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06
04
2010

Dabei lag über die 10 km die Jagd nach dem Rekord von Carsten Eich aus dem Jahr 1993 (27:47) zunächst gar nicht im Visier des umfangreichen Felds an Topathleten, von denen am Ende immerhin 18 unter den 30 Minuten blieben.

„Die Männer überzeugten“ – Notizen zum 64. Paderborner Osterlauf am 3. April 2010 – Helmut Winter berichtet

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„Paderborn überzeugt!“ Dieser Werbeslogan der Stadt an der Pader, dem kürzesten Fluss der Republik, traf in diesem Jahr in besonderem Maß auf die Rennen der Männer zu. Wilfried Raatz hat auf der GRR-Homepage bereits ausführlich über diese Veranstaltung berichtet, deshalb an dieser Stelle einige weitere Notizen und Informationen sowie Bilder von der Strecke.

Und die beginnen mit der Zuverlässigkeit meteorologischer Vorhersagen, die für den Karsamstag im Raum Paderborn nichts Gutes erwarten ließen. Der prognostizierte Regen kam mit gut einem Tag Verspätung, anfangs ließ sich sogar die Sonne blicken und trotz des recht stark auffrischenden Windes waren die Verhältnisse für den Laufsport nahezu ideal.

In den beiden zentralen Läufen über 10 km und den Halbmarathon wussten dies die Männer mit hervorragenden Zeiten und einer beeindruckenden Leistungsdichte zu nutzen.

Dabei lag über die 10 km die Jagd nach dem Rekord von Carsten Eich aus dem Jahr 1993 (27:47) zunächst gar nicht im Visier des umfangreichen Felds an Topathleten, von denen am Ende immerhin 18 unter den 30 Minuten blieben. Als 8 Männer die 5 km nach genau 14 Minuten absolvierten, war bei dem in Paderborn sonst üblichen langsameren zweiten Part keine Topzeit mehr zu erwarten. Der Split von 2:59 für den Kilometer zur 5 km-Marke schien dies zu bestätigen. Doch dann wurde das Rennen in der Tat ereignisreich; zunächst folgte mit 2:41 ein sehr schneller Abschnitt, der durch das Gefälle einer Brücke begünstig wurde. Dann eine Schrecksekunde, die fast das Aus für die Ambitionen der Spitze bedeutet hätte.

Vor einer engen Kurve kurz vor den 7 km deutete ein wild gestikulierender Jungfeuerwehrmann die Sperrung der Laufstrecke an. Ein Handbiker war in der scharfen Kurve umgestürzt, hatte sich augenscheinlich stärker verletzt und blockierte nun mit seinem Gefährt die Durchfahrt. Der Begleittross musste stoppen, die afrikanischen Läufer reagierten aber schnell und schlängelten sich durch eine noch verbliebene Lücke, offensichtlich weniger irritiert als die an der Bergung beteiligten Rettungskräfte. Zu diesem Zeitpunkt konnte aber noch keiner erahnen, dass der kurze Stopp vermutlich den Streckenrekord gekostet hatte. Denn das Finale der 10 km war in der Tat beeindruckend.

Nachdem man die weiteren km-Abschnitte zur 9 km in jeweils 2:48 zurücklegte (in den letzten Jahren jeweils die neuralgische Phase des Laufs) war nach 25:10 für eine fünfköpfige Spitzengruppe noch eine Zeit unter 28 Minuten drin. Mit wechselnder Führung wurde der Schlussabschnitt immer schneller, und am Ende hatte der Äthiopier Berhanu Delale in 27:51 die Nase vorn, der mit seinen 20 Jahren sicher noch eine große Zukunft auf der Straße vor sich haben dürfte. Fünf Läufer unter 28 Minuten sind auch nach internationalen Standards bemerkenswert.

Die Gunst der Stunde nutzten auch die deutschen Männer zu Bestzeiten. Musa Roba-Kinkal wurde in 28:53 9., Mittelstreckenmann Wolfram Müller kam in 29:17 auf Platz 13. Bei den Frauen war nach der Absage von Irina Mikitenko das Feld schwächer besetzt, auch hier ging der Sieg durch Fate Tola in 32:04 an Äthiopien. Bei aller Freude über die schnelle Zeit sei aber eine Kontrolle der Leistungen dringend anempfohlen, denn dass Guntime und Chipzeit bei der Elite um 2 bis 3 Sekunden differieren ist sehr unüblich. Bei Steckenrekorden sogar eine unangenehme Begleiterscheinung.

