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28
01
2012

„Unsere jüngeren Mitglieder aber und diejenigen, die nach uns kommen, mögen aus dem Inhalte dieses Gedenkblattes das Beispiel edlen Wollens erkennen, dies stets vor Augen haben und ihm nachzueifern versuchen.", fasst der Berliner Ruderverein von 1876 (heute: BRC e.V.) schon 1901 anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums das Ziel der Festschrift zusammen und bietet so eine Antwort auf die Kernfrage: „Was nutzt es einem Sportverein seine Geschichte in einer Chronik festzuhalten?" an. ©Sport in Berlin

Die Freundinnen der Ringer – Wie sich Geschichte im Sportverein bewahren lässt – Christoph M. Cegla in Sport in Berlin

By GRR 0

Die Mitgliederwerbung von Sportvereinen war früher weniger professionell als heute, aber nicht minder erfolgreich. Eine frühere Gymnastik-Trainerin des Sport-Club Lurich 02 e.V. erzählt beim Betrachten eines alten Fotos der Frauen-Abteilung: „Das waren alles die Freundinnen der Ringer!"

Dokumentiert ist diese kleine Episode in der 100-Jahr-Chronik des Vereins.

Der vereinsmäßig organisierte Sport begann vor gut 200 Jahren mit der Gründung der ersten Turnvereine. Darauf folgte eine wahre Gründungswelle: Hauptsächlich Männer aus der bürgerlichen Oberschicht fanden sich in Tennis-, Reitsport- oder Ruderclubs zusammen. Arbeitersportvereine, Sportvereine großer Industrieunternehmen und Kiezclubs folgten bald darauf.

Einige dieser Vereine haben in Berlin bis heute überlebt und blicken auf eine lange, abwechslungsreiche Geschichte zurück. Etwa Hertha BSC oder der SSC Berlin haben ihre 100-jährigen Jubiläen noch vor der Jahrtausendwende groß gefeiert. 2013 wird die Rudervereinigung Hellas-Titania 130 Jahre alt, die Turnerschaft Korporation 150.

„Unsere jüngeren Mitglieder aber und diejenigen, die nach uns kommen, mögen aus dem Inhalte dieses Gedenkblattes das Beispiel edlen Wollens erkennen, dies stets vor Augen haben und ihm nachzueifern versuchen.", fasst der Berliner Ruderverein von 1876 (heute: BRC e.V.) schon 1901 anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums das Ziel der Festschrift zusammen und bietet so eine Antwort auf die Kernfrage: „Was nutzt es einem Sportverein seine Geschichte in einer Chronik festzuhalten?" an.

Pragmatischer gibt der Tennis-Club 1899 Blau-Weiß in seiner Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum zu bedenken: „Wir wollten eine pralle, abwechslungsreiche Lebensgeschichte des Clubs. Wir erfuhren zu unserem Leidwesen nun, dass die meisten persönlichen Erinnerungen mit ihren Trägern entweder gestorben waren, oder dass die Vergangenheit inzwischen zu verschwommen war, um sie noch erzählen zu können."

Noch anders ausgedrückt: Wir bewahren die Vergangenheit unseres Vereins auch für die kommenden Generationen, wir haben ein schönes Geschenk für unsere Mitglieder, wir zeigen ihnen, worauf sie stolz sein können und – nicht zu unterschätzen – wir zeigen Förderern und Sponsoren, dass es sich lohnt ihr Geld in unseren Verein zu investieren.

Je nach Größe, Mitgliedsstruktur und Vermögen fallen die Festschriften ganz unterschiedlich aus. Anfang des 20. Jahrhunderts neigten die Vereine zu Prachtbänden. Sie übertrafen sich gegenseitig mit ledergebundenen, aufwändig bemalten Buchcovern in übergroßen Formaten, benutzten geprägtes oder wassergezeichnetes Papier und dergleichen mehr.  

Mit der Zeit wurden die Chroniken wieder schlichter. Heute sind es meist schöne Hardcover-Bücher, die die Vereinsgeschichte chronologisch mit vielen historischen Fotografien erzählen. Einige Vereine leisten sich besondere Chroniken. Sie dokumentieren die Geschichte ihrer Sportstätten oder die Entwicklung ihrer Sportarten im Berliner Raum – eine elegante Art, sich als ein Hauptvertreter des jeweiligen Sportes zu präsentieren.

Ein Sportverein, der seine Geschichte schreiben will, hat drei Möglichkeiten, das Projekt anpacken zu lassen. Entweder durch engagierte Mitglieder, die Hauptamtlichen oder eine externe Agentur. Jeder dieser Wege hat Vor- aber auch Nachteile: Engagement kann nachlassen, Mitarbeiter sind schon mit dem Tagesgeschäft ausgelastet und eine Agentur kostet Geld.

Doch der Verein hat auch verschiedene Möglichkeiten bei der Finanzierung der Chronik: eine Sonderumlage für die Mitglieder, Sponsoring, Zuschüsse aus der Vereinskasse oder Verkauf.

Wenn die Festschrift dann aber fertig ist, erinnert sich vielleicht nicht nur die alte Gymnastik-Trainerin an die Freundinnen der Ringer, sondern der Senior denkt wieder an seine Kindheit im Verein und begeistert seinen Enkel für eine Mitgliedschaft.

Information: Neumann & Kamp Historische Projekte, Christoph Cegla; Dienstleistungen rund um das Thema Geschichte: Publikationen, Recherchen, Dokumenten-Verwaltung; www.historische-projekte.de

 

Christoph M. Cegla  in SPORT IN BERLIN – Januar-Februar 2012

author: GRR

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