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17
05
2022

Vertritt diesmal den Sport: Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) - Friedhelm Julius Beucher Foto: „picture alliance / DBS“

DFB und DOSB werden ignoriert: Bornierte Politiker- Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Dass die wichtigsten Verbände des Sports abermals keine Einladung erhalten ins politische Berlin, wenn dort zum Thema Menschenrechte getagt wird, zeugt von einem eklatanten, längst auffälligen Widerspruch

Dem ehemaligen SPD-Abgeordneten des Deutschen Bundestages und Vorsitzenden des Sportausschusses wird es nicht schwerfallen, an diesem Mittwoch im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe darzulegen, welchen Zwängen der Sport unterliegt, welchen Hoffnungen und welcher Gier er erliegt, wenn er sich mit Autokraten und Diktatoren einlässt. Beucher könnte mühelos erklären, warum das IOC seine Winterspiele nach Peking vergibt, obwohl China einen Großteil seiner Bürger verfolgt und Uiguren massenhaft interniert. Und er wird auch gewisse Einsicht in die Gründe dafür haben, dass der Fußball-Weltverband FIFA seine Weltmeisterschaft an Qatar vergibt, ein Emirat, das immer noch lernt, was Menschenrechte sind. Beucher ist weit vernetzt und bis heute Vertreter einer großen Koalition des Sports; noch am Dienstag besuchte der Sozialdemokrat die Arbeitsgemeinschaft Sport der Union.

Doch Sport und Fußball zu vertreten im Ausschuss ist nicht Beuchers Aufgabe. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat mit Bernd Neuendorf seit wenigen Wochen einen Politiker an seine Spitze gewählt, der sich als sichtbares Zeichen seines Engagements für Familien einsetzen will, die Mitglieder dadurch verloren haben, dass diese auf Baustellen in Qatar ums Leben kamen. Den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) führt seit Dezember der international erfahrene Thomas Weikert mit dem erklärten Willen, einen Beirat für Menschenrechte zu schaffen, um nicht immer erst bei der Vergabe von Großveranstaltungen an zweifelhafte Regime über das Thema zu lamentieren. Beide hat der Ausschuss nicht eingeladen.

Nun mag man Neuendorf und Weikert für Anfänger halten, ihre Einstellung scheinheilig finden oder ihre Position gegenüber IOC und FIFA als wirkungslos einschätzen. Aber selbst dies würde eher für eine Einladung sprechen als dagegen. Die Politik schert sich nicht darum. Im vergangenen Jahr interessierte sich der Gesundheitsausschuss nicht im Ansatz für die Einstellung der größten deutschen Sportverbände, als er eine öffentliche Anhörung zu den Folgen der Pandemie organisierte. Das war ebenso ein Hinweis auf die mangelhafte Interessenvertretung des Sports wie auf die Ignoranz von Politikern.

Die Haltung des Menschenrechts-Ausschusses wirkt wie die nächste  Ohrfeige.

Zum Thema Menschenrechte und Sport Athletenvertreter einzuladen und Menschenrechts- sowie Arbeitsorganisationen ist dringend geboten. Die Repräsentanten von mehr als 25 Millionen Sportlerinnen und Sportlern in 90.000 Vereinen links liegen zu lassen, lässt sich mit eklatanter Ahnungslosigkeit und mangelnder Präsenz des organisierten Sports in der Politik nicht erklären und schon gar nicht entschuldigen. Die Besetzung dieser Anhörung zeugt von erschreckender Borniertheit.

Und von einem eklatanten, längst auffälligen Widerspruch:  Politiker predigen sonntags das Verbindende des Sports, nehmen die Arbeit und die Erfahrungen des Sports im Alltag aber nicht ernst.

Daran ändert auch die Einladung für Friedhelm Julius Beucher nichts.

Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 10. Mai 2022

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR