Fahrt durch Wien zum Bundespräsidenten: „Wie Urlaub für mich!“
Der Superstar ist gelandet! – Haile Gebrselassie begeistert in Wien: Vor der Presse, beim Bundespräsidenten und als Maler auf der Vienna Sports World zugunsten „Menschen für Menschen“
Das Warten hat ein Ende: Heute Freitag, pünktlich um 9:30 Uhr ist Superstar Haile Gebrselassie auf dem Flughafen Wien-Schwechat gelandet. Beim anschließenden Pressetermin im Athletenhotel präsentierte er sich den Journalisten gut gelaunt, beantwortete alle Fragen ausführlich und gab auch noch geduldig Autogramme.
Auf den Äthiopier, der am Montag seinen 38. Geburtstag feiert, wartet rund um den 28. Wien Marathon großes Programm.
Rieseninteresse an Weltstar Haile
„Zuallererst möchte ich mich für die Einladung beim Herrn Bundespräsidenten bedanken“, eröffnete der charismatische Äthiopier seine Begrüßung der Anwesenden. Ganz locker gab er sich, stets ein sympathisches Lächeln im Gesicht. Im Trainingsanzug hatte Haile Gebrselassie auf der Couch Platz genommen, um sich mit Mark Milde, dem VCM-Rennleiter, der Presse zu präsentieren.
Sechs TV-Stationen, zahlreiche Radiojournalisten, dazu viele Vertreter der Printmedien und eine Schar Neugieriger, die vor dem Konferenzraum wartete, um eine Unterschrift des 27-fachen Weltrekordlers zu ergattern – jeder aus dem nationalen und internationale Publikum wollte sich den allerersten Wien-Besuch Gebrselassies nicht entgehen lassen.
Geburtstagsfeier bei „Catch me if you can“
Nach einer kurzen Videopräsentation des 10.000-m-Olympiaduells zwischen Gebrselassie und Paul Tergat in Sydney 2000 stellte Milde den Ausnahmesportler und das Verfolgungsrennen im Rahmen des Wien Marathon noch einmal vor. Der sportliche Auftritt von Haile am Sonntag, den 17. April, auf der Halbmarathondistanz folgt einer auf diese Weise noch nie durchgeführten Dramaturgie. Der Weltrekordler bestreitet auf der ersten Hälfte des Marathons unter dem Motto „catch me if you can“ ein Verfolgungsrennen gegen das Spitzenfeld des Marathons. Exakt zwei Minuten Vorsprung gibt er den Elite-Marathonläufern, die um 8:58 Uhr ins Rennen gehen.
Sechs Asse mit Bestzeiten von 2:07 Stunden oder schneller sind im Feld – darunter Halbmarathon-Weltmeister Paul Kirui – und sechs weitere Läufer, die den vollen Marathon bereits unter 2:10 Stunden gelaufen sind. „Das ist eine sehr gute Idee und etwas anderes“, erklärte Äthiopiens Superstar am Freitag nach seiner Ankunft in Wien. Fünf Monate nach seinem Rücktritt vom Rücktritt in New York präsentierte sich Haile Gebrselassie entschlossen wie immer und zugleich fit. Es könnte für ihn wohl keine bessere Geburtstagsparty geben als einen Sieg in einem großen Rennen.
Will schnelle Zeit laufen
„Ich will am Sonntag schnell laufen, aber ich möchte jetzt nicht spekulieren, was für eine Zeit herauskommen könnte“, erklärte Haile Gebrselassie und fügte hinzu: „Wenn ich nur 62 oder 63 Minuten laufen würde, würden sich die Leute ja fragen: Das soll Haile sein?“ Bezüglich seiner Gegner im Verfolgungsrennen sagte der Äthiopier: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Natürlich könnte sich einer der Läufer sagen, ich möchte am Halbmarathonpunkt vor Haile sein. Aber wer tatsächlich schneller als ich dort sein wird, wird am Ende eine schlechte Marathonzeit laufen. Denn man sollte, wie ich selbst schon erfahren musste, im Marathon die erste Hälfte nicht zu schnell rennen.“ Zugleich versicherte Haile Gebrselassie den Marathonläufern aber auch: „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich werde nicht im letzten Augenblick meine Pläne ändern und plötzlich Marathon laufen.“
Erfolgsgeheimnis: Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Laufen.
Befragt nach seinem Erfolgsrezept antwortete er: „Es gibt kein Geheimnis! Es ist immer eine Frage, was du tust oder getan hast. Wenn du einmal mit dem Laufen beginnst, kannst du nicht mehr damit aufhören. Laufen muss wie das tägliche Essen sein. Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Laufen.“
Fahrt durch Wien zum Bundespräsidenten: „Wie Urlaub für mich!“
Auf der Fahrt durch Wien zum Bundespräsidenten bestaunte er die historischen Gebäude entlang der Ringstraße, allen voran die Oper und die Hofburg, den Amtsitz von Staatsoberhaupt Heinz Fischer, der direkt vor dem Ziel des Vienna City Marathon liegt. „Es ist unglaublich sauber und für Touristen phantastisch hier. Ich selbst bin ja wie auf Urlaub hier – vier Tage lang keine Telefonanrufe, das genieße ich“, sagte er. Mit Bundespräsident Dr. Heinz Fischer parlierte er, begleitet unter anderem von Nachwuchsläuferin Jennifer Wenth, über Maria Theresia und deren Silbertaler, über die ihm schon sein Vater Bekele Gebrselassie erzählt hat. Der Präsident schenkte ihm zwei Stück – einen für ihn, einen für seinen Vater!
