tiptop organisiert. Natürlich haben wir keine Erfahrung mit Laufveranstaltungen dieser Größenordnung. Deshalb ist unser Ziel, in den kommenden Jahren zu wachsen!“
Und Sando Dönz, Leiter des örtlichen Organisationskomitees, präzisiert sogleich: „Für das erste Jahr sind wir ganz zufrieden. Klar, es ist immer schön, mehr zu haben! Es war insgesamt eine schöne Premiere mit vielen glücklichen, engagierten Helfern. Mittelfristig rechnen wir mit vielleicht 500 Läufern…“ Gastgeber der Veranstaltung ist zu gleichen Teilen die Gemeinde Val Surses und der Tourismus Savognin Bivio Albula AG
Die Entwicklung in Val Surses wird neben den beiden Wettbewerben der Premiere schon im kommenden Jahr einen T100 anbieten, der in Richtung Bergün führen soll. Und der neue Termin steht ebenfalls schon fest, die zweite Auflage des neuen Swiss Irontrail soll bereits Anfang Juli gestartet werden. „Dieser Termin ist weniger durch konkurrierende Veranstaltungen belastet“, bekennt die Tourismusdirektorin Tanja Amacher, „an diesem Wochenende gab es nämlich mit dem Dorffest in Savognin und dem Openair Bivio zwei weitere Veranstaltungen im Tal!“
Schon alleine deshalb wäre eine Entzerrung wünschenswert, denn im Val Surses leben lediglich 2400 Einwohner, davon alleine 1000 in Savognin. Und die weitläufig angelegte Gemeinde Val Surses, zwischen Tiefelcastel und den bekannten Albula-, Julier- und Septimerpass, ist als Hochtal vor allem für ausgedehnte Wanderungen für Familien und Ausdauersportler interessant und kann derzeit auf 500.000 Übernachtungen im Jahr verweisen. Alleine Savognin mit seinen rätoromanischen Häusern verfügt über 1200 Appartements und 1200 Betten.
Daniel, passionierter Läufer mit New York-Erfahrung, wegen einer Corona-Infektion am Start beim Premierenlauf verhindert, bezeichnet im Gespräch im landschaftlich überaus reizvoll gelegenen Radons den T44 als „machbar für alle trainierten Hobbyläufer“. Und gibt Entwarnung angesichts der mächtig erscheinenden rund 2600 Höhenmeter, bergauf und bergab versteht sich: „Es geht auch ohne Trailerfahrung, aber eine gute Renneinteilung ist überlebenswichtig!“ Als schönste Abschnitte, die er in einem Probelauf in der Vorwoche (!) kennenlernen durfte, nennt der 38jährige Finanzfachmann, den Kanonensattel auf 2241 m mit dem Ausblick auf die moorartige Hochebene Alp Flix und die Passage Fuorcla Curtegns auf 2657 m.
Den Tagesschnellsten auf der T44-Distanz gehörte gewiss die besondere Aufmerksamkeit. Vom Start weg auf dem Parkplatz des Tourismusbüros in Bivio setzte sich Dominic Funk in souveräner Manier an die Spitze und baute seinen Vorsprung kontinuierlich bis final auf 24 Minuten auf den zweitplatzierten Rolf Thallinger aus. Der 33jährige aus Samedan im Engadin hatte bei seinem Alleingang praktisch ein Heimspiel, denn sommers wie winters ist er oftmals in Ferien im Val Surses. Und hatte zudem auch den Vorteil, die Strecke in weiten Teilen zu kennen. „Ich bin vor einer Woche die Strecke abgelaufen. Es war kein Problem, denn alles war megagut markiert!“
Auf die Frage, die Gesamtdistanz von 43,6 km im Alleingang absolvieren zu müssen, lächelte er entwaffnend: „Das setzt zusätzlich Motivationen frei. Und ein Vorteil zudem: Ich musste mich nicht groß umschauen, da ich wusste, dass da direkt hinter mir niemand läuft!“ Der im Pflegeberuf arbeitende Dominic kam übrigens mit einer besonderen Empfehlung nach Savognin, denn vier Wochen zuvor hatte er die 53 km-Distanz (mit 2600 Höhenmeter) beim Engadin Ultra Trail vor seiner Haustür in Samedan gewonnen – mit „nur“ zehn Minuten Vorsprung. Eigentlich ist Dominic Funk im Trailbereich eher noch Novize, denn bis vor „zwei, drei Jahren“ (O-Ton) war er als Straßenläufer mit überschaubarem Erfolg unterwegs und absolvierte nun die „Marathondistanz“ mit über 2000 Höhenmetern in 4:15:59 Stunden.
Auf den nächsten Rängen landeten ausschließlich Mastersläufer wie der 53jährige Rolf Thallinger (4:40:40), der 41jährige Diego Torriani (4:46:15) und der zweimalige Gornergrat Ultra-Marathon Zermatt-Sieger Roman Wyss (4:51:06) mit nunmehr 47 Jahren. Als letzter Läufer erreichte bei einem Zeitfenster von 13 Stunden mit einer Endzeit von 11:32:15 Stunden der 61jährige Torsten Grünzig aus Leipzig auf Gesamtrang 167 das Ziel.
Umjubelt von den Helfern und Zuschauern im Ziel wurde die Frauensiegerin Nina Carisch, die nach 5:56:40 Stunden als 24. des Gesamteinlaufes in Savognin einlief und dabei zwölf Minuten Vorsprung auf Priska Faes (6:09:06) und Tanja Willi (6:12:49) hatte.
Nach einer Stunde war mit Marco Wildhaber der schnellste T14-Läufer im Ziel (1:00:30), bei den Frauen war dies Laura Kessler nach 1:17:58 Stunden. Als Abschluss ihres Ferienaufenthalts waren auch Vater Oliver und Sohn Ben Odenthal aus Kaarst im Einsteigerlauf am Start und durften sogar den U18-Sieg von Ben feiern, der die 14,2 km-Strecke in 1:34:52 absolvierte und knapp hinter seinem Vater ins Ziel einlief.
Zuversichtlich zeigte sich auch in der herrlichen Nachmittagssonne Andrea Tuffli: „Der Swiss irontrail hat eine gute Chance zu einer tollen Veranstaltung. Wenn man überlegt, dass ohne größere Promotion über dreihundert Läufer nach Savognin gekommen sind, dann gibt dies Hoffnung. Ich denke, dass Val Surses im Trailrunning als Destination einen Namen bekommen wird!“
Wilfried Raatz