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03
11
2010

Neben vielen Gründen für diese Erfolgsgeschichte sind vor allem zwei Männer zu nennen, die über die vergangenen Jahre diese Entwicklungen möglich gemacht haben. Dies sind Joe Schindler, der Race Director des Frankfurt Marathons, und Christoph Kopp aus Berlin, der auch in Frankfurt als Athletenkoordinator fungiert.

Der (unaufhaltsame) Aufstieg des Frankfurt Marathons in die Weltspitze – Anmerkungen zum 29. Commerzbank Frankfurt Marathon vom 31.10.2010 – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Mit dem Sieg von Wilson Kipsang beim 29. Frankfurt Marathon in phantastischen 2:04:57 hat diese Veranstaltung bei den Männern einen Aufstieg in die absolute Weltklasse vollzogen, der (vorläufiger) Höhepunkt einer einmaligen Erfolgsstory darstellt.

Und die ist umso bemerkenswerter, als man in der Mainmetropole den Fokus auf solide Arbeit legte, die Ressourcen sehr effektiv sowie verantwortungsbewusst einzusetzen wusste und stets sehr realistisch die weiteren Entwicklungen plante. Ein Blick auf die Sieger der Männer und deren Zeiten belegt in beeindruckender Weise, mit welcher Konsequenz an der Steigerung der Bestmarken gearbeitet wurde.

Seit dem Eintritt in die sub-2:10-Regionen im Jahre 2003 gab es nur 2006 keine Verbesserung des Streckenrekords, allerdings auch in jenem Jahr eine Zeit im Bereich der aktuellen Bestmarke. Wie die Aufstellung zeigt, arbeitete man sich dabei auch in der absoluten Position in der Marathonwelt zielstrebig nach vorne.

Aus Positionen im mittleren zweistelligen Bereich lag man in den letzten beiden Jahren bezüglich der Jahres-Weltbestzeiten bereits unter den Top 20, am Sonntag reichte es erstmals zu den Top 10. Der aktuell dritte Platz scheint in diesem Jahr kaum gefährdet. Auch von der absoluten Zeit ist Frankfurt in der absoluten Spitze angekommen, nur Berlin, Rotterdam und Dubai können sub 2:05 Zeiten vorweisen.

 

                     Jahr                    Sieger                                       Zeit                     Platz JWBL

 

                  2002          Eluid Kerling (KEN)                 2:12:32               192

                  2003          Boaz Kimayo (KEN)                 2:09:28               77

                  2004          Boaz Kimayo (KEN)                 2:09:11               41

                  2005          Wilfred Kigen (KEN)                2:08:29               20

                  2006          Wilfred Kigen (KEN)                2:09:06               44

                  2007          Wilfred Kigen (KEN)                2:07:58               25

                  2008          Robert Cheruiyot (KEN)           2:07:16               17

                  2009          Gilberrt Kirwa (KEN)                2:06:14               15

                  2010             Wilson Kipsang (KEN)                 2:04:57                      3

 

Neben vielen Gründen für diese Erfolgsgeschichte sind vor allem zwei Männer zu nennen, die über die vergangenen Jahre diese Entwicklungen möglich gemacht haben. Dies sind Jo Schindler, der Race Director des Frankfurt Marathons, und Christoph Kopp aus Berlin, der auch in Frankfurt als Athletenkoordinator fungiert.

Wie sich nun zeigt, ein Duo mit überragendem Erfolg. Mit gegenüber den Großen der Zunft – vor allem den Marathon Majors – sehr limitierten Ressourcen machte man in den vergangenen Jahren wenig Worte und konzentrierte sich sehr realistisch auf die vorgegebenen Möglichkeiten. Und obwohl sehr viele junge Nachwuchsläufer an den Start gingen und für die Stars der Szene schlichtweg das Geld und die Reputation fehlten, konnte man schon vor geraumer Zeit über die Leistungsentwicklungen auf den Straßen der Mainmetropole nur staunen.

Fachleuten waren diesen Entwicklungen schon deshalb nicht verborgen geblieben, als Frankfurt neben immer schnelleren Siegerzeiten in der Breite der Resultate schon längst weltweit eine Führungsposition einnahm. Durch die Erfahrung und die Beziehungen von Kopp gingen stets Felder in Frankfurt an den Ablauf, die in der Leistungsbreite beeindruckend waren und mit einem Lauf in einer großen Gruppe in der Anfangsphase verbunden war.

Diese Taktik zusammen mit der glücklichen Auswahl der Pacemaker war Garant für ein dichtes Leistungsniveau auch hinter den Erstplatzierten. Das Beispiel der Läufer im Ziel unter dem internationalen Qualifikationsstandard von 2:13 belegt dies sehr deutlich. Hier ist Frankfurt schon seit Jahren weit vorne, insbesondere die vermeintliche Eliteliga der Marathon Majors „läuft“ diesbezüglich deutlich hinterher.

