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27
06
2007

Steve Prefontaine indes war nur ein Läufer. Allerdings: „Der populärste US-Läufer aller Zeiten“, wie der Sportkanal ESPN noch heute versichert. Beliebter als all die mit Weltrekorden und Olympiagold dekorierten Bahngiganten der vorausgegangenen und nachfolgenden Generationen, Bob Schul, Bill Mills, Bob Hayes, Jim Ryun, Carl Lewis, Maurice Greene und Michael Johnson.

Die Fährte des Läufers – Galen Rupp soll das Erbe von Steve Prefontaine antreten – Michael Gernandt in der Süddeutschen Zeitung (SZ)

By GRR 0

München – Als Galen Rupp 1986 in Portland (US-Staat Oregon) geboren wurde, war Steve Prefontaine aus Coos Bay in Oregon schon elf Jahre tot: Gestorben, 24-jährig, bei einem Autounfall in der Nacht zum 30. Mai 1975 nach einer Party mit Sportfreunden. Prefontaine hatte seinen Kumpel Frank Shorter, den Marathon-Olympiasieger von München, noch schnell in dessen Quartier abgesetzt und dann den Weg zu seiner Wohnung in Eugene (Oregon) allein im MG fortgesetzt.
In einer Innenstadtkurve verlor er die Gewalt über den Sportwagen. Direkte Zeugen für den Unfall gab es nicht. Es heißt, er könnte am Recorder herumgespielt haben und deshalb nicht aufmerksam gewesen sein. Im Gerät steckte das Band von John Denvers „Back home again“.

Wie ein Rockstar

Der Schock und die Trauer über den plötzlichen Tod lähmte die Leute im Nordwesten der USA und die Leichtathleten im ganzen Land. Sie hatten einen jungen Menschen verloren, den sie wie einen Rockstar vergötterten. Steve Prefontaine indes war nur ein Läufer. Allerdings: „Der populärste US-Läufer aller Zeiten“, wie der Sportkanal ESPN noch heute versichert.

Beliebter als all die mit Weltrekorden und Olympiagold dekorierten Bahngiganten der vorausgegangenen und nachfolgenden Generationen, Bob Schul, Bill Mills, Bob Hayes, Jim Ryun, Carl Lewis, Maurice Greene und Michael Johnson. Mit solchen Auszeichnungen konnte Prefontaine nicht dienen. Gut, er stellte 15 USA-Rekorde auf, gewann 119 von 151 Rennen und war fünf Jahre ohne Niederlage gegen seine Landsleute auf Strecken jenseits der Meile.

Nur, in Medaillen und Bestzeiten ließ sich die Verehrung für Prefontaine nicht messen. Seine Fans intonierten ihre „Go Pre, go“-Sprechchöre, weil sie die Einstellung ihres Helden zu seinem Sport begeisterte. Der lief jedes Rennen, als sei es sein letztes. „Wenn du nur ein bisschen weniger gibst als dein Bestes, opferst du deine Begabung“, philosophierte der Athlet. Derlei wollten sie hören und erleben.
Stets gnadenlos an der Spitze das Tempo bestimmend, ließ „Pre“ wissen:
„Es wird jemand geben, der mich besiegt, aber er muss bluten, um das zu erreichen“.

Kultfigur

Wie im Fall des ebenfalls bei einem Autounfall viel zu früh gestorbenen Schauspielers James Dean wurde auch der Läufer nach seinem Tod zur Kultfigur. So verfilmte Hollywood die Story des Athleten zweimal („Prefontaine“ und „Without limits“), wird die Homepage „stevepre.com“ immer wieder auf den neuesten Stand, pilgern seine Anhänger zu den zahlreichen Gedenkstätten. Sie tragen dann „Go Pre“-Shirts und fahren Autos mit „GO PRE“-Nummerschildern.

Das einzige Grandprix-Meeting in den USA trägt den Namen „Pre Classics“ und wird vom Prefontaine-Biografen Tom Jordan in Eugene organisiert (2007: 10.6.).