Die Lauflegende als Künstler
Auf der Vienna Sports World, der VCM Expo, startete er gemeinsam mit Almaz Böhm eine faszinierende Mal-Aktion zugunsten Menschen für Menschen. Das berühmte Gemälde „Der Kuss“ von Gustav Klimt steht im Mittelpunkt einer großen Mal-Aktion, die am Freitag, 15. April gestartet wird. Rechtzeitig zum 150. Geburtstag des Wiener Jugendstilkünstlers im Jahr 2012 wird dieses 1,80m x 1,80m große Bild neu gemalt – in einer Gemeinschaftsarbeit von hunderten Läuferinnen und Läufern. Eine neue, ganz spezielle Abwandlung dieses Kunstwerks soll geschaffen werden. Dazu wurde es in zahlreiche Felder unterteilt, denen jeweils ein bestimmter Farbcode zugeordnet ist. Für eine Mindestspende von 10,- Euro kann jeder an diesem Bild mitwirken und ein Feld ausmalen. Die gesamten Spenden kommen Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe Menschen für Menschen zu Gute. „Dr. Karlheinz“, wie er den Gründer des Hilfsprojektes nennt, „Dr. Karlheinz ist wie der Vater für Tausende äthiopische Kinder. Ich habe ein Projekt besucht, sehr entlegen. Die Leute dort haben fast nichts. Aber es gibt eine Schule von Menschen für Menschen! Wenn wir Äthiopien ändern wollen, müssen wir bei der Bildung der Kinder beginnen“, sagte er und erntete viel Applaus.
Sager und Highlights vom Pressegespräch
Gebrselassie stellte sich im Verlauf des Pressegesprächs geduldig den Fragen der Medien. Auf Wunsch einer äthiopischen Journalistin richtete er sogar eine Grußbotschaft auf Amharisch, in der Landessprache Äthiopiens, an das afrikanische Volk. Weitere Highlights:
Was sagte Haile über …
… die Halbmarathonzeit, die er am Sonntag laufen will?
Haile: Ich habe noch keine Zeit im Kopf. Ich kann noch nicht genau sagen, wie schnell ich bin. Das hängt auch von vielen äußeren Faktoren ab. Aber ich weiß, ich werde schnell laufen!
… die Möglichkeit, den ganzen Marathon zu laufen?
Haile: Keine Sorge, diesmal nicht!
… über seine derzeitige Form?
Haile: Es ist alles perfekt für das Rennen. Ich habe nach meiner Verletzung noch etwas Tempoarbeit im Training gemacht.
… über sein großes Programm in Wien?
Haile: Ich will hier viele Dinge sehen. Wien ist bekannt für seine Geschichte, seine Kultur, seine Architektur. Die Oper möchte ich mir unbedingt anschauen, wenn ich Zeit habe.
… auf die Frage, ob er ein sich auf die Masse beim Start freue?
Natürlich, warum nicht! Ich bin einer von ihnen. Ich bin ein Läufer zum Anfassen. Durch den Sport bleiben wir alle gesund.
… über seinen 38. Geburtstag am Montag?
Haile: Es ist schade, dass ich nicht schon am Sonntag Geburtstag habe. Da ist das spannende Rennen. Das wäre ein ganz besonderer Tag für mich.
… über seinen Rücktritt vom Rücktritt als Läufer im November 2010?
Haile: Die Leute in Äthiopien haben mich gefragt: Was ist los? Was ist passiert? Du musst weiterlaufen! Und wenn du läufst, dann musst du auch gewinnen! Das Volk erwartet etwas Spezielles von mir.
… über seine sportlichen Zukunftspläne?
Haile: Die nächsten zwei Jahre werden hart für mich. Gold bei den Olympischen Spielen 2012 in London ist ein großes Ziel. Aber alleine die Qualifikation ist sehr schwierig. Nur die drei schnellsten Läufer meines Landes dürfen hinfahren. Und wir haben wirklich starke Läufer. Auch die Läuferinnen in unserem Land werden immer schneller.
… auf die Frage, ob er nach Olympiagold mit dem Profisport aufhören würde?
Haile: Das Volk in Äthiopien erwartet, dass ich weiterlaufe. Also werde ich wohl weiterlaufen und Wettkämpfe bestreiten.
… über seine Projekte in Äthiopien?
Haile: Es ist eine Verantwortung, die ich habe. Ich bin verpflichtet dazu. Da gibt es zum Beispiel das Sozialprojekt „Menschen für Menschen“ mit Karlheinz Böhm und seiner Frau Almaz. Ich habe dabei meinen Teil zu erledigen. Auch Schuleröffnungen sind wichtig, weil jeder von uns eine Bildung braucht. Es gibt bei uns ein Sprichwort: Gib nicht einen Fisch her, sondern zeig, wie man den Fisch fängt.
… über das internationale Image Äthiopiens?
Haile: Das Bild von Äthiopien – das mit Hunger und Armut, aber auch mit Laufsport verbunden ist – wird jedes Jahr besser. Die Leute bei mir daheim sind meine Zeugen. Ich will ihnen zeigen, wie man etwas verändern und verbessern kann. Ich will ihnen helfen bei der Verbesserung. Aber das braucht Zeit.
… auf die Frage, was er gerne sein würde, wenn er nicht Läufer wäre?
Haile: Ich wäre gern Journalist. Die Medien haben die Macht. Viel mehr als ein Staats- oder Ministerpräsident. Es ist ein harter Job. Und beim Schreiben eine Frage der Verantwortung.
VCM News. Text: Roland Romanik | Jörg Wenig
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