Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Deutsche Spitzensportreform: Vor dem Crash – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Innenministerin Faeser und DOSB-Vorstand Burmester drücken mächtig aufs Tempo. Die Spitzensport-Agentur soll noch vor der Bundestagswahl stehen. Die Kritik des Bundesrechnungshofs zeigt: Das kann nicht gut gehen.
„Was erlauben!“, schimpfen die einen. „Endlich spricht jemand das Offensichtliche an!“, freuen sich die anderen. Die unendliche Geschichte der Spitzensportreform hat ein neues Kapitel bekommen, und es könnte das vorerst letzte sein.
Der Bundesrechnungshof und der durch seinen Sitz im Haushaltsausschuss des Bundestages mächtige Abgeordnete Martin Gerster stellen sich, wie gerade bekannt wurde, gegen die Pläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Torsten Burmester, dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Diese wollen die staatliche Spitzensportförderung im Wert einiger Hundert Millionen Euro mittels einer sogenannten unabhängigen Agentur praktisch privatisieren.
Sie wollen erreichen, was in Jahren und Jahrzehnten staatlicher Spitzensportförderung nicht gelungen ist: überbordende Bürokratie durch flexible Führung zu ersetzen, eine lähmende Verwaltung zu einem effektiven und erfolgsorientierten olympischen Start-up zu machen. So sollen Athleten erfolgreicher werden und Medaillen um Medaillen gewinnen.
Da fallen gerade die Räder ab
Wer daran glaubt, klagt nun über die maßlose Einmischung der Pfennigfuchser aus Bonn. Sie kümmerten sich um Dinge, die sie nichts angingen. Die Kulturstaatssekretärin entscheidet schließlich auch nicht, welche Bilder von der Kulturförderung des Bundes gekauft, welche Stücke gespielt werden.
Wer eher skeptisch ist, sieht neben dem drohenden Kontrollverlust des Haushaltsgesetzgebers die unheilvolle Eile, mit der wieder einmal die Reform betrieben wird. Eine Debatte über die Ziele der Neukonstruktion ist ausdrücklich auf die Zeit nach dem Entwurf eines Sportfördergesetzes und der Gründung der Spitzensport-Agentur datiert.
Faeser tritt derart vehement aufs Gaspedal, und ihr Beifahrer Burmester feuert sie dabei an, weil sie ihr Ziel vor der Bundestagswahl 2025 erreichen wollen. Da bleibt, nach parlamentarischem Maßstab, nicht viel Zeit. Das Dumme daran: In rasender Fahrt fallen dem Sportwagen des Teams Faeser/Burmester gerade die Räder ab.
Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 19.10.2023