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19
09
2009

\"Die haben alle geheult damals\", erzählt Horst Milde. Der 70-Jährige hat bis 2004 den Marathon organisiert, heute kümmert sich sein Sohn Mark um den Lauf mit inzwischen fast 50.000 Teilnehmern.

\“Die haben alle geheult\“ – Der Vater des Berlin-Marathons, Horst Milde. Tom Sundermann in der Berliner Zeitung

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Der Vater des Berlin-Marathons, Horst Milde. Der heute 70-Jährige organisierte den Lauf 30 Jahre lang bis 2004, dann gab er die Aufgabe an seinen Sohn Mark ab. Für den gesamtberliner Marathon setzte sich Milde gemeinsam mit Läufern aus der DDR bei den Bürgermeistern beider Stadthälften ein.

Es ist der 12. November 1989, drei Tage nach dem Mauerfall, als die Geburtsstunde des ersten gesamtdeutschen Marathons schlägt. In einer Wohnung am Tempelhofer Damm treffen sich vier Männer, drei aus dem Osten, einer aus dem Westen. Sie beschließen: Der nächste Berlin-Marathon muss durch Ost- und West-Berlin führen. Die drei DDR-Bürger formulieren einen Brief an Oberbürgermeister Erhard Krack, der Bundesdeutsche an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper.

Am 30. September 1990, drei Tage vor der Wiedervereinigung, laufen dann 25.000 Menschen durch das Brandenburger Tor.

Grenzer mit Fernglas

"Die haben alle geheult damals", erzählt Horst Milde. Der 70-Jährige hat bis 2004 den Marathon organisiert, heute kümmert sich sein Sohn Mark um den Lauf mit inzwischen fast 50.000 Teilnehmern.

Es war Mildes Wohnung, in die er 1989 drei Ost-Berliner Teilnehmer eines Crosslaufs am Teufelsberg eingeladen hatte. Der Bäcker und Hobbyläufer Milde organisierte damals ständig Laufveranstaltungen. Am bekanntesten ist der Berlin-Marathon, der seit 1974 im Westen stattfand und in den ersten beiden Jahren noch "Volksmarathon" hieß.

1990 hätte dieser Titel wohl am besten gepasst: ein Lauf, ein Volk.

In den Jahren zuvor konnten die meisten Bürger auf der anderen Mauerseite nur davon träumen, irgendwann einmal mitlaufen zu dürfen. Milde erinnert sich an die Grenzsoldaten, die mit ihren Ferngläsern nach der Spitzentruppe Ausschau hielten. 1988 und 1989 musste der Fernsehturm am Alexanderplatz wegen Überfüllung geschlossen werden, so viele wollten das Spektakel von dort aus verfolgen. Einige DDR-Läufer waren immer unter den Teilnehmern, meist Bürger, die für den Verwandtenbesuch ausreisen durften. Sie starteten unter falschen Namen.

Das Ost-Berliner Pendant des Rennens nannte sich "Friedenslauf". Einmal reiste Milde mit seinem Sohn Mark nach Ost-Berlin, beide reihten sich einfach ins Läuferfeld ein. "Aber wir haben uns nicht willkommen gefühlt. An unseren Schuhen, unserer Kleidung haben die gemerkt, dass wir keine Klassenkämpfer waren", sagt er.

Schnell durchs Tor

Im Jahr 1990 war der Andrang so groß, dass die Organisatoren die Teilnehmerzahl auf 25 000 begrenzen mussten, um des Aufwandes noch Herr zu werden. "Von allen Läufen war es bis heute der emotionalste", sagt Milde. Die Strecke begann am Charlottenburger Tor, von dort waren es 3,2 Kilometer zum Brandenburger Tor. "Die schnellsten 3,2 Kilometer aller Zeiten", sagt der 70-Jährige Milde. "Jeder wollte zuerst durch das Tor laufen." Dem fehlte damals noch die Quadriga. Das japanische Fernsehen hatte deshalb vorgeschlagen, eine Imitation aus Pappe zu fertigen, um sie schnell noch auf das Tor zu hieven. Doch diesen exquisiten Wunsch lehnte Milde ab, auch wenn der Hauptsponsor des Marathons damals eine japanische Firma war.

So legendär das Spektakel im Wendejahr auch war – im Osten interessierten sich in den ersten Jahren nur wenige für den Lauf, hat auch der überfüllte Fernsehturm erst anderes vermuten lassen. "Höchstens am Alex standen einige Leute, das war unheimlich frustrierend", sagt Milde. Er vermutet, "dass die sich in dieser turbulenten Zeit erst mal um ihr eigenes Leben kümmern mussten".

Damit erklärt er sich auch, warum die Teilnehmerzahl bei den folgenden Läufen massiv einbrach – 1991 gingen nur knapp 19.000 Läufer an den Start.

