Wenig Leuchttürme in einer tristen Laufbilanz: Irina Mikitenko rennt vergeblich der 5000 m-Norm nach – Jan Fitschen begnügt sich mit Sprintsieg gegen André Pollmächer - Guter Auftritt von Verena Dreier über die Hindernisse
Deutsche Meisterschaften in Ulm: Ernüchterung in Ulm: Deutsche Läufer (fast) ohne internationales Niveau
Wenig Leuchttürme in einer tristen Laufbilanz: Irina Mikitenko rennt vergeblich der 5000 m-Norm nach – Jan Fitschen begnügt sich mit Sprintsieg gegen André Pollmächer – Guter Auftritt von Verena Dreier über die Hindernisse
Wer auf den Klinsmann-Effekt gehofft hatte, der sah sich bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Ulm auf dem Holzweg. Der große Show-down fand nach dem Debakel von Malaga nicht statt, als die deutschen Leichtathleten mit ihrer männlichen als auch weiblichen Abteilung der europäischen Konkurrenz bei nahezu allen Wettbewerben hinterher hinkten. Während alleine die Werfer Medaillenpotential für die in Kürze anstehenden Europameisterschaften in Göteborg verrieten, versanken vor allem die Läufer in eine relative Bedeutungslosigkeit.
Wo sind die vielgepriesenen hoffnungsvollen Talente? Sie sind mit dem Vergrößerungsglas nur vage in der Ferne auszumachen. Etablierte wie Irina Mikitenko oder die diesmal ungewohnt wenig Lauffreude versprühende Sabrina Mockenhaupt, die sich mehr und mehr von der Bahn in Richtung Straße verabschieden werden, oder ein angestrengt wie gehemmt wirkender René Herms oder der im Sprint überlegene Jan Fitschen heben sich aus der Masse der Bedeutungslosigkeit heraus.
Internationales Maß verrät sicherlich auch Vereina Dreier, die junge Hindernisläufern. Zu wenig, um selbst auf Europas Bühnen bestehen zu können. Jugendlicher Drang ist hier und da sicherlich zu spüren, doch alleine es fehlt der Glaube, dass sich hier und dort einer anbietet, der aus dem Tal der Tränen herausführen könnte. Wo ist der große Hebel, den es umzulegen gilt, damit der deutsche Mittel- und Langstreckenlauf die Kurve wieder bekommt?
Hier unser Ulmer Streifzug durch die Laufwettbewerbe:
800 m:
Männer: Frei nach dem Motto „Mir nach, ich folge euch“ lässt sich der Auftritt von René Herms charakterisieren, der als „Leuchtturm“ einer Disziplin zu wenig tut, um als nunmehr 12facher deutscher Meister mit gutem Beispiel (sprich Tempo) voran zu gehen. Anstelle eines forschen Auftritts genügt einmal mehr dem langen Schlacks aus Pirna ein Buchhalter-Auftritt, der alleine mit wenig Aufwand zur Beförderung strebt. Einziger erfreulicher Tatbestand bei Resultaten im Bereich 1:48 und mehr, mit René Bauschinger (2.), Moritz Waldmann (3.), Maximilian Wessel (5.), Martin Conrad (6.) und Simon Huckestein (8.) gehören alleine fünf der Finalisten dem Jahrgang 1985 oder 1986 an.
Frauen: Die ausdauerschnelle Wohngemeinschaft Monika Gratzki und Janina Goldfuß hat es prächtig hingebogen, das mit Gold und Silber in einem mäßig spannenden Finale mit eher enttäuschenden Ergebnissen. Gratzki wird alleine in Richtung Göteborg planen können, hat sie doch im Vorfeld mit 2:00,92 die verschärfte EM-Norm von 2:01,50 unterboten. Dahinter mühten sich junge Athletinnen wie Annett Horna (Jahrgang 1987) und Diana Dienel (1988) um gute Ergebnisse mit internationalem Zuschnitt, doch was sollten diese Talente anrichten, wenn das Rennen einfach nicht schnell genug für ansprechende Zeiten ist. Ein kleiner Trost jedoch für beide: Im Schatten der beiden Wattenscheider Siegläuferinnen platzierten sich beide als Dritte bzw. Fünfte anständig. Erschreckend jedoch, dass gerade einmal 10 Läuferinnen zu den Vorläufen antreten wollten, wovon sich acht für das Finale qualifizierten.
1500 m:
Männer: Die Berliner Fraktion hat es mit vereinten Kräften nicht richten können, das mit der möglichen EM-Norm (3:37,50). Dazu war das Rennen nicht konsequent genug, so dass letztlich nur die Spannung auf den Kampf um die Medaillen blieb. Für die Schlangen, Stifel und Haschke gab es wenigstens den Titel, den sich der in einer bereinigten DLV-Jahresbestenliste führende Carsten Schlangen erstmals sichern konnte.
Der aus Meppen stammende 26jährige hatte auf der Zielgeraden den besseren Spurt gegenüber dem zweifellos talentierten Erfurter Stefan Eberhardt, der mit seinen 21 Jahren durchaus eine Hoffnung für die Zukunft sein kann. Der „dienstälteste“ 1500 m-Läufer ist Marc-André Kowalinski mit Jahrgang 1978 und wurde Fünfter, ansonsten dominieren die 80er Jahrgänge – und das ist gut so für eine Disziplin, die seit einigen Jahren im tristen Mittelmaß versinkt.
Frauen: Wer auf Antje Möldner gesetzt hat, der sah sich diesmal getäuscht. Die 22jährige Potsdamerin, aktuell das Aushängeschild in einer schwächelnden Disziplin, ließ sich im Spurt von Kerstin Werner überraschen, die zwar aus dem Schwäbischen stammt, aber aus Liebe zu Alexander Lubina im zweiten Jahr nun das Wattenscheider TV-Trikot trägt.
