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30
04
2016

Unverwüstlich: Zürich-Marathon-Sieger Yuki Kawauchi ©Brett Larner

Der Sport – kalt erwischt! Schnell in die Badewanne – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die Rückkehr des Winters hat den Sport kalt erwischt. Wo der Wettbewerb nicht unter Dach und Fach stattfand, war er gefährdet. Beim ATP-Tennisturnier in München gingen die Profis, als es die Flocken zu toll trieben, vom Platz ins Warme. Fortsetzung am nächsten Tag; mal ein cooler Anlass, Spiele zu verschieben.

Die Radprofis bei Lüttich-Bastogne-Lüttich hätten ihre Chancen noch genauer wägen können als sonst; jeder hätte verstanden, wenn die Abgehängten – und das war schon bald das gesamte Feld – bei Schnee, Eis und Hagel in den Ardennen vom zweirädrigen Snow-Mobil gestiegen wären. Doch die harten Burschen blieben im Sattel, statt es sich auf dem Beifahrersitz des Begleitwagens bequem zu machen. Mehr als 150 fuhren bis ins Ziel.

Besonders schlimm war es beim Zürich-Marathon.

In Schnee, Regen und Wind ging den Veranstaltern ein Favorit nach dem anderen verloren. Athletinnen und Athleten aus Kenia, aus Äthiopien und anderen Ländern irrten in kurzen Hosen und ärmellosen Trikots durch die Kälte, zehntausend Teilnehmer schlotterten dem Ziel entgegen und mussten dann auch noch in Wind und Wetter auf die Ausgabe ihrer Kleiderbeutel warten – bis sie schließlich das Zelt stürmten.

Da hatte der unverwüstliche Yuki Kawauchi längst gewonnen; ein Mann, den nichts aufhält. 29 Jahre alt ist er, Zürich war sein sechzigster Marathon, der vierte in diesem Jahr.

Ohnmächtig vor Kälte

Vorjahressiegerin Yoshiko Sakamoto, auch sie aus Japan, erging es schlechter. Sie wurde, als sie nach dem Ausstieg von Katharina Heinig aus Frankfurt die Führung übernommen hatte, ohnmächtig. Hände und Füße habe sie im Lauf nicht mehr gespürt, erzählte sie dem Langlauf-Portal japanrunningnews.com, ihr sei schwarz vor Augen geworden, dann sei sie stehen geblieben und zitternd zu Boden gesunken.

Unverwüstlich: Zürich-Marathon-Sieger Yuki Kawauchi

Eine Zuschauerin hob sie auf, umarmte sie und rubbelte ihr den Rücken. Dabei stellte sie wohl fest, wie stark die kleine Läuferin mit der Sonnenbrille und Startnummer 51 unterkühlt war. Kurzerhand jedenfalls trug die patente Schweizerin das japanische Leichtgewicht in ihr Haus am Ufer des Zürichsees und steckte es zur Wiederbelebung in die Badewanne. Als die Ambulanz die Athletin abholte, steckte diese in trockener warmer Kleidung und festen Schuhen.

Zusätzlich zum europäischen Aprilwetter war sie an der Sprachbarriere gescheitert, wie sie nun mitteilt. Im Internet lässt sie wissen, dass sie es bedaure, dass sie mit ihrer Retterin nicht sprechen konnte.

Man wünscht ihr, wie allen anderen, die im Frühjahr dort draußen dem Winter begegnen, Sonne im Herzen.

Und eine Badewanne.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 27. April 2016 

author: GRR

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