Einige Autobesitzer dürften den Marathon-Tag 1990 noch unangenehm in Erinnerung haben: Als Milde die Strecke am Vorabend inspizierte, sah er, dass noch Autos an der Strecke geparkt waren. Die Ost-Berliner Verwaltung hatte vergessen, auf das Ereignis hinzuweisen. Milde sprach eine Streife der Volkspolizei an. Die fackelte nicht lange – und rief den Abschleppwagen.
 

Tipps und Termine

Die Läufe beginnen am Sonnabend um 9.30 Uhr mit dem Frühstückslauf vom Schloss Charlottenburg zum sechs Kilometer entfernten Olympiastadion. Der Bambinilauf für Kinder beginnt um 14 Uhr auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof. Mitmachen können Kinder bis zehn Jahre (die verschiedenen Altersgruppen starten zeitversetzt). Die Startgebühr beträgt zwei Euro. Der Mini-Marathon für Schüler startet um 15.58 Uhr in der Potsdamer Straße. Um 16.10 Uhr fällt der Startschuss für die Inliner am Brandenburger Tor. Den Anfang zum Marathon machen am Sonntag um 8.35 Uhr die Rollstuhlfahrer, zehn Minuten später die Handbiker, um 9 Uhr die Läufer und Walker. Start für alle ist am Brandenburger Tor.

Während des Wochenendes müssen sich Berliner und Besucher auf zahlreiche Verkehrsbehinderungen einstellen.

Am Sonnabend ist die Laufstrecke der Skater von 15 bis etwa 20 Uhr gesperrt. Während dieser Zeit sind auch der Pariser Platz und die südliche Fahrbahn der Straße Unter den Linden zwischen Wilhelmstraße und Schlossplatz gesperrt. Die Yitzhak-Rabin-Straße und die Heinrich-von-Gagern-Straße zwischen Otto-von-Bismarck-Allee und der Straße des 17. Juni sowie Scheidemannstraße und Paul-Loebe-Allee sind ganztägig bis Montag um 6 Uhr früh gesperrt. Im Startbereich des Mini-Marathons ist die Potsdamer Straße zwischen Scharounstraße und dem Reichpietschufer voll gesperrt.

Am Sonntag sind der Pariser Platz und die südliche Fahrbahn der Straße Unter den Linden von 7.30 Uhr bis 17 Uhr gesperrt sowie die Marathonstrecke abschnittsweise zwischen 7 und 17 Uhr.

Über die aktuellen Sperrungen informiert auch das Verkehrstelefon der Polizei, das am Sonnabend von 13 bis 19 Uhr, am Sonntag von 8 bis 15 Uhr zu erreichen ist. Telefon 46 649 840-50 und -51. Die Polizei empfiehlt, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Im Nahverkehr gilt unverändert der Notfahrplan der S-Bahn. Die Straßenbahn- und Buslinien, die den Streckenverlauf kreuzen, fahren eingeschränkt. Behinderungen gibt es am Sonnabend zwischen 15 und 17 Uhr, am Sonntag zwischen 6 und 16 Uhr. Ob und wie die Linien verkehren, erfährt man beim BVG-Callcenter unter der Telefonnummer 16 44 9.

Der U-Bahn-Takt wird auf drei Linien auf fünf Minuten verdichtet, um die Einschränkungen abzufedern: U2 zwischen Alexanderplatz und Bahnhof Zoo von 8 bis 16 Uhr, U6 zwischen Platz der Luftbrücke und Seestraße von 7.30 bis 15.30 Uhr, U7 zwischen Fehrbelliner Platz und Hermannplatz von 7 bis 15 Uhr.

Eine Gesundheitsmesse findet am Sonnabend auf dem Flughafen Tempelhof statt. "Berlin Vital" bietet ein reichhaltiges Programm für Sport- und Gesundheitsinteressierte. Hier holen Läufer und Skater auch ihre Startnummern ab. Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr.

Für Skater bietet die Messe einen Extra-Bereich. Hersteller und Händler präsentieren sich in einem überdachten Areal auf der Freifläche. Dazu gibt es ein Showprogramm, Informationsgespräche und Talkrunden.

Sehen und hören kann man den Marathon mit dem rbb. Auf Radio Berlin 88,8 gibt es eine Live-Berichterstattung von Sonnabend um 13 Uhr bis Sonntag um 19 Uhr. Das Inliner-Rennen und den Mini-Marathon der Schüler zeigt das rbb-Fernsehen am Sonnabend von 16.10 Uhr bis 17.55 Uhr. Den Hauptmarathon am Sonntag überträgt der Sender von 8.30 Uhr bis 14 Uhr. Eine Zusammenfassung gibt es um 18 Uhr in der ARD-Sportschau. Nachtschwärmer können sich die Höhepunkte in einer Zusammenfassung ab 0.40 Uhr ansehen.

Tom Sundermann in der Berliner Zeitung, Sonnabend, dem 19. September 2009

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