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Die DLV-Laufmaut – „In der Thüringer Laufszene brodelt es“ – Claudia Fehse im „Freien Wort“
Suhl – "Das ist ja wie GEMA für die Füße", meinte ein junger Kollege neulich, als er von der neuen Gebühr hörte. Nun, wie die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte die Verwertungs- und Nutzungsrechte von Urhebern musikalischer Werke regelt, so soll die Lauf-Gebühr, die nun definitiv ab 1. Januar kommen wird, die Veranstalter pro ins Ziel gekommenen Läufer zur Kasse bitten.
Jürgen Lange, Präsident des GutsMuths-Rennsteiglaufvereins, jedenfalls erwartet Antworten, wenn das Thema am kommenden Dienstag in Erfurt besprochen wird. Antworten darauf, wie mit 40 Cent verfahren wird. 40 Cent, die für die Thüringer Vereine übrig bleiben. "Meine Präferenz ist, dass das Geld in die Thüringer Nachwuchsförderung geht", hat Lange klare Vorstellungen.
Ab dem 1. Januar wird eine Gebühr von 50 Cent erhoben. Ursprünglich war vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) sogar eine Finisher-Gebühr von einem Euro vorgesehen, die auf Druck der Landesverbände halbiert wurde. Von diesen 50 Cent gehen zehn direkt an den DLV, der Rest verbleibt beim TLV, dem Thüringer Landesverband.
Im Vorfeld hatte es für reichlich Unmut gesorgt, wie die Vereine über die neue Verordnung informiert worden sind. Nämlich gar nicht, wie Jürgen Lange berichtet: "Ich habe es in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt, dass der DLV solch einen Beschluss erhebt, und man bekommt das dann einfach vor die Nase gesetzt", echauffierte er sich und fügte mit Blick auf den Dienstag und das Gespräch mit den Thüringer Verantwortlichen hinzu: "Wir erwarten Antworten, was der TLV mit diesem Geld vorhat."
Der TLV hatte bei dem Prozess, seine Mitgliedsvereine über die kommende Neuerung zu informieren, keine gute Rolle gespielt, war aus verschiedenen Gründen während der Abstimmungen beim DLV schlicht und einfach nicht anwesend. "Das Kind ist jetzt in den Brunnen gefallen. Nun müssen wir sehen, das Bestmögliche daraus zu machen", sagte Kerstin Herrmann-Girnth, Laufwartin des TLV gegenüber unserer Redaktion.
"Auch wir als Thüringer Leichtathletik-Verband haben uns dafür stark gemacht, dass aus einem Euro 50 Cent wurden", so Herrmann-Girnth. "Jetzt müssen wir entscheiden, was mit den 40 Cent, die bei uns verbleiben, geschehen soll", erläutert die Schmalkalderin: "Ich persönlich bin dafür, dass dieses Geld in der Laufszene verbleibt, dort kommt es ja auch her."
Von einer "Zwangsabgabe" war im Zusammenhang mit der Finisher-Gebühr des Öfteren die Rede, "Läufermaut" wird sie inzwischen auch genannt. Mit dem Rennsteiglauf findet in Thüringen alljährlich eine der größten Laufveranstaltungen Deutschlands statt, darüber hinaus ist der Thüringer Lauf-Kalender ganzjährig proppevoll. Dazu erklärt Herrmann-Girnth: "In anderen Landesverbänden sind die 50 Cent teilweise schon vorher freiwillig bezahlt worden, während Thüringen bisher noch das Privileg genossen hat, nicht davon betroffen gewesen zu sein."
Der TLV hatte bisher von jedem Lauf-Veranstalter, egal ob Rennsteiglauf, Lange-Bahn-Lauf in Suhl oder Rhöner Volkslauf in Dermbach, eine Gebühr von 18 Euro erhoben, wovon jeweils neun Euro an den DLV flossen und die andere Hälfte beim TLV verblieb.
Die Thüringer Lauf-Veranstalter jedenfalls laufen Sturm gegen die "Maut" und denken über weit reichende Konsequenzen nach.
"Unser Lauf würde dann sterben", sagt etwa Marion Dittmar, Organisatorin des Rhöner Volkslaufes, klipp und klar. Ihr Verein, der Rhöner WSV Dermbach, ist zwar Mitglied im Thüringer Ski-Verband, muss aber, da es sich bei dem Lauf um eine Leichtathletik-Veranstaltung handelt, versicherungstechnische Dinge auf anderer Ebene, eben der Lauf-Ebene, absichern.
Die Startgebühren beim Rhöner Volkslauf liegen zwischen fünf für die 6-km-Strecke und zehn Euro für den Halbmarathon. "Wir versuchen, unsere Startgebühren relativ niedrig zu halten, müssten dann aber die Abgabe an die Läufer weitergeben", sagt sie.
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren sind zwar von der Läufermaut nicht betroffen, sie soll ab der Altersklasse U18 gelten.