Die wichtigste Insignie der kurzen Ära Prefontaine ist in Beaverton zu besichtigen, einem Vorort von Portland, der größten Stadt Oregons: das Stammhaus des Sportartikelkrösus Nike. Pres Coach an der University of Oregon (UO), Bill Bowerman, hatte einen neuen Laufschuh entworfen und der ehemalige UO-Meilenläufer Phil Knight die Produktion in der Firma Blue Ribbon Sports übernommen. Die lief zunächst zäh an, florierte erst, als eine neue Bewegung namens Jogging zu boomen begann. Ihr Auslöser: Steve Prefontaine und seine Erfolge. 1974 erhielt der Langstreckler von Knight, der 1971 die Firma Nike gegründet hatte, als erster Athlet überhaupt einen Profivertrag.

„Pre lives“

Einen US-Läufer mit dem Charisma Prefontaines hätten sie heute gern bei Nike (Werbeslogan: „Pre lives“). Ihr wegen Doping suspendierter 100-m-Weltrekordler Justin Gatlin wird nicht mehr vermarktet, ebenso die in Affären verwickelte Speedqueen Marion Jones. Und die zur Zeit herausragenden Jeremy Wariner (400 m), Tyson Gay (200 m) und Allyson Felix (200 m) rennen für die Konkurrenz (adidas). Immerhin hat es jetzt den Anschein, als könnte sich die Hoffnung, aus Oregon möge noch einmal einer aufbrechen und die Herzen der Lauffreaks gewinnen, doch noch erfüllen:

Knights Nachbar Galen Rupp hat Ende April, wenige Tage vor dem 21. Geburtstag, mit 27:33,48 Minuten einen US-Collegerekord über 10.000 m aufgestellt und dabei eine Reihe höher rangierender ausländischer Konkurrenten ausmanövriert.

Nike interessierte sich schon für den blassen, blonden Arztsohn, als der vor drei Jahren reihenweise Highschool- und Juniorenrekorde brach und stellte ihm einen prominenten Firmenangehörigen zur Seite: Alberto Salazar, den dreimaligen Gewinner des New York-Marathons.
Mitte Mai fuhr Phil Knight nach Palo Alto (Kalifornien), wo Rupp und sein UO-Team die Pac 10 Conference 2007 gewannen, um dem jungen Mann persönlich zu gratulieren.

Gelöbnis: Mehr zu trainieren als andere

Die Erwartungen sind hoch, zumal im Läuferstaat Oregon. Dort geht es nicht um Talent allein. Hier erinnern sie stets auch an Prefontaines Gelöbnis, mehr zu trainieren als andere. Das hat Galen Rupp immerhin schon verinnerlicht. Als er 2003 bei der Jugend-WM weit hinter den Afrikanern ins Ziel kam, sagte er: „Es öffnete mir die Augen: Ich muss von nun an so hart arbeiten, wie es nur geht“.

Rupp will sich im Herbst entscheiden, ob er vorzeitig das Uni-Team verlassen und Vertragsläufer für das größte Unternehmen seiner Heimatstadt werden soll. Dann würde er seine Eltern finanziell nicht mehr belasten.
Die hatten eine zweite Hypothek auf ihr Haus aufnehmen müssen, um den Sport des Sohnes bezahlen zu können. Ein Profikontrakt hülfe, diese Last zu lindern.

Eine andere könnte ungleich schwerer drücken: Prefontaines Fährte aufzunehmen.

Michael Gernandt
Süddeutsche Zeitung
Samstag/Sonntag, dem 9./10. Juni 2007

PS: Galen Rupp erlief am Wochenende bei den US-Trials über 10.000 m den zweiten Platz und sicherte sich die Fahrkarte zu den Weltmeisterschaften nach Osaka:

Men's 10,000m
1) Abdi Abdirahman (AZ), 28:13.51, $4000
2) Galen Rupp (OR), 28:23.31, $3000
3) Dathan Ritzenhein (OR), 28:31.88, $2000

https://www.stevepre.com/
Steve Prefontaine

Prefontaine Classic
Held: June 10th at Hayward Field, Eugene, OR

author: GRR

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