Demnach muss der künftige Veranstalter einen Garantiebetrag an DLP/DLV in Höhe von 75.000 Euro überweisen, festgeschrieben ist zudem ein Etat für nationale Athleten (20.000 Euro). Ein Veranstalter muss demnach 95.000 Euro aufbringen, um die Marathon-DM organisieren zu dürfen. Genauer gesagt sind es 285.000 Euro, weil „Voraussetzung der Abschluss einen Kooperationsvertrags mit drei Jahren Laufzeit“ ist.
Die Deutschen Marathon Meisterschaften des DLV in Mainz und die ganz grundsätzlichen Schwierigkeiten dieser Veranstaltung. Uwe Martin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die Frage steht beim Mainzer Gutenberg-Marathon seit dem Jahr 2007 im Raum. Solange sind am Rhein nämlich die nationalen Meisterschaften über 42,195 Kilometer integriert. Beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ist man das Dauerthema „Weshalb sind so gut wie nie Topläufer bei der DM am Start?“ mittlerweile so leid, dass Fragesteller schon mal die Antwort bekommen: „Das war doch schon immer so.“
Was auf die jüngere Vergangenheit zutrifft, aber auch die Hilf- und Konzeptlosigkeit dokumentiert. Weil es etwa in Großbritannien nämlich anders geht. Doch dem zuständigen Bundestrainer Detlef Uhlemann ist es schlichtweg egal, bei welchen Wettkämpfen die wenigen deutschen Spitzenkräfte ihre DLV-Normen für die jeweiligen internationalen Meisterschaften laufen.
Irina Mikitenko (Wattenscheid), Sabrina Mockenhaupt (Köln) und die derzeit verletzte Europameisterin Ulrike Maisch (Rostock) folgen verständlicherweise dem Ruf des Geldes, starten nur bei renommierten Stadtmarathons. In London, Berlin, Frankfurt – wo auch immer.
Aber was ist mit den international ohnehin höchstens drittklassigen deutschen Männern?
Gute Frage, findet Herbert Steffny. Der EM-Dritte von 1986 ist ein Insider der Marathonszene und stellt die Gegenfrage: Was will der Athlet? „Erstens eine schnelle Zeit, zweitens Geld.“ Hier beginnen die Probleme. Zwar hat Susanne Hahn vor zwei Jahren als Mainz-Siegerin mit 2:29:33 Stunden bewiesen, dass der Kurs nicht langsam ist, einen Wahrnehmungsumschwung brachte dies nicht.
Und zu verdienen gibt es bei den deutschen Marathonmeisterschaften vergleichsweise nur Kleingeld. Der Sieger/ die Siegerin erhalten maximal 1500 Euro. Der Marktwert der zweitbesten Deutschen, Sabrina Mockenhaupt (2:26:22), dürfte fast zwanzigmal so hoch sein. Und Irina Mikitenko ist ohnehin nur noch von den World-Major-Marathons zu bezahlen.
Dass jedoch beispielsweise der viertbeste deutsche Mann im Jahr 2009, Tobias Sauter von der SG Spergau (2:17:26), vor einer Woche den Start beim Düsseldorf-Marathon vorgezogen hat und zudem vorzeitig ausstieg, irritiert Steffny. „Warum hat er sich nicht den deutschen Titel abgeholt?“ Ja, warum? Vielleicht, weil es längst Freizeitlauf-Meisterschaften auf gehobenen Niveau geworden sind.
Die bedeutenden deutschen Stadtmarathons (Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln) sind längst abgekoppelt von der DM, weil sie andere Sportartikelhersteller als Sponsoren im Boot haben wie der Verband mit dem amerikanischen Konzern Nike.
Und so dümpelt die Marathon-DM vor sich hin. „Hochwertigere Teilnehmerfelder lassen sich nur mit Geld realisieren“, sagt Jo Schindler, Renndirektor des Frankfurt-Marathons. „Der DLV muss Geld in die Hand nehmen“, meint auch Wilfried Raatz, verantwortlich für den Mannheim-Marathon. Schindler erinnert sich noch leidvoll an die Marathon-DM 1997, die er seinerzeit in Regensburg organisierte. „Das war ein Katastrophen-Knebel-Vertrag.“ 17.000 Mark musste er an den Verband bezahlen, die zu präsentierenden Sponsoren waren vorgegeben, die regionalen Partner wurden dadurch vergrätzt.
Eine Idee, sagt Steffny, wäre die direkte Vergabe von zwei der drei internationalen Meisterschaftsstartplätze bei den deutschen Titelkämpfen. Doch hierfür müsste der DLV seine Nominierungsrichtlinien grundlegend ändern. Und – über seinen Generalausrüster Nike? – Geld in die Hand nehmen für den professionellen Marathonbereich.
Die aktuelle Stoßrichtung scheint eine andere zu sein. Im Umlauf ist nämlich ein vierseitiges Papier der DLV-Vermarktungsgesellschaft (DLP) mit der Überschrift „Anforderungsprofil – Integration der DM-Marathon in bestehende Marathonveranstaltungen“.
Demnach muss der künftige Veranstalter einen Garantiebetrag an DLP/DLV in Höhe von 75.000 Euro überweisen, festgeschrieben ist zudem ein Etat für nationale Athleten (20.000 Euro). Ein Veranstalter muss demnach 95.000 Euro aufbringen, um die Marathon-DM organisieren zu dürfen. Genauer gesagt sind es 285.000 Euro, weil „Voraussetzung der Abschluss einen Kooperationsvertrags mit drei Jahren Laufzeit“ ist.
Als Gegenleistung werden unter anderem „Sachpreise für Siegerehrungen im Wert von 3.000 Euro“ und „Integration von DLV-Topathleten“ garantiert. Letzteres dürfte traditionell wohl eher im Rahmenprogramm stattfinden. Verdienen will die DLP auch, wenn sie bei der Vermarktung tätig wird – „nach branchenüblichen Provisionen“.
Wie der geneigte DM-Veranstalter seine Ausgaben jemals refinanzieren soll, erschließt sich allerdings auch auf den zweiten Blick nicht. Gerüchteweise hat der Hannover-Marathon trotzdem bereits Interesse bekundet. Und Mainz? Wird es dort im Jahr 2011 die fünfte deutsche Meisterschaft in Folge geben? „Wir werden mit dem DLV Gespräche führen, um die Marathon-DM zu behalten“, sagt Sportdezernent Günter Beck.
Bernadette Pichlmaier (LAG Mittlere Isar/2:40:48) verteidigte am gestrigen Sonntag ihren deutschen Titel, bei den Männern lief Dennis Pyka (Regensburg/2:20:09) erstmals zu Meisterehren.
Zusammen sind sie 79 Jahre alt.
UWE MARTIN im Rhein-Main-Sport der der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 10. Mai 2010
Beiträge zum Thema auf GRR:
EN