Frankfurt ist somit ein Musterbeispiel wie man mit Können und solider Arbeit auch bei limitierten Ressourcen eine Veranstaltung von höchstem Niveau realisieren kann. Auch das Niveau von 2010 mit 8 Läufern unter 2:10, 22 unter 2:15, 28 unter 2:20 bei ca. 10.000 Finishern wird weltweit kaum erreicht.

 

                               Läufer im Ziel mit Zeiten unter 2:13

 

                           Ort                             2007          2008                           2009                  2010

 

                        Frankfurt                   14                   14                           16                      13

                        Rotterdam              6                11                    11                11

                        Berlin                    10                7                      9                 10

                        Boston                   0                 5                      9                 11

                        Chicago                  4                3                      7                   8

                        London                  8                11                    12                  7

                        New York                5                 3                      7                  

 

Aber auch der große Erfolg lässt den Vater des Erfolgs nicht in Größenwahn verfallen. Ganz typisch für Jo Schindler schätzt er die Dinge sehr realistisch ein: „Wir müssen auf dem Teppich bleiben. Ein solches Ergebnis ist nicht jedes Jahr möglich. Wir wollen hier keinen Druck aufbauen. Eine Bestätigung dieses Ergebnisses wäre 2011 fantastisch. Es wäre unverantwortlich zusagen, wir laufen 2011 noch eine Minute schneller.“

Recht hat er, aber es würde nicht überraschen, wenn mit dem Rückenwind der Fabelzeit vom Sonntag weitere Spitzenläufer den Weg an den Main finden.

Einer von diesen wurde in diesem Jahr auf der Frankfurter Strecke geboren. Wilson Kipsang gehört zum kleinen Kreis von Läufern, die den Marathon unter 2:05 zurücklegten, ein Regime, in das erstmals sein großes Vorbild Paul Tergat 2003 in Berlin vordrang.

Übrigens waren nicht nur Kipsangs Endzeit sondern auch die Splits sehr ähnlich wie bei Tergats Rekordlauf (5km: 15:01 (Tergat)/14:59(Kipsang), 10km: 29:58/30:00, 15km:44:48/44:47, 35km: 1:44:00/1:43:59).

Beeindruckend vor allem auch das Finale, Kipsang lief die letzten 2.195 m von der 40 km Marke in 6:12. Nur Mutai (6:05) und da Costa (6:10) waren jemals schneller als der Kenianer. Interessant ist auch das Kipsang ab der 10 km Marke gegenüber Haile Weltrekordlauf nur noch 10 Sekunden verlor, wie schnell man für unter 2:04 laufen muss, dürfte ihm also schon jetzt sehr vertraut sein.

Kipsang deutete an, im kommenden Jahr wieder in Frankfurt zu starten. Seine 2:04:57 sind nach den Eindrücken vom Sonntag noch nicht unbedingt seine Leistungsgrenze, das 30. Jubiläum wird sicher wieder ein tolles Festival des Laufsports. Dann übrigens mit dem neuen Sponsor, der mittlerweile auch in Berlin real abgelöst hat. Der Autobauer aus München unterstützt somit zwei Läufe in Deutschland der absoluten Weltklasse, wobei Frankfurt – allerdings durch das Wetter begünstigt – in diesem Jahr die Nase sogar schon vorne hatte.

Und beim Vergleich der beiden Städte lag Christoph Kopp, der in diesem Jahr beeindruckende Erfolge aufweisen konnte (vor allem der Doppelweltrekord bei den BIG25 im Mai in Berlin), im Vorfeld sehr richtig: „Ich bin sicher, dass die Frankfurter Strecke gut genug ist für Zeiten um 2:05 Stunden. Wenn das in Berlin möglich ist, geht das in Frankfurt auch. Vielleicht könnten wir noch ein paar Ecken weniger vertragen, aber der Unterschied ist nicht so groß.“ Dem ist seit Sonntag nichts hinzuzufügen.

Leider war ein deutscher Läufer an diesen Entwicklungen nicht beteiligt, weder Falk Cierpinski noch Thomas Sauter konnten die Gunst der guten Bedingungen nutzen und die indiskutable aktuelle deutsche Jahresbestzeit von 2:17:18 steigern. Diese Zeit wird am Ende noch soeben zu den besten 1.000 Ergebnissen des Jahres 2010 gehören, die Welt rennt im Marathon den Deutschen immer weiter davon.

Dabei sollte doch die einmalige Erfolgsstory vom Main auch die deutschen Läufer nachhaltig motivieren. Gleichzeitig mit dem Lauf in Franfurt kam die erfreuliche Nachricht, dass Andre Pollmächer sein Comeback plant. Für die deutsche Marathonszene kann das nur gut sein, Pollmächer hat jedenfalls das Potenzial, die Misere bei den deutschen Marathonmännern nachhaltig zu beenden.

Vielleicht sogar am 30.10.2011, in Frankfurt!

Helmut Winter

 

 

author: GRR

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