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21
05
2015

Der älteste Marathon in Europa ist der von Kosice, der zweitgrössten Stadt der Slowakei. Er nennt sich „Friedensmarathon“ und hat seinen Platz im internationalen Laufkalender am zweiten Sonntag im Oktober. Ausser in den Kriegsjahren wurde der Marathon jedes Jahr durchgeführt, von 1924-1937, 1939 und seit 1941 ohne Unterbruch. ©Kosice Marathon

Die ältesten Laufveranstaltungen – In Verona wurde nackt um ein Stück Stoff gekämpft – Jürg Wirz in LAUFZEIT & CONDITION

By GRR 0

Die Geschichte des Laufsports ist sehr gut dokumentiert. Nach Entstehen der ersten Kulturen fanden sich bereits erste Wettkampfformen, zuerst bei den Ägyptern und dann bei den Griechen.

Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"

Am Anfang des Laufsports im heutigen Sinn steht England. Der Adel erfreute sich schon im 18. und 19. Jahrhundert neben Pferderennen an den Wettläufen der sogenannten Footmen, meist Bedienstete, die gegeneinander antraten. Beträchtliche Wetten wurden auf den Ausgang der Rennen abgeschlossen.

Entsprechend soll es oft auch zu Absprachen und Manipulationen gekommen sein.

Die Suche nach den ersten Volksläufen ist schon etwas schwieriger. Die Vereinigung der Strassenlauf-Statistiker (ARRS) nennt den Palio del Drappo Verde in Verona als ältesten Strassenlauf der Welt. Der Lauf wurde von 1208 bis 1797 ausgetragen und ist seit 2008 wieder im Kalender.

Mit dem Lauf wurde der Sieg der Stadtrepublik Verona über die Grafen von San Bonifazio und die Montecchi-Familie gefeiert. Der Name kommt vom Preis, den der Sieger erhielt: ein Stück grüner Stoff, vermutlich aus der damals sehr kostbaren Seide. Auch der Letzte ging nicht leer aus, er erhielt einen Hahn.

1271 wurde die Veranstaltung im „Statuto Albertino“ verankert. Festgeschrieben wurde auch der Termin: der erste Sonntag der Fastenzeit, die vom Aschermittwoch bis Ostern dauert. Und 1393, lange, bevor andernorts Frauen zugelassen wurden – beim Boston-Marathon zum Beispiel erst 1972 – gab es auch ein Rennen für das „schwache Geschlecht“.

Dabei sollte es sich um „redliche, verheiratete oder zumindest verlobte Frauen“ handeln. Nur im Falle, dass sich keine solche Frauen melden würden, könnten auch „Mägde und andere Frauenzimmer“ teilnehmen.
 
Die männlichen Teilnehmer rannten nackt. Ob in Anlehnung an die griechische Antike oder damit der Gegner nicht an den Kleidern zurückgehalten werden konnte, ist nicht überliefert. Der britische Sporthistoriker Andy Milroy hält den zweiten Grund als wahrscheinlicher, „weil in den damaligen Rennen oft auch die Hände zu Hilfe genommen wurden.“ Ob auch die Frauen ihre Rennen nackt austrugen, hat der Chronist nicht herausgefunden.

In Carnwath gibt’s Kniestrümpfe

Das Guiness-Buch der Rekorde führt das „Red Hose 5 Mile Race“ in der schottischen Ortschaft Carnwath als ältestes Rennen. Zu Unrecht, wie wir finden. Was für die Schotten spricht: Seit 1508 fand der Lauf mit Ausnahme der beiden Weltkriege und der Jahre 1926 (Generalstreik) sowie 1952 und 2001 (Maul- und Klauenseuche) immer statt.

Es begann damit, dass König James IV von Schottland das Land um Carnwath herum einem Lord Sommerville abtrat – mit einer ganz speziellen Bedingung: immer im Juni sollte Carnwaths schnellster Läufer erkoren werden. Allerdings nicht aus sportlichen Gründen. Der König dachte an etwas anderes: So konnten Neuigkeiten eines feindlichen Einfalls oder einer anderen Gefahr schnell überbracht werden. Die roten Socken, die es auch heute noch als Preis gibt: damit der Läufer von Weitem erkannt wird.

