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15
06
2016

2015 IAAF Press Conference Monte Carlo, Monaco November 26, 2015 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

Die internationale Leichtathletik am Scheideweg – Am Freitag entscheidet sich der künftige Weg: Zukunft oder Abgrund? Ein Kommentar von Horst Milde

By GRR 0

An diesem Freitag (17. Juni 2016) wird der IAAF-Präsident Sebastian Coe auf einer Pressekonferenz in Wien verkünden, wie die Zukunft des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) aussehen soll – und natürlich die Kardinalfrage beantworten: Darf Russland nach seinen diversen Dopingskandalen bei den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen?

Man erwartet ein glaubwürdiges Aufbruchssignal für die Leichtathletik mit klaren Ansagen für die Zukunft – und vor allem die konsequente Bestrafung der Betrüger und Vertuscher. Im Klartext also die Aufarbeitung der Vergangenheit!

Sebastian Coes Ruf selbst ist angeschlagen, seit bekannt ist, dass er selbst durch eigene Firmen finanzielle Vorteile erschlichen hat.

Wenn die IAAF jetzt nicht die Chance ergreift, mit den kriminellen Machenschaften des Präsidenten-Vorgängers Lamine Diack, seines Sohnes und der weiteren IAAF Entourage, die sich durch Erpressung der Athleten und Verbände bereichert haben, ein Ende setzt, dann kann einem für die Zukunft der olympischen Kernsportart Angst und Bange werden.

Die Leichtathletik hat erheblich an Glaubwürdigkeit verloren und scheint schon jetzt am Boden zu sein. „Schlimmer als die FIFA" sind nur milde Beschreibungen dieses Tatbestandes. Einem echten Leichtathletikfreund blutet seit Monaten ob dieser Vorkommnisse und Enthüllungen das Herz!

Es ist an Zeit, sich bei denen zu bedanken, die diese Affären aufgedeckt haben. Mit der ARD-Sendung „Geheimsache Doping" von Hajo Seppelt im Herbst 2014 begann die Serie der Doping-Recherchen, die weltweites Aufsehen erregten.

Zuerst, zumindest von den Betroffenen, als Hirngespinst abgetan, haben sich diese Enthüllungen als ein Stich ins Wespennest erwiesen.

Die russischen Whistleblower Julija Stepanowa und ihr Ehemann Witali Stepanow sind die eigentlichen Helden dieser unglaublichen Aufdeckungsserie. Es geht dabei vordergründig um Doping, aber letztlich um weitaus mehr, nämlich um Erpressung, Vertuschung, kriminelle Energie und vermutlich sogar um Mord.

Das Ehepaar Stepanow, in Russland um Leib und Leben fürchtend, kam mit ihrem Kleinkind zunächst in Berlin unter. Hier wurde es ausschließlich privat unterstützt, aber niemand half letztlich den Whistleblowern. Weder der Berliner Leichtathletik-Verband, noch der Deutsche Leichtathletik-Verband oder der Olympiastützpunkt, noch der DOSB bot Hilfe an. Weder IOC-Präsident Thomas Bach noch Sebastian Coe, noch die Welt-Antidoping-Behörde WADA hielten es für nötig, überhaupt ein Gespräch zu suchen. Im Grunde haben sich alle bis auf die Knochen blamiert!°

Die „Disziplin der Feiglinge" wie es Thomas Sattelberger in der „Zeit" in einem anderen Zusammenhang formulierte, die „Ja-Sager" triumphierten.

Hajo Seppelt rief in seinem Statement zu seinem ARD-Beitrag beim 5. Berliner Läufertreffen die früheren Leichtathleten auf, in den eigenen Vereinen und Verbänden aktiv werden und den fehlenden Einsatz der Sportfunktionäre massiv zu kritisieren.

Wenn es die Whistleblower und die kritischen Medien nicht gäbe, dann bliebe weiterhin fast alles unter den Tisch gekehrt – und die Öffentlichkeit hätte weiterhin den Falschen applaudiert! Die Hochkonjunktur der Betrüger hätte auch weiterhin Bestand – bis hinein zu Europa- und Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

Praktisch im letzten Moment (vor den Nominierungen für Rio und der IAAF-Pressekonferenz in Wien) hat DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop glücklicherweise die Öffentlichkeit gesucht und mit seinem „Offenen Brief an den Präsidenten des IOC Thomas Bach" im Namen seiner Athleten gefordert, die Sorge der Athletinnen und Athleten ernst zu nehmen und alle Möglichkeiten für glaubwürdige und chancengleiche Wettkämpfe in Rio zu sorgen und Bach mit seinen eigenen Worten zitiert "Der Schutz der sauberen Sportler hat Vorrang".