Die vorzugsweise 800 m laufende Kerstin Werner scheint in einer guten Saison nach reichlich Verletzungspech zu stehen, schließlich holte sie schon im Verbund mit Monika Gratzki und Janina Goldfuß im Mai den Staffeltitel – auf jener Bahn, auf der sie unter Isabelle und Dieter Baumann zuvor trainiert hatte, in Tübingen nämlich.
5000 m:
Männer: Nur gut, dass Jan Fitschen und Arne Gabius ihre Hausaufgaben, sprich EM-Norm bereits vor einigen Wochen gemacht haben, im Glutofen von Ulm war dies sicherlich, trotz der „günstigeren“ Startzeit von 19.00 Uhr, kaum machbar. So entwickelte sich ein typisches Meisterschaftsrennen mit Resultaten knapp unter 14 Minuten, für die Medaillengewinner zumindest. Dabei hatte der eigentlich spurtstarke Jan Fitschen seine liebe Mühe, den ebenfalls nicht gerade spurtschwachen André Pollmächer, der übrigens wie auch Alexander Lubina bei den 10 000 m-Meisterschaften in Tübingen das Göteborg-Ticket lösen konnte, mit 13:52,37 zu 13:53,65 in Schach zu halten. EM-Mann Gabius folgte fünf Sekunden dahinter.
Das war’s dann allerdings auch schon mit Zeiten unter 14 Minuten. Einstmals Dutzendware, heute schon eher die Ausnahme. Eine kompakte Gruppe mit dem wieder genesenen Mario Kröckert, Alexander Lubina, Lars Haferkamp, Michael Schering und Stefan Koch folgten im Sekundentakt knapp über der Schallgrenze. Erneutes Aus für Crossmeister Sebastian Hallmann, dessen Wunschträume einmal mehr am Bahnrand endeten.
Frauen: Wer im Hochsommer um 18.00 Uhr zum Meisterschaftsrennen ruft, der braucht sich in der Regel nicht über schwächere Zeiten beklagen, denn das dürfte längst auch dem letzten Funktionär klar sein, nämlich dass bei hohen Temperaturen kaum schnelle Endzeiten, sprich die vom DLV ohne Not deutlich erhöhten Qualifikationsnormen, erwartet werde können. Wenn dann Irina Mikitenko auf der Jagd nach den festgesetzten 15:25 Minuten diese mit 15:28,00 gerade einmal um drei Sekunden verpasst, dann ist dies aller Ehre wert. Und dies vor allem in Alleingang, da Sabrina Mockenhaupt schon nach 3000 m dem mutigen Tempodiktat der Neu-Wattenscheiderin zum Opfer fiel.
Damit schrammte Irina Mikitenko nach ihrer vergeblichen Jagd nach der 10.000 m-Norm ein weiteres Mal an der hohen Norm-Hürde vorbei. Dies alles vor dem Hintergrund, diese hohen Ziele im Alleingang schaffen zu wollen. Nein, zu müssen, denn bereits in Tübingen fehlte gleichwertige Konkurrenz. „Mein Ziel war es, die Norm zu laufen, das war allerdings bei diesen Bedingungen nicht möglich!“ zeigte sie sich im Ziel sichtlich enttäuscht, setzt allerdings hinsichtlich der Nominierung auf das Wohlwollen des Verbandes, bevor sie von der Kunststoffbahn den bereits angekündigten Schritt auf die Straße wagen wird. „Bei der EM möchte ich schon unter 32:00 Minuten bleiben!“ nennt sie ihr Nahziel.
Zwölf Sekunden hinter „Miki“ kam Sabrina „Mocki“ Mockenhaupt ins Ziel, erstmals für ihren Kölner Marathon-Verein. Da auch die Dritte Ulrike Maisch dem Marathonlager zuzurechnen ist, ist auf den längeren Bahndistanzen ein weites Betätigungsfeld für motivierte junge Läuferinnen gegeben. Eine davon ist sicherlich Julia Viellehner, die in Ulm als Fünfte (hinter Melanie Kraus, einer weiteren Marathonläuferin) einmal mehr auf ihr Talent aufmerksam machen konnte. Bedauerlich nur, dass auch sie prädestiniert ist für längere Strecken….
3000 m Hindernis:
Männer: Tiefpunkt in der einstigen Paradedisziplin! So ließe sich das wenig meisterschaftswürdige Auftreten der deutschen Hinderniselite bezeichnen. Wo sind sie denn, die Nachfolger der Karst, Ilg, Schwarz, Kallabis? Nach den verletzungsbedingten Absagen von Filmon Ghirmai, Stephan Hohl und Raphael Schäfer waren es lediglich sieben Läufer, die sich dem Starter stellen wollten. Steffen Uliczka war noch der beste in 8:42,06 Minuten. Einziger Trost: Bis auf den 32jährigen Dritten Florian Holzinger gehören alle Teilnehmer der Juniorenklasse an.
Frauen: Ähnlich trostlos die Abteilung Frauen – mit einer Ausnahme: Und diese heißt Verena Dreier und ist auf dem Sprung in die internationale Elite. Mit 9:56,23 Minuten schrammte die 21jährige von der LG Sieg zwar knapp an der EM-Norm des DLV von 9:55 vorbei, doch es sollte keine Frage sein, dass der Schützling von Heiner Weber in Göteborg an der Startlinie stehen wird. In einem äußerst inhomogenen Feld kam die beim Europacup eingesetzte Birte Bultmann als Dritte hinter Meike Rosenauer ins Ziel, allerdings mit einer halben Runde Rückstand auf die talentierte Verena Dreier.
Wilfried Raatz
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