1640 wurde Carnwath von der Lockhart-Familie erworben, doch auch die Nachkommen müssen das „Red Hose 5 Mile Race“ weiterführen. Nur Königin Elizabeths Kammerherr könnte eine Aufhebung beschliessen.

Den dritten Podiumsplatz nimmt das „Christmas Day Handicap Race for the Challenge Trophy“ in Rotherham (South Yorkshire, England) ein. Der Lauf steht, wie immer seit der Premiere 1888, nur Mitgliedern der Rotherham Harriers offen. Wie der Name sagt, handelt es sich um ein Handicap-Rennen.

Die Handicaps werden von den Klubfunktionären ausgerechnet. Die 5 Meilen (8 km) werden auf einer 2,66 km langen Runde zurückgelegt, zuerst links rum, dann rechts rum und dann wieder links rum. Eine weitere Besonderheit: Die Teilnehmer sind angehalten, kleine Geschenke mitzubringen, die bei der Preisverteilung ausgetauscht werden.

119 Mal Boston-Marathon

Unter den Top Ten figuriert auch ein Marathon. Die Premiere des Boston-Marathons war 1897, ein Jahr nach den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit. Tatsächlich war der Olympiamarathon der Auslöser. Eine Delegation der Boston Athletics Association war von den Darbietungen in Athen so begeistert, dass am Patriot’s Day des folgenden Jahres der erste Marathon organisiert wurde.

15 Läufer waren am Start, zehn schafften es ins Ziel, am schnellsten John J. McDermott aus New York in 2:55:10 Stunden. Die Strecke war in den ersten Jahren allerdings bloss 39,2 Kilometer lang.

Seit damals fand der Boston-Marathon immer am dritten April-Montag statt, mit einer kleinen Einschränkung: 1918, als der Erste Weltkrieg in vollem Gange war, wurde anstelle eines Marathons ein Staffellauf für Soldaten durchgeführt: je 10 Mann liefen – in Uniform – je  zweieinhalb Meilen.

Der älteste Marathon in Europa ist der von Kosice, der zweitgrössten Stadt der Slowakei. Er nennt sich „Friedensmarathon“ und hat seinen Platz im internationalen Laufkalender am zweiten Sonntag im Oktober. Ausser in den Kriegsjahren wurde der Marathon jedes Jahr durchgeführt, von 1924-1937, 1939 und seit 1941 ohne Unterbruch.

Dieses Jahr findet er zum 90. Mal statt. Trotz seiner Tradition ist der Kosice-Marathon in Westeuropa höchstens ein Geheimtipp und bringt es auf der Originaldistanz nur auf knapp über tausend Teilnehmer. Dabei spielte er vor allem während des Kalten Krieges eine wichtige Rolle. Hier trafen sich Marathonläufer aus Ost und West und unterwanderten so die restriktiven DDR-Bestimmungen.

Viele bekannte Läufer wie Abebe Bikila, Ron Hill oder Tegla Toroupe waren hier am Start und natürlich die gesamte DDR-Prominenz, angeführt von Doppel-Olympiasieger Waldemar Cierpinski. 1987 gewann Jörg Peter, ein Jahr später Michael Heilmann. Als Sieger erhielt Heilmann einen Personenwagen der Marke Skoda. Dieser, ein Luxusobjekt im Trabbi-Land, wurde ihm aber von den Grenzbehörden abgenommen. Etwas mehr als ein Jahr später, nach dem Fall der Berliner Mauer, wäre das nicht mehr passiert.

Scharfenstein, Straussee und Paderborn

Gleich lang wie den Boston-Marathon gibt es in Europa den über 10 Kilometer führenden Bechovice-Prag-Lauf, und nur ein Jahr jünger ist der Kungsbackaloppet, der Halbmarathon im schwedischen Göteborg.