Es bleibt zu hoffen, dass sich Bach und Coe nicht von Moskau erpressen lassen und die Kungelei unter Freunden weitergeht wie bislang. Es ist an der Zeit mit der Lüge aufzuhören, der Welt die besten und schönsten Spiele vorzugaukeln, die es schon seit Jahren, nein Jahrzehnten, nicht mehr gibt.

Am 18.05.2015 veröffentlichte GRR unter dem Rubrum „DOPING" den Beitrag: „Wie schnell bin ich ohne Doping?" ein Interview von JoAnna Zybon in SPIRIDON mit Julija Stepanowa. Dies war der Anfang der weltweiten, jetzt langsam aufgeklärten Betrugsaffaire, der Inhalt des Interviews hat an seiner Aktualität nicht verloren und sollte jetzt mit dem Beitrag der Autorin in SPIRIDON fortgesetzt werden, damit die Whistleblower, die jetzt in den USA leben, den Freitag als ihren Erfolg sehen können, wenn die IAAF auf der Pressekonferenz endlich Klartext redet und Konsequenzen folgen lässt. .

Horst Milde

JoAnna Zybon in SPIRIDON

"Die mutigste Frau der Welt"

Mut ist per se eine abscheuliche Eigenschaft.

Wenn die mutige Person aber auch noch eine Frau ist und ihre Taten männliche Machtzirkel bedrohen, ist das schamlos und ungehörig.

Dies zeigt eindrucksvoll das Beispiel der russischen Mittelstreckenläuferin und Whistleblowerin Julija Stepanowa (29). Mit ihrem Auftritt in der Doku von Hajo Seppelt im Dezember 2014 hat Julija eine Lawine in der Leichtathletik-Welt losgetreten. Denn nur dank ihrer heimlich gemachten Handy-Aufnahmen gab es plötzlich Beweise für systematisches Doping in der russischen Nationalmannschaft.

Das Ausmaß des Doping-Skandals hätte sich zuvor auch der phantasiebegabteste Thriller-Autor nicht ausmalen können.

Die armen Russen!

Wie jedermann weiß, hat Julijas Lawine die zweitgrößte Sportnation der Welt überrollt – russische Leichtathleten sind für internationale Wettkämpfe gesperrt. Das wäre halb so schlimm, wenn die Lawine nicht so viele mächtige Männer erfasst hätte: die Balachnitschews, Portugalows, Melnikows, Kasarins, Tschegins, Mutkos bis zu Wladimir Putin. Ganz gleich welches Amt sie haben oder hatten: Alle sind Vertreter des starken Geschlechts.

Und die männerverschlingende Lawine rollt weiter. Aktuell nervt sie sogar die Herrenriege des internationalen Spitzensport-Business: Thomas Bach, Craig Reedie, Sebastian Coe & Co sind nicht nur gezwungen, sich mit Doping- Affären und Korruption zu befassen, zu allem Überfluss sollen sie Julija Stepanowa auch noch zu einem Startplatz bei den Olympischen Spielen in Rio verhelfen. Das Council des IAAF muss demnächst entscheiden, ob die Whistleblowerin im Flüchtlings-Team des IOC aufgenommen wird.

Soll sie etwa zur Belohnung auch noch an den Olympischen Spielen teilnehmen? Das wäre ja noch schöner! Und unverantwortlich – es könnte weitere Vertreterinnen des schwachen Geschlechts zur Stärke anstiften.

Wie auch immer: Wenn am 17. August die 800- m-Vorläufe im Estádio Nilton Santos in Rio de Janeiro ausgetragen werden, wird die Anwesenheit bzw. das Fehlen der mutigsten jungen Frau der Welt diese XXXI. Olympischen Sommerspiele für immer prägen.

JoAnna Zybon in SPIRIDON 3/2016

Themengleich: 

Wie schnell bin ich ohne Doping? Interview von JoAnna Zybon in SPIRIDON mit Julija Igorewna Stepanowa

Vor IAAF-Entscheidung über Russlands Olympia-Teilnahme – Prokop-Appell an IOC-Präsident Dr. Thomas Bach

Weitere Beiträge zum Thema DOPING finden Sie auf der GRR-website: "DOPING"

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