Hinsichtlich des umfangreichen Rahmenprogramms sei angemerkt, dass man sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen muss, der kam in diesem Jahr so zahlreich wie noch nie, und sorgte dafür, dass sich das Rekordniveau der Vorjahre von ca. 8.100 Teilnehmer stabilisierte.

Bei den Inlinern ging mit dem Sieg von Lukas Wannagat die einmalige Bilanz des Markus Pape zu Ende.

Und dabei war auch ein Kamerateam des WDR, dessen Aufnahmeleiterin sich bei den Läufern erkundigte, wie lang denn eigentlich so ein Halbmarathon sei. Da sollte einmal ein Vertreter der Medien beim Fußball fragen, wozu eigentlich die Tore gebraucht werden … Für die Abstinenz oder Arroganz der TV-Medien in Bezug auch den Laufsport hat sich auch in Paderborn keine Wende zum Besseren vollzogen.

Den unmittelbar Beteiligten dürften die Streckenlänge – und nicht nur die – wohl vertraut gewesen sein. Athletenkoordinator Christoph Kopp und Manager Gerard van der Veen hatten mit ihren Topläufern einen Angriff auf den Streckenrekord von 1:01:24 geplant, der dann auch konsequent umgesetzt wurde. Etwas weniger ungestüm als im Vorjahr ereichte man die 5 km in perfekten 14:31, eine kurze Schrecksekunde an der 10 km Marke (29:06) mit einem km-Split von 3:06. Athleten und Betreuer bekamen das Tempo aber wieder schnell in den Griff und waren auch nach 15 km in 43:37 fast im Soll.

An der Spitze war dort noch eine Vierergruppe, nachdem der tapfer laufende Fred Kosgei bei ca. 12 km hatte abreißen lassen. Dazu ist aber anzumerken, dass der gute Fred sechs Tage zuvor den Berliner Halbmarathon als Fünfter in knapp unter 61 Minuten absolvierte. In 62:40 belegte er in Paderborn am Ende den gleichen Platz.

Eine wichtige Entwicklung ergab sich dann beim letztmaligen Passieren der Brücke einer Bahnüberführung, an der der spätere Sieger Charles Maina zurückfiel. Bei 16 km betrug sein Rückstand ca. 30 m, doch mit lautstarker Unterstützung der Begleiter schaffte er kurz danach wieder den Anschluss an die Spitze und war dann am Ende der Schnellste. Auch beim Halbmarathon ein sehr schnelles Finale: nach 58:10 bei 20 km lief Maina den Schlussabschnitt in tollen 3:03. 1:01:13 ist der neue Streckenrekord an der Pader, und in der Schlussphase konnte man auf der Zielgeraden auf dem Heierswall auf der Uhr noch die volle Stunde sehen, ein nicht unrealistisches Ziel für das 65. Jubiläum im kommenden Jahr.

Nahezu kurios das Rennen der Frauen, in dem sich schon früh die Kenianerinnen Kimutai und Nguria abgesetzt hatten. Während Nguria am Ende auf Platz 4 zurückfiel (1:15:27) blieb Kiumutai zunächst an der Spitze, wurde aber kurz nach der 20 km Marke von Kirsten Otterbu (NOR) überholt, die nach verhaltenem Beginn am Ende stark aufkam. Schnell konnte Otterbu einen Vorsprung von 50 m vor der sichtlich erschöpften Kimutai herauslaufen und sah noch 400 m vor dem Ziel wie die sichere Siegerin aus. Doch völlig unvermittelt startete Kimutai einen Schlussspurt, bei dem sie noch vor der Zielgeraden nahezu an der Kenianerin „vorbeiflog“.

Die Siegerzeit von 1:13:57 ist allerdings international weniger hoch einzuschätzen als das Resultat der Männer. Bester deutscher Läufer wurde wieder einmal Timo Zeiler (Frankfurt) in 1:09:04 auf Platz 11, beste deutsche Läuferin Petra Maak (Dormagen) in 1:18:47, die als Starterin in der AK45 den Platz unten den Top-6 für die Siegerehrung knapp verpasste.

Zusammenfassend war auch die 64. Auflage des Osterlaufs eine überaus gelungene Veranstaltung, die im zweiten Jahr unter neuer Regie den Übergang in die Normalität vollzog. Basierend auf den bewährten Konzepten der Vorgänger hat die Mannschaft um Peter Horak tolle Arbeit geleistet, sowohl im Breitensport aber auch vor allem im Spitzensport entwickelt sich die Veranstaltung prächtig.

Der Paderborner Osterlauf dürfte auch nach dem 65. Jubiläum im kommenden Jahr sicher nicht „in Rente gehen“.

Helmut Winter

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