Die deutsche Liste wird angeführt vom Scharfensteinlauf in Beuren (Bundeland Thüringen). Die Veranstaltung wurde erstmals 1925 durchgeführt, zu Beginn in Form von „Waldläufen und Waldübungen“, wie auf der Webseite nachzulesen ist. Inzwischen werden in den Hauptklassen zwei Distanzen angeboten: 9 und 18 Kilometer. Der Lauf ist aber nicht gross gewachsen: Die 365 Teilnehmer aus dem Vorjahr sind Rekord.

Am Pfingstsamstag findet der Scharfensteinlauf zum 84. Mal statt.

Auf Platz zwei befindet sich der Strausseelauf in Strausberg (30 km östlich von Berlin). Er erlebte seine Premiere ein Jahr vor dem Scharfensteinlauf, wurde aber 1926 und 1939 bis 1950 nicht ausgetragen, so dass es am 3. Oktober „erst“ zur 79. Austragung kommt. Beim Strausseelauf kann man zwischen der vollen Distanz von 9,2 Kilometern und dem Halblauf (4,1 km) wählen. Es gibt auch eine Kategorie Nordic Walking. Letztes Jahr waren 839 klassiert.

Der Paderborner Osterlauf ist die Nummer drei, zweifellos aber der älteste Stadtlauf in Deutschland und viel grösser und bedeutender als die Veranstaltungen in Beuren und Strausberg.

Bei der ersten Austragung 1947 betrug die Distanz noch 3,5 Kilometer. 1974 fiel der erste Startschuss über 10 Kilometer. Längst gehört auch ein internationalen Halbmarathon zum Programm; das Angebot umfasst auch Rennen für weniger Ambitionierte, für Inline-Skater und Kinder. Insgesamt brachte es der Paderborner Osterlauf bei seiner 69. Austragung am Karsamstag auf rund 8000 Teilnehmer.

Die gute alte Zeit…

Als 1896 die ersten Olympischen Spiele stattfanden, waren nur 13 Länder vertreten. Auch Italien verzichtete auf eine Teilnahme. Doch Carlo Airoldi, ein 27-Jähriger aus Saronno in der Lombardei, damals ein prominenter Langstreckenläufer, wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren. Er entschloss sich, auf eigene Faust nach Athen zu gehen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: zu Fuss.

Er verliess Mailand am 28. Februar und traf am 31. März in Athen ein. Zwischen Ragusa und Corfu und von Corfu nach Patras sass er im Schiff. Zu Fuss legte er etwa 1340 Kilometer zurück, im Durchschnitt 50 km pro Tag. In Athen angekommen, erlebte der tüchtige Italiener dann aber eine böse Überraschung. Als er den griechischen Funktionären von seinen verschiedenen Siegen erzählte und auch ein paar Preise und Preisgelder erwähnte, wurde er von der Teilnahme ausgeschlossen; die Olympischen Spiele waren nur für blütenreine Amateure.

Der älteste Marathoni

Fauja Singh, ein Brite mit indischen Wurzeln, gilt als ältester Mensch, der je einen Marathon beendet hat. Im Oktober 2011 lief Sing den Toronto-Marathon in 8 Stunden, 25 Minuten und 16 Sekunden. Er war damals 100 Jahre und sechs Monate alt. Das scheint jedenfalls sein  britischer Pass zu belegen; Geburtsdatum: 1. April 1911.

Das Guniness-Buch der Rekorde anerkennt Sings Leistung allerdings nicht, weil er keine Geburtsurkunde vorlegen konnte. Dort gilt der Grieche Dimitrion Yordanidis als Rekordhalter. Yordanidis lief den „Originalmarathon“ von Marathon nach Athen am 10. Oktober 1976 in 7 Stunden und 33 Minuten. Er war 98 Jahre alt.

Auch die Schweiz hat einen Marathon-Methusalem:  Albert Stricker aus St. Gallen lief den Luzern-Marathon im Herbst 2013 als 90-Jähriger in 6 Stunden, 48 Minuten und 55 Sekunden.

Es war sein allererster Marathon!

Jürg Wirz in LAUFZEIT & CONDITION – Mai 2015 

Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT: 

Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"

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