Dennoch, genau wie der Rhöner Volkslauf erfreut sich etwa auch der Bergbahnlauf bei Oberweißbach wachsender Beliebtheit und bangt um seine Zukunft. Organisator Frank Thomas vom LAV Saale-Rennsteig ist sauer, auch wenn er einschränkt: "Die Idee ist ja nicht grundsätzlich falsch, aber das Gespräch des Verbandes mit der Basis fehlt einfach", sagt auch er. "Der DLV antwortet auf keine unserer Fragen, kommt dafür einfach mit dieser neuen Gebühr daher", echauffiert auch er sich jetzt.
Frank Thomas und Jürgen Lange sind sich sicher, dass es eines enormen organisatorischen und bürokratischen Aufwandes bedürfen wird, die 50 Cent einzutreiben und dann zweckgebunden der Nachwuchsförderung zur Verfügung zu stellen – ganz zu schweigen von den finanziellen Einbußen, die entstehen.
"Für uns kommt bei geschätzten 15 000 Teilnehmern, die auch am 21. Mai 2016 wieder auf und am Rennsteig erwartet werden, einiges zusammen und ein Minus von einem höheren vierstelligen Betrag. Wir müssten dann an anderer Stelle unsere Kosten senken", rechnet Lange vor. Aktuell haben sich bereits 4545 Läuferinnen und Läufer für den Rennsteiglauf 2016 angemeldet, das ist die bisher höchste Anmeldezahl zu diesem Zeitpunkt überhaupt und liegt noch über dem Rekordjahr 2012, als der Rennsteiglauf 40. Jubiläum feierte.
"Betrachtet man die gängige Nachwuchsförderung des DLV, kann man sich einen sinnvollen Einsatz der erhobenen Gebühr nicht vorstellen. Junge Talente werden erst dann unterstützt, wenn sie schon ein sehr hohes Leistungsniveau haben. Die Hauptlast der Ausbildung junger Athleten tragen die Eltern und die Vereine", sagt Lange. Als Beispiel führt er die Nominierungspraxis für die Olympischen Spiele an. Deutsche Normen sind um vieles schärfer als die internationalen. Dieser Aspekt ärgert ihn besonders: "Überzogen scharfe Normen für Marathonläufer; Funktionäre fahren, ohne eine Norm erfüllen zu müssen, nach Rio."
Zwar will sich der Rennsteiglauf-Präsident, der selbst passionierter Läufer ist, nicht den Spaß an der Freude nehmen lassen, lässt aber in diesen Tagen schon juristisch prüfen, ob es überhaupt eine Zahlungsverpflichtung an den DLV beziehungsweise den TLV gibt und und überlegt mögliche Konsequenzen.
Frank Thomas und Jürgen Lange betonen, dass sie eigentlich keinen Bruch mit dem Landesverband wollen und hoffen, dass das Gespräch nächste Woche auf Augenhöhe die vorliegenden Probleme aus der Welt schafft. Sie sind sich darüber einig, dass ein etwaiger Austritt aus dem Landesverband die schlechteste Variante darstellt, zumal laut Frank Thomas beispielsweise der Bergbahnlauf (Teil des beliebten Köstritzer Cups), dessen 17. Auflage für den 7. Mai 2016 geplant ist, über den TLV Zuschläge von Sponsoren erhält. Aber: "Wenn es hart auf hart kommt, wird uns wohl keine andere Wahl bleiben."
Der Dienstag wird nun zeigen, wie hart es für die Thüringer Laufvereine tatsächlich kommt.
Claudia Fehse im "Freien Wort" – Sonnabend, dem 14. November 2015
Leserbrief zum Artikel „In der Laufszene brodelt’s“ im Freien Wort vom 14.11.2015:
Zwei entscheidende Punkte bleiben in dem Artikel unerwähnt:
1. Es gibt keine rechtliche Grundlage für die Erhebung von Gebühren für Laufveranstaltungen. Der DLV hat genauso wenig ein Monopol zur Durchführung von Laufveranstaltungen wie der DFB für Fußballspiele oder der DAV für Kletterwettkämpfe.
Jedem steht es in Deutschland frei, Sportveranstaltungen durchzuführen, soweit es sich nicht um die Teilnahme an verbandseigenen Ligen und Meisterschaften handelt.
2. Der DLV und die Landesverbände erbringen für die von ihnen geforderten Gebühren keinerlei Gegenleistungen. Wenn sie mit der Genehmigung von Laufveranstaltungen Geld verdienen wollen, was wohl das erklärte Ziel ist, müssen sie, wie jeder Dienstleister, hierfür eine adäquate Gegenleistung erbringen. Solange das nicht erfolgt, gibt es für die Laufveranstalter keine Veranlassung, ihre Läufe beim Verband anzumelden und Geld dafür zu bezahlen.
Markus Grigat –
Rechtsanwalt
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