Trainer waren daran gescheitert, Fosbury beizubringen, wie man sich beim Straddle bäuchlings über die Latte rollt
Dick Fosbury 65 – „Der faulste Springer der Welt“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Der Sprung hätte alle möglichen Namen bekommen können. „Er springt wie jemand, der aus einem Fenster im dreißigsten Stock fällt“, schrieb ein Reporter. „Der faulste Springer der Welt“, lästerte ein anderer, weil der Springer auf dem Foto rücklings auf der Latte zu liegen schien.
Alle fanden es irgendwie selbstmörderisch, mit dem Kopf voran über ein reichlich zwei Meter hohes Hindernis zu hechten. Einen erinnerte die Art, wie der Springer dabei die Beine hochriss, an einen zappelnden Fisch.
Das war der Begriff, der hängenblieb: Flop.
Die 80.000 Zuschauer waren aus dem Häuschen, als Richard Fosbury 1968 in Mexico City Olympiasieger wurde: Mit hoher Geschwindigkeit rannte er schräg auf die Latte zu, und in dem Moment, da er abzudrehen schien, hob ihn sein Schwung in einem steilen Bogen in die Luft. Rücklings stürzte er jenseits der Latte zu Boden. Angeblich war der 1,95 Meter große Fosbury ein eher mittelmäßiger Athlet. In Mexiko gewann er mit 2,24 Metern die Goldmedaille.
Tueftler Fosbury – Hochsprung-Ikone wider Willen – Also sprang er rückwärts drüber – und wurde Olympiasieger
Die sechziger Jahre. Auf den Hochsprunganlagen Nordamerikas werden die Gruben voller Sand, Sägemehl oder Hobelspäne durch Bündel von aufgeschäumtem Kunststoff ersetzt. Leichtathletiktrainer scheitern daran, einem jungen Springer namens Dick Fosbury beizubringen, wie man sich bei einem Straddle bäuchlings über die Latte rollte.
Soll er halt im Scherenschlag springen, bei dem er auf den Füßen landet. Fosbury springt und springt. Er habe den Sprung nicht bewusst verändert, erzählt er später. Die Bewegung habe sich natürlich in ihm geändert. Sie habe praktisch in der Luft gelegen, sagte Fosbury einmal. Er habe gar nicht verstanden, dass andere den Ablauf nicht sofort begriffen. Es gab seinerzeit sportwissenschaftliche Konferenzen, auf denen diskutiert wurde, warum diese Technik nicht funktionieren könne.
Damals eine Sensation – heute gibt es keinen anderen Sprungstil mehr neben dem Flop
1968 wird der Höhepunkt von Fosburys sportlicher Laufbahn. Doch er muss darum kämpfen. Wie Millionen andere junge Männer will Amerika ihn nach Vietnam schicken. Er ist bereits gemustert und eingeteilt. Da erscheint er bei den Militärärzten mit Röntgenaufnahmen und überzeugt sie davon, dass seine Wirbelsäule defekt ist. Wenige Monate später siegte er bei den Trials. Statt in den Krieg fliegt er nach Mexiko.
Im Olympischen Dorf trifft er Deutsche und Russen. „Man hatte uns erzählt, dass sie unsere Feinde seien“, erzählt er. „Aber ich erfuhr, dass wir mehr gemeinsam hatten, als uns trennte.“ Der Rücken macht Fosbury dann doch noch Ärger. Anfang 2008 wird an seinem Rückgrat ein Tumor diagnostiziert, Lähmung droht. Fosbury, längst Ingenieur und Unternehmer, lässt die Öffentlichkeit durch seinen Blog an Operation, Chemotherapie und Genesung teilhaben. Im Jahr nach den Olympischen Spielen von Peking schreibt er, dass er gesund sei.
Dick Fosbury 2009: Ingenieur und Unternehmer
Der Flop, heute ein Wort für das Scheitern, vor 45 Jahren eine Kuriosität, war eine Revolution des Sports. Dennoch spricht kein Mensch mehr vom Fosbury-Flop. Es bedarf des Namens nicht mehr, denn es gibt im Spitzensport keine andere Art des Hochsprungs mehr.
Dick Fosbury wurde an diesem Dienstag 65 Jahre alt.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 6. März 2012